Fünftes
Hauptstück.
Derartige Naturmotive wurden theils materiell benützt, theils
dienten sie als frühe Vorbilder für zweckverwandte Geräthe,
obschon der Mensch ihrer kaum bedarf, da ein instinktiver Im-
puls ihn bereits auf früher Kunststufe, und grade auf dieser am
sichersten, zu der Wahl des Zweckangemessenen hinleitet.
Bei genauer Erwägung zeigt sich kein einziges durch Men-
schenhand geschaifenes Gefäss als ein reines, ungemischtes, son-
dern sie sind sämmtlich der Art dass sie mehrere Motive, mei-
stens sogar alle vier obengenannten, in sich vereinigen; wird doch
schon das natürliche Ei, das der Mensch sich zum Essen zu-
bereitet, unter der Hand desselben ein Gefäss das wenigstens
die drei Funktionen des Fasses, des Trichters und des Ausgusses
vertritt; die gemachte Oeffnung und die Abplattung des un-
tern Theiles durch einen leichten Druck auf den Tisch reichen
hin um das Ei aus seiner absoluten Indifferenz herauszureissen
und es als Gefäss mit dem Menschen in Beziehung zu setzen.
Wenn es somit keine reinen ungemischten Gefässformen gibt,
so ist dennoch in den meisten Fällen eins der angeführten Mo-
tive das vorherrschende, oder wenn zwei von ihnen in gleicher
Stärke hervortreten, so verschwinden dafür in gleichem Verhält-
niss andere. Zum Beispiel ist jeder Löffel zugleich ein kleines
Reservoir, aber die Funktionen des Schöpfens und Ausgiessens
sind doch bei ihm vorherrschend und formenbestimmend.
Zu diesen fundamentalen Grundmotiven der Gestaltung kom-
men nooh drei andere als accessorische hinzu: nämlich
1) das F ussgestell (der Stand);
2) die Handhabe (der Henkel);
3) der Deckel oder unter Umständen der Pfropf.
Durch die Verbindung dieser drei accessorischen Bestandtheile
des Gefässes mit den vier Grundformen werden diese eigentlich
erst zu gegliederten Organismen erhoben, an denen sich die
Mannigfaltigkeit durch das Kunstschöne zu zwecklicher und
gleichzeitig formeller Einheit gestalten mag.
So wichtig jedoch diese Extremitäten für den Stil in der
Vasenkunst sein mögen, so können wir sie dennoch bei der
Klassifikation der Gefässe nicht als Gattungsunterscheidungs-
zeichen gelten lassen, sondern beabsichtigen wir diese nur nach
den früher genannten vier zwecklichen Fundamentalverschieden-
heiten der Gestaltung zu gruppiren.