Volltext: Appiani [i. e. Andreas] - Domenico del Barbiere (Bd. 2)

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wenig bekannt geworden, wie denn überhaupt 
der Meister, sogar in engeren Fachkreisen, bis- 
her minder gekannt und geschätzt war, als er 
verdient. Freilich trug hierzu hauptsächlich wol 
die ganz abnorme Versehiedenwertigkeit seiner 
Leistungen bei. Das eigentliche Verdienst des 
Künstlers ist selbst bei völligem Ueberblick über 
sein gesammtes Schaffen schwer und nur nach 
mühsamer und liebevoller Ausscheidung des Ge- 
haltvollen vom minder Bedeutenden zu wiir- 
digen. 
B. ist als Maler in den verschiedensten Stoff- 
gebieten thätig gewesen, vorwiegend im religiö- 
sen, sodann aber auch im sagengeschichtlichen, 
im allegorischen und im Porträt. Unter den re- 
ligiösen Bildern ragen als früheste sichere Werke 
der Sebastiansaltar und die Anbetung der Kö- 
nige hervor (s. oben I). Ersterer (mit dem Da- 
tum 1507 und dem aus H und G gebildeten Mo- 
nogramm) zeigt im Mittelbilde die Marter des 
Heiligen, auf den Flügeln die hl. Christophorus 
und Dorothea, Stephanus und Apollonia. Aus- 
gesprochene Schule Dürefs; breiter, bestimm- 
ter Vortrag, mit scharfer Betonung des Kon- 
turs bei energischem, saftigem Kolorit. Besen-i 
ders bemerkenswert auf dem Bilde das er-l 
wähnte Selbstporträt des Künstlers. Aus der- 
selben Zeit und von gleicher Beschaffenheit, na-l 
mentlich hervorragend durch porträtartige Auf- 
fassuug der Köpfe, soll die Anbetung der Könige 
sein, mit den hl. Mauritius und Georg auf den 
Flügeln, seit 1873 im Besitz des Berliner Mu-  
seums. Aus dem J. 1512 -existirt zwei Mahl 
Christus am Kreuz zwischen den Schächern, mit, 
den zugehörigen heiligen und profanen Personen,  
nebst Stifteriiguren, in Berlin und Basehl 
beide Bilder von bedeutender Eigentümliehl 
keit, wie Bfs meiste Werke, aber weder in der 
Zeichnung, noch in der Farbe erfreulich, wobei 
jedoch nicht zu übersehen, dass das Exemplar 
in Basel sehr iibermalt ist. Im J. 1510 vollen- 
dete der Meister das Hochaltarwerk im hiünster- 
chor zu Freiburg i.jBr., seine grösste Schöpf- 
ung, die seinen Namen verewigen wird. Noch 
immer unverriickt und unzerstiiekelt an dem 
Platze, für den B, es gemalt, ist es ein Denkmal 
der altdeutschen Malerei, so imposant, wie es 
kaum eine andere Kirche Deutschlands aufwei- 
sen kann. B. zeigt sich in dem Werke in der 
Vollkraft seines Schaffens, er hat darin seine 
ganze malerische Eigentümliohkeit, nicht ohne 
die gerügten Schwächen, aber überwiegend in 
den Vorzügen ausgeprägt. Das Werk besteht aus 
11 Tafeln, 7 auf der Vorder-, 4 auf der Rücke 
seite. Die Vorderseite ist der Verherrlichung 
der Mutter Gottes, die Rückseite dem Tode des 
Erlösers gewidmet. Das Mittelbild der ersteren 
zeigt die Krönung Mariafs durch Gottvater und 
Christus, inmitten eines höchst mannigfaltigen 
Chores musizirender Engel, in deren Darstellung 
der geistreiche Künstler seiner humoristischen 
Laune ungezügelten Lauf liess, während die 2 
 männlichen Hauptiiguren ihre Abkunft von etwas 
steif drapirten Modellen nicht verleugnen kön- 
nen. Die Madonna mit scheu gesenktem Blick 
und gefalteten Händen ist nicht ohne Anmut, 
wenn auch nicht völlig naiv. Vortrefflieh male- 
risch behandelt ist der lichtfarbene Hintergrund 
des sich grenzenlos ausdehnenden Himmels, der 
sich, näher gesehen, in eine Legion von Engels- 
köpfen auflöst. Auf den beiden Innenseiten 
der Flügel je 6 Apostel, gleichsam als irdische 
Zeugen der himmlischen Handlung, darunter eine 
Menge höchst charakteristischer, wenn schon 
ziemlich prosaischer Porträtgestalten. Die Aus- 
sensciten dieser Flügel und zwei unbewegliche 
Seitenbilder enthalten die Verküudigungy die 
Ileimsuchung, die Anbetung und die Flucht nach 
Aegypten: die im Ganzen gclungensten Kom- 
positionen des Werkes, unter denen sich 
die Heimsuchung durch eine wahrhaft ge- 
miitstiefe Auffassung und den trefflichen land- 
schaftlichen Ilintergruud, die Anbetung durch 
die eigentümliche Wirkung des von dem Kinde 
ausgehenden Lichtes und die Flucht durch ori- 
 ginelle, höchst anmutvolle Anordnung, wie 
 durch eine blühende Farbe auszeichnen. Die 
iKreuzigung, das Hauptbild der Rückseite, ist in 
ider Komposition etwas überladen, aber nicht 
ohne bedeutende Einzelgruppen voll dramati- 
schen Lebens. Rechts vom Beschauer, in der 
ioben erwähnten Porträtfigur, blickt der Maler 
iselbst aus dem Bilde mit einem seit dem J. 1507 
 sehr gealterten, fast finster dreinschauenden 
Antlitz. Leider hat diese Tafel, wie es scheint 
durch Feuchtigkeit, sehr gelitten. Auf den Flü- 
,geln die hl. Hieronymus und Johannes der Täu- 
lfer, Georg und Martin, hervorragend durch eine 
ungemeine Wucht der Darstellung. Auf der Pre- 
delle die Stifter in Verehrung der hl. Jungfrau 
und des Kindes, Halbiiguren voll lebendigen 
Ausdrucks.  In den Kapellen des Chors iindet 
man noch 3 andere Werke Baldungs, darunter wol 
das früheste, weil befangenste,eineVerkündigung 
und aus etwas späterer, besserer Zeit eine Taufe 
Christi und Johannes auf Patmos, in demselben 
Rahmen vereinigt. Aus derselben Zeit, wie der 
Hochaltar in Freiburg, stammt eine Siindfiuth in 
der Galerie zu B a m b e rg , reich an höchst eigen- 
tümlichen Motiven und besonders auffallend 
durch die Arche, die Itenaissanceformen zeigt, 
beinahe das einzige Beispiel, wo sich B. von der 
südlich herrschenden Kunstform, indess nur in 
dieser äusserlichen Weise, berührt zeigt. Vom 
folgenden Jahr sind zwei sehr geistreiche, kleine 
'l'afeln im Museum zu Basel, zwei völlig unbe- 
kleidete Frauengestalten, vom Tod in der Gestalt 
eines Skelette angefallen und gewaltsam geküsst, 
Kompositionen von ergreifender Wirkung.  
Mit dem Datum 1520 befindet sich in der Samm- 
lung zu Aschaffenburg eine Anbetung des 
Neugebornen, wo das Licht, wie auf der glei- 
chen Darstellung zu Freiburg vom Kinde aus- 
geht, ein koloristisehes Motiv, das unseres Wis-
	        
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