626 Hans Baldung.
gendes Monogramm sich findet, dessen Stil aber er ist der hervorragendste Meister Strassburgs in
unabweiglieh auf B, deutet, diesemZweigeder vervielfältigendenKunst; seine
Thätigkeit auf diesem Gebiete wurde fastvon allen
IV- Seine Hßlßßßhllitie- Oftizinen der freien Reichsstadt in Anspruch ge-
Man kennt von Baldung eine beträchtliche nommen, hauptsächlich von derJohGriening-eru
Anzahl von I-Iolzschnitten; aber wenn die Er- sehen Druckerei, die durch ihn in dieser Bezie_
fahrung bei fast allen Meistern des Kupferstichs hung empor-kam.
und Holzschnittes lehrt, dass das Verzeichniss Unter seinen Darstellungen aus dem alten Te-
ihrer Werke als noch nicht geschlossen betrach- stament kommen Adam und Eva vier Mal vor,
tet werden darf, so ist dies ganz besonders bei Bartsch 1-4, darunter die grösste, N0. 3, vom
unserem Meister der Fall. Erst kürzlich ward J. 1511 mit der Aufschrift: Lapsus humanigene-
uns die Ueberraschung, in einem Hortulus ani- ris, ein bedeutendes Helldunkelblatt von zwei
mae vom J. 1511, über vierzig gänzlich unbc- Platten. Großartiger aber noch im wuchtigen
kannte, zum Theil treifliche kleine Bll. von ihm Pathos des Ausdrucks ist die Vertreibung ans
zu entdecken. Frühere Funde mit eingerechnet, dem Paradies, B. 4; von ergreifender Wahrheit
können seinem Werke jetzt mehr als 60 Num- und Innigkeit der Auffassung die Beweinung des
mern zugefügt werden. Wegen der Verschie- todten Erlösers, B. 5. Die Apostel mit Christus.
denartigkeit in Entwurf undAusfiihrung der Bll. hat B. in geschlossener Reihe drei Mal darge-
ist auch hier sein Name vielfach entstellt, seine stellt, darunter bedeutende, lebendig ausge-
Bedeutung häufig verkannt worden; durch seine prägte Charaktere, aber auch hart gezeichnete,
vielgestaltigen Monogramme hat er sogar ge- eckig bewegte, hausbackene Gesellen. Die Be-
wiegten Kennern, wie Bartsch, schwierige Räth- kehrung des Paulus, B. 33, zeigt eine machtvolle
sel aufgegeben. Erfassung des Momentes, in dramatisch beweg-
Zieht man die Summe seiner Leistungen in ter, ungemein lebensvoller Komposition. Den
dieser Technik, so dürften weder Burgkmair hl_ Büsser Hieronymus hat der Künstler drei
oder Cranach, noch irgend ein Schüler Dürefs, Mal dargestellt, besonders originell in No_ 35
obwol ihre Bll. viel bekannter sind, ihm den bei B„ wo der Charakter der Landschaft mit den
Rang streitig machen. Wie hoch Dürer selbst im Sturm iiatternden Vögeln und der Löwe am
des aGrünhansen Dings schätzte, geht aus der Wasser die Vorgänge im Innern des Heiligen
erwähnten Thatsachc hervor, dass er es in den symbolisiren. Sehr edel sind zwei Darstellun-
Niederlanden theils verschenkte, theils ver- gen des gemarterten Sebastian, B. 36 u. 37, die
kaufte. Was seine Gemälde auszeichnet, macht aber noch übertroffen werden durch dasBl. B.42,
auch den Werth seiner Holzschnitte aus, nur Christus an die Säule gefesselt, an der er sich
dass er sich hier noch reicher an Erfindung, mühsam aufrecht hält. Die tiefe Empfindung,
freier und kühner in der Komposition zeigt. die diese Komposition beseelt, lässt alle Mängel
Freilich treten dabei auch ebenso stark seine vergessen, die ihr in der Ausführung als El-b-
Fehler zu Tage, der Mangel an gereiftem Schön- theil der altdeutschen Kunst etwa noch anhaf.
heitsgefiihl, die bizarren Ecken und rücksichts- ten. Von wahrhaft großartiger Konzeption ist
losen Uebertreibungen in der Bewegung der Fi- sodann B. 43, der Leichnam des Herrn, von En-
guren. Vergessen möchte man ihm das Alles, geln zum Himmel emporgetragen, eine Darstel-
wenn man sich seiner Hclldunkelblätter erin- lung, in der sich ein Zug michelangelesken Gen.
nert, in denen er sein Talent von der glücklich- stes verräth. Gemütvoll und von köstlichem
sten Seite zeigte. Ohne Gewicht ist dabei, ob er Humor gewürzt erscheinen seine heiligen Fa-
gerade der Erste war, der sich in Deutschland milien, die ihm erst von Passavant zuriickgege_
in dieser malerischen Spezies des Formschnitts ben wurden, nachdem sie von Bartsch wegen
versuchte, oder ob ihm darin Wechtlin, Oranach des nur aus H und B gebildeten Monogramms
oder Burgkmair vorangingen; denn die Erfm- dein Hans Brosamer und Burgkmair zugeschrie-
dung dieser Technik, was wichtiger wäre, wird ben worden (Pass. 62, 66 u. 67). Die Sßhöngte
keiner dieser Meister unbestritten in Anspruch darunter ist N0. 66, Maria mit dem Kinde auf
nehmen dürfen , dagegen eine größere Meister- dem Schooß, unter einem Baum in reicher Land-
schaft, als sie Alle, Baldung. Die Stoffe, die er schaft sitzend und lesend, umspielt von reizend
in den Holzschnitten behandelt, sind noch man- übermütigen Engelkindern.
nigfaltiger, als bei seinen Gemälden; denn aus- Seltsam dagegen bis in's Burleske zeigt sich
ser dem alten und neuen Testament, der heiligen B. in seinen mythischen und mittelalterlich-
und profanen Legende, der Geschichte, Allegorie phantastischen Darstellungen. Wie ungesehlaeht
und dem Porträt, befasste er sich auch mit dem und fast komisch gebahren sich seine Parzen,
Thierstück und dem Hexen- und Zauberwesen B. 44, die nackt in einer ziemlich trivialen Land_
und zwar in einzelnen selbständigen Bll., wie schaft ihr Handwerk betreiben. Wie derb in den
namentlich auch in zahlreichen Bücherillustra- Figuren und überfüllt ist die sogenannte Kinder-
tionen. In dem letzteren, damals so tleissig kul- auc mit den beiden gleichfalls nackten Müttern
tivirten Genre kamen seine Leistungen vor Allem und der Menge von ungczogencn Kindern! Wie
den Schriften Geiler's von Kaisersperg zu Gute; grotesk Aristoteles mit Phyllis, die den über-