Hanißaldung L
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hochgesehiitzt war, beweisen die mehrfachen Bild-
nisse dieses Fürsten und seiner Familie, die von
der Hand Baldung's auf uns gekommen sind. Was
aber dem Meister mehr als all' das Ehre macht,
ist Dürer" s Freundsehaft,dessen rührender Beweis
sich bis auf unsere Tage erhalten hat. Es ist eine
Locke Dürer's, die B. nach dem Hingang seines
Lehrers und Freundes zukam und die er wie
eine Reliquie bewahrte. Eine ausführliche Ge-
schichte dieser Locke zu geben, ist hier nicht
der Ort. Nur in Kürze sei erwähnt, dass sie un-
längst aus dem Besitze des Malers E. Steinle in
Frankfurt in den der Akademie der Künste zu
Wien übergegangen und dass die Reihe der frü-
heren Besitzer direkt bis auf B. zurück zu ver-
folgen ist.
Siebenzehn Jahre überlebte Baldung den
Nürnberger Meister und starb wie dieser kin-
derlos unter Hinterlassung einer Wittwe. Ueber
des Meisters Wohnung, die Verwandtschaft sei-
ner Frau und sein Begräbniss erfährt man
aus Biihelei-"s oben erwähnter Chronik folgen-
des; tAuch inn diesem hir obgenanten Jar 1545,
do ist Alhir inn der Statt Strassburg nam-
lichen der weitberucmt Hanns Baldung mit
Todt verschieden und abgangen und ist wohn-
haft gesessen nemlieh In der Brandgassen gegen
Graf Bernhart von Ebersteiner Hotf Ein Thumb-
herr hoher Stift, oder zwischen graue Jacob dem
Rheingrauen auch ein Thumbherr hoher Stifft
und geht hinden 11H den graben gegen dem Ross-
markt hinuss und hatt Herr Christmann Herlin's
canonici zum Jung. St. petters Schwester zu der
Ehe gehabt und keine Kinder hinder ihm ver-l
lassen, und auss seiner Behausung mit einer,
grossen prozess hinuss zu S. Helena getragen"
und aldo zu der Erden bestatigt und vergraben
werdend. Ist hieraus das Ansehen und die Be-
liebtheit Bfs bei seinen Mitbürgern ersichtlich,
so spiegelt sich sein Ruhm auch über die Gren-
zen seiner Heimat hinaus in den Reimen des
gelehrten Kanonikus von Toul, Jean Pelerin, ge-
nannt Viator, die er als Zueignung an die zeit-
genössischen Künstler zur dritten Auiiage seiner
Schrift vDe artiüciali perspectivas vom J. 1521
verfasste und worin er Baldung unter dem Na-
men Hans Grün verherrlichte. Es war dies in
dem nämlichen Jahre, wo Dürer in den Nieder-
landen für die Verbreitung seines Namens sorgte,
indem er Arbeiten seiner Hand theils verkaufte,
theils verschenkte. Und sicher verdient es Bal-
dung heutigen Tages nicht, dass man ihn in
Werthschiitzung und Gedächtniss gegen Cra-
nach, Burgkmair und manch" anderen Blinder-
begabten herabsetzt. Wie redlich cr um seine
Kunst in reger Arbeit bemüht war, sagt uns sein
Wahlspruch, der sich in dem Skizzenbuch zu
Karlsruhe aufbewahrt findet; wHodie aliquid,
eras nihilu.
Noch sind einige oben nur angedeutete Um-
stünde und Streitpunkte eingehender zu prüfen.
Zunächst die Frage nach des Meisters verschie-
denen Namen und nach seiner Verwandtschaft,
nach seinem Todesjahr und endlich die wich-
tigste, 0b es, wie Nagler in den Monogrammisten
annimmt, zwei Künstler des Namens Baldung
zu jener Zeit gegeben.
Die genealogischen Nachweise über Baldung's
Familie gibt Schreiber in seinen Mittheilungen
a. a. 0., indem er sich dabei auf eigene urkund-
liche Forschungen in den ArehivenFreiburgs und
lauf gleich zuverlässige Mittheilungen des Ar-
lchivars Schneegans aus Strassburg stützt. Als
des Malers nächste Verwandte kennt man hier-
nach einen Bruder Caspar Baldung und Bei-
der Neffen Pius Hieronymus Baldung; der er-
stere war seit 1502 Lehrer an der Artisten-,
später an der Juristenfakultät der Universität
Freiburg, zuletzt Stadtadvokat zu Strassburg,
1- 1540, der letztere seit 1506 Lehrer der
schönen Wissenschaften und des Rechts an
der Universität Freiburg, seit 1510 Rath der
vorderösterreichisehen Regierung zu Ensis-
heim. Als Vater unseres Künstlers lässt sich
iein Johann Balduug, causarum ecclesiasti-
carum Argent. jurat. procurator, mit dem Da-
,tum 1492 angeführt in Luck's bandschriftlichem
lWappenbuch, vermuten, aber auch nur ver-
muten. Um jene Zwei, den Bruder und den
Neffen, gruppiren sich, urkundlich nachweis-
bar, noch eine Menge näherer und entfern-
terer Verwandten unseres Meisters, alle des
Namens Baldung, woraus unwiderleglich folgt,
dass auch sein Familienname Baldung und
nicht Grün oder mundartlieh Grien gewesen,
wie seit Bartsch eine Reihe von Schriftstellern
bis zum heutigen Tage annehmen, welche
Baldung für gleichbedeutend mit Balduin, fran-
zösisch Baudouin, also für einen Vornamen
hielten, was schon sprachlich durchaus unhalt-
lbar. Grien oder Grün war nur ein Beiname,
äoder Uebernamc speziell unseres B., der sich
denn auch, ohne einem ferneren Zweifel Raum
zu gestatten, auf einer der Freiburger Tafeln:
wJoannes Baldung, cognomine Grien, Gamundia-
nusn Schreibt. Uebereinstimmend hiermit wird
ier in einer langen Reihe von Strassburger Ur-
kunden als vhonestus Joh. Baldung pietor, alias
Grien, oder vJoh. Baldung pictor, civis Argenti-
nensisu aufgeführt. Vermutlich gab, wie auch
Prof. Schreiber annimmt, eine besondere Vor-
liebe des Künstlers, sich in grüne Stoffe zu klei-
den, den Anlass zu dieser farbigen Bezeichnung.
Zwei Figuren, dic man für Porträts des Meisters
zu halten hat, scheinen diese Annahme zu recht-
fertigen; auf dem Sebastiansaltardes Hrn. Lipp-
mann in Wien die ganz in Grün gekleidete Figur
leines jungen Mannes; auf der Haupttafel der
XRückseite des Freiburger Hoebaltars die über-
iaus scharf individualisirte Figur des Mannes im
grünen Wannns, der eine Hellebarde tragt. Da-
für, dass diese letztere Gestalt das Porträt des
Künstlers ist, spricht insbesondere (las Knab-
lein, das links hinter ihr hervorschauend- eine
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