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wenig bekannt geworden, wie denn überhaupt
der Meister, sogar in engeren Fachkreisen, bis-
her minder gekannt und geschätzt war, als er
verdient. Freilich trug hierzu hauptsächlich wol
die ganz abnorme Versehiedenwertigkeit seiner
Leistungen bei. Das eigentliche Verdienst des
Künstlers ist selbst bei völligem Ueberblick über
sein gesammtes Schaffen schwer und nur nach
mühsamer und liebevoller Ausscheidung des Ge-
haltvollen vom minder Bedeutenden zu wiir-
digen.
B. ist als Maler in den verschiedensten Stoff-
gebieten thätig gewesen, vorwiegend im religiö-
sen, sodann aber auch im sagengeschichtlichen,
im allegorischen und im Porträt. Unter den re-
ligiösen Bildern ragen als früheste sichere Werke
der Sebastiansaltar und die Anbetung der Kö-
nige hervor (s. oben I). Ersterer (mit dem Da-
tum 1507 und dem aus H und G gebildeten Mo-
nogramm) zeigt im Mittelbilde die Marter des
Heiligen, auf den Flügeln die hl. Christophorus
und Dorothea, Stephanus und Apollonia. Aus-
gesprochene Schule Dürefs; breiter, bestimm-
ter Vortrag, mit scharfer Betonung des Kon-
turs bei energischem, saftigem Kolorit. Besen-i
ders bemerkenswert auf dem Bilde das er-l
wähnte Selbstporträt des Künstlers. Aus der-
selben Zeit und von gleicher Beschaffenheit, na-l
mentlich hervorragend durch porträtartige Auf-
fassuug der Köpfe, soll die Anbetung der Könige
sein, mit den hl. Mauritius und Georg auf den
Flügeln, seit 1873 im Besitz des Berliner Mu-
seums. Aus dem J. 1512 -existirt zwei Mahl
Christus am Kreuz zwischen den Schächern, mit,
den zugehörigen heiligen und profanen Personen,
nebst Stifteriiguren, in Berlin und Basehl
beide Bilder von bedeutender Eigentümliehl
keit, wie Bfs meiste Werke, aber weder in der
Zeichnung, noch in der Farbe erfreulich, wobei
jedoch nicht zu übersehen, dass das Exemplar
in Basel sehr iibermalt ist. Im J. 1510 vollen-
dete der Meister das Hochaltarwerk im hiünster-
chor zu Freiburg i.jBr., seine grösste Schöpf-
ung, die seinen Namen verewigen wird. Noch
immer unverriickt und unzerstiiekelt an dem
Platze, für den B, es gemalt, ist es ein Denkmal
der altdeutschen Malerei, so imposant, wie es
kaum eine andere Kirche Deutschlands aufwei-
sen kann. B. zeigt sich in dem Werke in der
Vollkraft seines Schaffens, er hat darin seine
ganze malerische Eigentümliohkeit, nicht ohne
die gerügten Schwächen, aber überwiegend in
den Vorzügen ausgeprägt. Das Werk besteht aus
11 Tafeln, 7 auf der Vorder-, 4 auf der Rücke
seite. Die Vorderseite ist der Verherrlichung
der Mutter Gottes, die Rückseite dem Tode des
Erlösers gewidmet. Das Mittelbild der ersteren
zeigt die Krönung Mariafs durch Gottvater und
Christus, inmitten eines höchst mannigfaltigen
Chores musizirender Engel, in deren Darstellung
der geistreiche Künstler seiner humoristischen
Laune ungezügelten Lauf liess, während die 2
männlichen Hauptiiguren ihre Abkunft von etwas
steif drapirten Modellen nicht verleugnen kön-
nen. Die Madonna mit scheu gesenktem Blick
und gefalteten Händen ist nicht ohne Anmut,
wenn auch nicht völlig naiv. Vortrefflieh male-
risch behandelt ist der lichtfarbene Hintergrund
des sich grenzenlos ausdehnenden Himmels, der
sich, näher gesehen, in eine Legion von Engels-
köpfen auflöst. Auf den beiden Innenseiten
der Flügel je 6 Apostel, gleichsam als irdische
Zeugen der himmlischen Handlung, darunter eine
Menge höchst charakteristischer, wenn schon
ziemlich prosaischer Porträtgestalten. Die Aus-
sensciten dieser Flügel und zwei unbewegliche
Seitenbilder enthalten die Verküudigungy die
Ileimsuchung, die Anbetung und die Flucht nach
Aegypten: die im Ganzen gclungensten Kom-
positionen des Werkes, unter denen sich
die Heimsuchung durch eine wahrhaft ge-
miitstiefe Auffassung und den trefflichen land-
schaftlichen Ilintergruud, die Anbetung durch
die eigentümliche Wirkung des von dem Kinde
ausgehenden Lichtes und die Flucht durch ori-
ginelle, höchst anmutvolle Anordnung, wie
durch eine blühende Farbe auszeichnen. Die
iKreuzigung, das Hauptbild der Rückseite, ist in
ider Komposition etwas überladen, aber nicht
ohne bedeutende Einzelgruppen voll dramati-
schen Lebens. Rechts vom Beschauer, in der
ioben erwähnten Porträtfigur, blickt der Maler
iselbst aus dem Bilde mit einem seit dem J. 1507
sehr gealterten, fast finster dreinschauenden
Antlitz. Leider hat diese Tafel, wie es scheint
durch Feuchtigkeit, sehr gelitten. Auf den Flü-
,geln die hl. Hieronymus und Johannes der Täu-
lfer, Georg und Martin, hervorragend durch eine
ungemeine Wucht der Darstellung. Auf der Pre-
delle die Stifter in Verehrung der hl. Jungfrau
und des Kindes, Halbiiguren voll lebendigen
Ausdrucks. In den Kapellen des Chors iindet
man noch 3 andere Werke Baldungs, darunter wol
das früheste, weil befangenste,eineVerkündigung
und aus etwas späterer, besserer Zeit eine Taufe
Christi und Johannes auf Patmos, in demselben
Rahmen vereinigt. Aus derselben Zeit, wie der
Hochaltar in Freiburg, stammt eine Siindfiuth in
der Galerie zu B a m b e rg , reich an höchst eigen-
tümlichen Motiven und besonders auffallend
durch die Arche, die Itenaissanceformen zeigt,
beinahe das einzige Beispiel, wo sich B. von der
südlich herrschenden Kunstform, indess nur in
dieser äusserlichen Weise, berührt zeigt. Vom
folgenden Jahr sind zwei sehr geistreiche, kleine
'l'afeln im Museum zu Basel, zwei völlig unbe-
kleidete Frauengestalten, vom Tod in der Gestalt
eines Skelette angefallen und gewaltsam geküsst,
Kompositionen von ergreifender Wirkung.
Mit dem Datum 1520 befindet sich in der Samm-
lung zu Aschaffenburg eine Anbetung des
Neugebornen, wo das Licht, wie auf der glei-
chen Darstellung zu Freiburg vom Kinde aus-
geht, ein koloristisehes Motiv, das unseres Wis-