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Hauptstück.
Fünftes
versehen (Siehe Fig. Seite 13), denen immer eine kanopische
(d. h. umgekehrt konoidische) Gefässform entspricht, die eine
mehr oder Weniger deutlich ausgesprochene Aehnlichkeit mit einer
Mumie hat. Derartige sinnbildliche Behandlung der Formen über-
schreitet die Grenzen der Kunst und wird lteligionssymbolil: und
Mystik, dergleichen die Griechen möglichst von sieh wiesen; daher
findet sie sich an griechischen Vasen nur in spielender und scherz-
hafter Anwendung, welche letztere wir uns ebenfalls gestatten
dürfen, wenn wir diejenige Meisterschaft besitzen, die dazu ge-
hört, um ähnliche höchst schwierige Aufgaben nach den Gesetzen
des Stils, und mit Geist, zu lösen. Sonst lassen wir es lieber
bleiben, r- was der lilehrzahl unserer heutigen Keramiker und
Goldschmiede gesagt sein mag.
Der vom Knopfe aus strahlenförmig sich entfaltende Deckel
kann in ästhetisch- formaler Beziehung durch seine speziellere
Bestimmung', durch sein Verhalten zum Ganzen des Gefasses,
endlich durch die technischen Mittel, die der angewandte Stoff
gestattet, sich verschiedenartigst gestalten. Der ldee nach, die
ihm unterliegt, als Dach, liegt es nahe, ihn daehahnlich zu
behandeln, mit abwärts fallenden und sich entwickelnden Ele-
menten (Schuppen, Schilfblattern, Pfeifen und dergl.). Doch
widerspricht es keineswegs der Logik des Stils in ihm die Idee
des sich Steifens und unten auf den Rand sich Aufstützens,
oben gegen den Kranz des Knopfes sich Gegenlehnens, kurz die
des Widerlagers aufzufassen und formell-dekorativ zu behandeln.
Dieser dynamische Gedanke findet sich nicht selten an lukanischen
Gefassdeckeln durch aufwärts gerichtetes Rankenwerk, am häufig-
sten an mittelalterlichen, und zwar in baulich struktiver Ideen-
verknüpfung, ausgesprochen. Wenn man nur weiss, was man
formengebend will!
Den untern Abschluss des Deckels bildet der Rand, der als
Saum zu charakterisiren ist; seine ornamentalen Motive müssen
entweder in Beziehung auf Oben und Unten indifferent sein, oder
das Oben hervorheben. So z. B. sind Thiere, Thierköpfe,
Ins ehriften, Wappen u. dergl. immer mit dem Scheitel gegen
den Knopf gerichtet. Es kommt hier Alles das in Anwendung, was
Band I, 15 über den Saum und die Bordüre gesagt worden ist.
Die Verknüpfung mit dem Rande des Gefasses geschieht
durch einen Astragal, dem sich noch ausscrdem ähnliche Formen,