Volltext: Appiani [i. e. Andreas] - Domenico del Barbiere (Bd. 2)

694 Giorgio Barbarelli.   
 
lerischer Entwicklung ansehen darf (s.  zeigt endung des Bellinesken Stils schon die ganze 
sich eine eigentümliche Verbindung der Mal- Originalität seines malerischen Genius erkennen 
weisevder Bellini mit der Antonclltfs von Mes- lässt, ist die berühmte Madonna mit den hin 
sina; namentlich das Vorbild des letzteren ist in Franziskus und Liberale in der Pfarrkirche zu 
der feinen gussartigen Verschmelzung der Far- Cas tel franco (s.  Jedenfalls aber hatte B, 
benmassen, in der fast metallischen Glätte der bereits vor der Ausführung dieses Gemäldes den 
Flächen deutlich wahrzunehmen. Bald aber trat Kreis der traditionellen Stoffe der religiösen 
an die Stelle dieser ersten, noch etwas spröden Malerei zuweilen verlassen, angeregt durch jene 
Manier jene Weichheit der Behandlung, jene genreartigen Schilderungen aus Gio. Bellinfs 
tiefe und glühende Wärme der Farbentöne, mit späterer Zeit, in denen eine anmutige land_ 
der nun erst der volle und ganze Schein des Le- schaftliehe Szenerie den Schauplatz legenden- 
bens erreicht ward. Vasari sagt, dass die aus- hafter oder mythologischer Vorgänge bilden 
gezeichnetsten Meister jener Zeit von Giorgione Ein ähnliches Darstcllungsgebiet war es, auf 
bekannten vlui esser nato per metter lo spirito dem sich B. später mit besonderer Vorliebe be- 
nelle fignre e contraifai" la freschezza della carne wegte, auf dem er seine originellsten und eigen- 
viva piü che nessuno che dipingese non solo in tümlichsten Werke schuf. Schon bei seinen 
Venezia, ma per tuttom Bei ihm zuerst zeigt Zeitgenossen, deren Geschmack sich immer ent- 
sich, vor allem in der vielgerühmten Weichheit schiedener von den Werken der älteren religiö- 
der Karnation, jene feine malerische Charakteri- sen Malerei abwandte, war er vornehmlich ge- 
sirung des Stofflichen, die zu den hervorragend- schützt und bewundert als Schildercr jener no- 
sten lllerkmalen der venezianischen Schule der vellistischen Szenen, für welche sein Name 
Blütezeit gehört, zugleich aber, mit dem voll- spätcrhin geradezu typische Bedeutuniä erlangte. 
entwickelten Reize des Lebens, jene reiche Von manchen solcher Darstellungen, wie von 
Schönheit des Kolorits, die dem Auge eine den besonders beliebten vConcertens, in denen 
höchste Befriedigung gewährt, indem sie die er die Poesie des höheren Gesellschaftslebens 
Seele poetisch stimmt. Niemals vorher, sagt jenes glänzenden Zeitalters, musikalische Unter- 
Burckharrlt (s. d. Lit.), war das menschliche haltungen in freierLandschaft oder prachtvollen 
Auge über seine Reizfähigkeit, über Alles, was Gärten schilderte, sind nur noch freie Nach- 
ihm Wolgefallcn erregt, so genau befragt wor- bildungen oder Variationen von späterer Hand 
den. Die Rücksicht auf dieses Wolgefallen, die erhalten, die lange Zeit für Originalwerke Giorgi- 
feine Erwägung der künstlerischen Bedingungen, one's gegolten haben. In anderen Bildern diesen 
aus denen dasselbe resultirt, war auf das entschie- Genres, die man dem Meister mit Recht zuschrei- 
denste maaßgebend für die venezianische Malerei ben darf, hat der Gegenstand trotz seiner Einfach- 
dieser Epoche, die mit Recht eine Malerei der heit, (lieBeziehungder Gestalten zu einander, oft 
höchsten Augenlust genannt werden kann. Zu- einen eigentümlich geheimnissvollcu Character, 
gleich aber war die künstlerische Anschauung derdie Phantasie des Betrachterslcbluiftheschiif- 
der Venezianer, ihre koloristische Empfindung, tigt und zu immer neuen Deutungswrersuchen 
wie ihre Formenauffassung in den Werken anlockt. In der Auffassung ist dem Künstler 
dieser Bliiteperiode durchaus von einem ideel- überall eine Grösse und Vornehmheit eigen, 
len Zuge beherrscht. Sie nähern sich zwar nur die auch solche Darstellungen, die ihrem In- 
seltcn den ernsten Gedankenregionen der iloren- halte nach dem Genrehaften sehr nahe stehn, 
tinisch-römischen Kunst, sie schildern mit Vor- in eine höhere Region erhebt. Das Landschaft- 
liebe Szenen eines weltlich heiteren, genuss- liche, das schon Gio. Bellini in jenen genre- 
freudigen Daseins, welches gleichsam in der artigen Schilderungen sehr entschieden betont 
Mitte liegt zwischen den Höhen und Tiefen des hatte, erscheint hier noch reicher entwickelt, 
geistigen Lebens. Aber in diesen Schilderungen und von noch bedeutender-cm Einfluss auf die 
entfalten sie einen Reichtum poetischcrgEm- künstlerische Stimmung des Ganzen. Die Mo- 
plindung, eine Fülle malerischer Schönheit, die tive, die B. für seine landschaftlichen Szenerien 
bei aller Lebenswärme und sinnlichen Glut ein am liebsten benutzt, waren offenbar der Natur 
entschieden ideclles Gepräge trägt. Im be- seiner Heimat, den idyllisch anmutigen Um- 
stimmtesten Gegensatze zu dem sogenannten gebungen von Castelfranco entlehnt. 
Realismus späterer Koloristen, spicgcltdiese Ma- Eine noch andere Gruppe von Gemälden Bar- 
lerei die Welt derErscheinungen in einer gereinig- barelli's besteht aus Halbfigurenbildern, in denen 
ten Kraft und lcuchtendenVerkliirung der Farbe, diese Gattung von Darstellungen , die schon in 
die man als Poesie des Kolorits bezeichnen kann. der religiösen Malerei der vorangehenden Epoche 
Was den gegenständlichen Inhalt der Gemälde einen ansehnlichen Platz einnahm, zu eigen- 
Barbarellfs betrifft, so hielt er sich anfangs an's tümlicher Bedeutung gelangte. An die Stelle 
Herkömmliche. Vasari erwähnt als früheste Ar- der typischen religiösen Figuren traten hier por- 
beiten desselben ohne nähere Bezeichnung eine trätartige Gestalten, bald einzeln, bald gruppen- 
Anzahl Madonnenbilder, von denen sich, wie es förmig zusammengestellt und durch das Interes- 
scheint, keines erhalten hat. Das bedeutendste sante, Geistreiche und Bedeutende der Auffas- 
Jugendwerk dcsKiinstlers, dasin der freien Voll- sung gewissermaßen zu poetischen Charakteren
	        
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