Volltext: Appiani [i. e. Andreas] - Domenico del Barbiere (Bd. 2)

624 Hans Baldung. 
sens in der nordischen Kunst ausscrdem nur Konzeption und eine nicht selten an Dürer strei- 
beim Meister des Todes Mariä vorkommt. Die fende Sicherheit der Hand, wie sie so unmittel- 
Steinigung des Stephanus vom J. .1522 im Ber- bar und ohne allen Abzug in seinen Gemälden 
liner Museum ist von übertreibender Manier in und Holzschnitten Selten zu Tage tritt. Die 
der Charakteristik nicht frei. Acht Jahre später schönsten und zahlrcichsten Bll. finden sich zu 
entstand eine Madonna mit dem Kind in der Ga- Berlin, Stuttgart, Wien, Karlsruhe , 
lerie Liechtenstein zu Wien, bei der bereits Ba sel und eine kleinere Zahl zu Hannover in 
der blasse Fleischton und Unbestimmtheit in der der vormals Hausmanifschen Sammlung, bei 
Zeichnung unangenehm auffallen, wogegen der Hrn. Senator Culemann ebenda, zu Frank f urt, 
TodderLukretiainderSammlungdesjüngstver- Kopenhagen, London, Paris, Fl0runz 
storbenen Grafen Raczynski in Berlin aus und a. a. O. Besonders hervorragend sind die 
derselben Zeit in den 3 mit Entsetzen zuschauen- Clairobscurzeichnungen auf braunem Papier, 
den Männern wieder die alte Energie im Vortrag mit schwarzen Feilerumrissen und mit dem Pin- 
und Ausdruck zeigt. (Die nach der Angabe Ra- sel weiss gehöht. Unter den Bll. im Berl i u e 1- 
ezynskrs höchst misslungene Figur der Lukretia Museum sind namentlich hervorzuheben; ein 
ist abgesägt worden.) Ein Noli me tangere vom ziemlich großes Rund vom J. 1517, mit der Dar- 
J. 1539, in der Galerie zu Darmstadt, ist Bal- stellung jener wunderlichen alten Historie von 
dung's letztes datirtes Gemälde, gelungen in der den 3 Thronprätendenten , die man, um sie auf 
Komposition , aber leider sehr verdorben und die Probe zu stellen, nach dem Leichnam 
von jenem verblasenen Ton, der seinen späteren ihres Vaters schiessen lässt, wobei der sich 
Arbeiten eigen ist. Weigernde als der ächte Sohn sich heraus- 
In seinen Porträtbildern zeigt sich der Ein- stellt, und ein Helldunkelbl. aus demselben Jahr, 
fluss Dürer's besonders deutlich. Das früheste mit einem Bacchanal voll übermütig lustiger 
ist das Bildniss des Markgrafen Christoph Kindergruppen. Im Kupferstichkabiuet zu 
von Baden vom J. 1515, in der Galerie zu Stuttgart zeichnen sich der Tod Mariä vom 
Schleissheim. Scharfe Erfassung der In- J. 1516 und eine Taufe Christi vom J. 1510 
dividualität, sichere Zeichnung und ein markiges durch Würde in der Auffassung und erstaun- 
Kolorit charakterisiren dieses wie seine meisten liche Klarheit der Zeichnung aus, beides 
Bildnisse. Aus der nämlichen Zeit stammt das- Helldunkelbll. In der Albertina zu Wien ist 
jenige eines jungen Mannes im Belvedere zu besonders edel im Ausdruck und meisterhaft 
Wien, voll frischen Lebens, vielleicht seine in der Ausführung ein Kruziiixus, Federzeich- 
beste Leistung auf diesem Gebiet; von 1517 das nung vom J. 1537. Von geistreich humoristi- 
des 14 jährigen Pfalzgrafen Philipp in der alten scher Erfindung sind ebenda mehrere Bll. mit 
Pinakothek zu München, etwas kühl in der Hexenszenen vom J. 1514-, die indcss noch  
Farbe und trocken in der Behandlung und end- ein obscönes Bl. mit einer ähnlichen Darstellung 
lich ein zweites Mal, doch undatirt, lllarkg'raf im Kupferstichkabinet zu Karlsruhe übertroffen 
Christoph von Baden, in der Kunsthalle zu werden. An letzterem Orte bewahrt man auch 
Karlsruhe , ein charaktervoller Kopf, neuer- das oben erwähnte, höchst interessante Zeichen- 
dings trefflich restaurirt. Diese Porträts sind buch Baldung's, voll mannigfaltiger, höchst lie- 
sämmtlich Brustbilder, während auf einem Vo- bevoll ausgeführter Naturstudien; anfällig ist, 
tivbild, das die Familie eben jenes Markgrafen dass die Daten darin von 1501 bis 1545 reichen 
in die Todtenkapelle zu Lichtcnthal gestiftet, Sollte der Meister ein Skizzenhuch Während so 
die Dargestellten in ganzer Figur genommen langer Zeit in Gebrauch gehabt haben? Und doch 
sind. Dies Bild, jetzt ebenfalls in Karlsruhe, lässt sich gegen die Aechtheit desselben nichts 
ist hervorragend durch die Charakteristik der einwenden! Aus der Albertina sind auch noch 
Porträts, im Gesammtton der Farbe ziemlich kühl. die drei weiblichen Köpfe zu nennen, die früher 
Unter Baldungs undatirten Gemälden muss stets für Arbeiten Diirer's gehalten wurden 
ganz besonders eine Ruhe auf der Flucht in der noch von Waagen, der ihrer ganz besondel-g 
Akademie der Künste zu Wie n hervorgehoben rühmend gedenkt, wogegen 'l'hausing (Jahrb. für 
werden, eine kleine liebenswürdige Idylle von Kunstwissensehaft, 1869, Heft III) nachgewiesen 
ungewöhnlich feiner malerischer Empfindung. hat, dass das feine Bl. dem Baldung angehört 
In der einzigen mythologischen Darstellung, die Minder überzeugend ist seine Beweisführung 
von ihm bekannt ist, vHerkules und Antäuss in bezüglich der vielbesprochenen Zeichnung mit 
S tut t g art, ist er etwas in's Ungeschlachte und den drei von Todtengerippen angefallenen Rit- 
Manierirte ausgeartet. Die beiden allegorischen tern, die er ebenfalls B. zuweisen möchte. (Das 
Figuren endlich, in Schleissheim und Nürn- Original in Stuttgart, eine Kopie in Wien) 
berg, sind in der Auffassung ebenso frostig, wie Ein beglaubigtes Bl. unseres Meisters ist end. 
in der Malerei. lich noch die treifliche Studie zu einem der beiden 
Eine besondere Erwähnung verdienen die Baseler Gemälde, Nackte Frau vom Tod ange- 
Zeichnungen Baldungs, in denen der Vollge- fallen, gleichfalls in Helldunkel auf braunem 
halt seines Könnens sich vielleicht am unbeding- Grunde , in der Handzeichnungensammlung zu 
testen ausspricht. Sie bekunden eine Grösse der Floreu z.
	        
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