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Fünftes
Hauptstück.
oder ist nur noch durch Malerei angedeutet. Oft besteht sie aus
auslaufenden Formen, wie solche von selbst entstehen, wenn der
Daumen bemüht ist, eine weiche Masse an etwas Festes anzu-
drücken und zu befestigen; wobei das bildnerische Gefühl unbewusst
das höhere Gesetz der so entstehenden Schwungflächen erfasste.
Die naive Idee, das Verhüllen der Schwierigkeiten und Mängel
der Praxis zu verbildlichen, führte vielleicht zu der gerade an
diesen Stellen am häufigsten wahrgenommenen Anwendung des
uralten Verhüllungssymbols der Maske, die zugleich einen auf
die Bestimmung des Gefässes deutenden tendenziösen Bezug ge-
wann (Bacchusdienst. S. Fig. S. 50).
Das über den EinHuss der Metallotechilik auf die Töpferkunst
Gesagte widerspricht keineswegs der Thatsache, dass bei der deko-
rativen Behandlung der Henkel Motive, die dem Band; und
Strickwerk entlehnt wurden, wie z. B. gedrehte, oder selbst
verknotete Bügel, Zopfgeiiechte, Tänienornamente und dem Aehn-
liches sehr allgemein vorkommen, da sie, wie in dem ersten Bande
vielfach gezeigt worden ist, der Urtechnik angehören, die früher
als jede andere künstlerisch behandelt wurde, von der also auch
die Metallotechnik ihre Analogieen entlehnte (Siehe auf S. 107
oben rechts und passim).
Das Uebergewicht technischer Rücksichten bei der Anlage
und Ausstattung der Henkcl erklärt die Seltenheit glücklicher
Anwendung natürlicher Analogieen bei ihrer Gestaltung. Man
hat z. B. in dem hochaufrechten Henkel des Kyathos ein mensch-
liches Ohr, als Anspielung auf die griechische Bezeichnung des auf-
rechten Ohrhenkels (059), erkennen wollen. Diess Gleichniss wäre
nicht eben glücklich, noch geistreich, zu nennen. Motivirter sind
für Henkel Zweigverschlingungen und Ranken, auch Wohl Schlan-
genverknotungen u. dergl. Dievnatürliche, mit der technischen
zusammentretende, Symbolik der Formen einzelner Theile der
Henkel, besonders ihrer Befestigungsglieder, ist vornehmlich in
der plastisch-metallotechnischen Vasenkunst vorherrschend. 1
Als Getrenntes wird der Henkel meistens anders und zwar dunk-
ler gefärbt als der Bauch; auch steht er in der Farbe in nächstem
Bezuge mit dem Ausguss, oder mit der Dille. Bei garnirten Gefässen
(mit metallischen Extremitäten) ist er durch einen Ring mit dem
1 Vergl. hierüber und über die Art dieser Symbolik das Cap. IV. S. 372
u. ff. des ersten Bandes.