Volltext: Keramik, Tektonik, Stereotomie, Metallotechnik für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 239 in den Text gedr. Holzschn. und 5 farb. Tondrucktaf. (Bd. 2)

Keramik. 
Einleitung. 
Die erste und allgemeinste Absicht ist die des Fassens, 
man strebt nach einem Mittel eine Flüssigkeit oder auch eine 
kßllektive Anzahl von trockenen Gegenständen einzuschliessen 
und zusammenzuhalten. 
Eine zweite von jener verschiedene Absicht der Töpferindu- 
strie ist die Hervorbringung von Instrumenten des Schöpfens. 
Wir wollen ein Werkzeug was geeignet ist von einer grösseren 
Quantität Flüssigkeit einen Theil aufzufangen und zu irgend einem 
weiteren Zwecke zu isoliren. 
Dazu kommt noch eine dritte Absicht die mit jener zweiten 
häufig verbunden auftritt, nämlich die des Einfüllens: Wir 
wollen das Geschöpfte, Aufgefangene, in ein Reservoir hinein- 
leiten. Noch eine vierte Absicht ist die der dritten entgegenv 
gesetzte des Ausgiessens. 
Also das- eigentliche Fass (Reservoir), das Schöpfgefäss, 
das Füllgefäss (Trichter) und das Gussgefäss, diess sind 
die vier elementaren Grundformen der Keramik. 
Die Natur bietet gewisse Formen, welche die barsten Aus- 
drücke dieser vier Konceptionen der Töpferkunst sind. 
Die Kürbisse und die Eier sind Fässer oder Reservoirs in 
strengster und ungemischtester Form. Das Ei wurde daher auch 
tlefsinniges Symbol des Absoluten, Allumfassenden, der „Welt als 
Wille-u Man findet in Thon 0de1' Marmor gebildete und zum Theil 
auch wirkliche auf ihrer Oberfläche reich ornamentirte Strausseneier 
nicht selten in hetruskischen Gräbern neben andern Gefassen. Auf 
dem sogenannten Harpyengrabmal haben die lbdesmütterliligestalt. 
Ein UrtyPus für das Schöpfgefässe ist die hohle Hand; 
auch das Horn gewisser Thiere ward ohne Zweifel ein frühestes 
Motiv, als Form für derartige Gefässe. Dasselbe Hornf unten an 
der Spitze abgeschnitten oder durchbohrt, ist der einfachste Trich- 
ter, das ursprünglichste Füllgefäss, das auch als Trinkhorn 
besondere Weihe erhielt und sogar später mit allen Ausschmiickun- 
gen und Verschönerungen der höheren Kunst in Thon, Stein, 
edlen Metallen und anderen Stoffen nachgebildet wurde. 
Eben so bilden die Muscheln und die Seeschnecken natürliche 
Ausgussgefässe.
	        
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