Volltext: Appiani [i. e. Andreas] - Domenico del Barbiere (Bd. 2)

Üä 
Baocio Baldini. 
engen, rautenförmig sich kreuzenden, in feine 
Strichelchen und Punkte auslaufenden Schrafü- 
rungen, welche der Meister von 1466 zuerst ins 
Werk setzt, Martin Schongauer weiter ausbildet 
und Albrecht Diirer zur höchsten Vollkommen- 
heit bringt. In Italien nichts Aehnliches. Hier 
ymacht sich bei der Ausführung der gleichzeitig 
Äarbeitenden oder aufeinanderfolgenden alten 
XStecher Weniger das Gemeinsame als das Ver- 
Nschiedenartige, nicht sowol Fortschritt als Still- 
.stand bemerklich. Mantegna verbesserte die 
fcrockene und harte Stichmanier Pollajuolds, in- 
ldem er zwischen der Lage seiner schrägen Pa- 
rallelstriche feinere Mittelstriche etwas schief 
anbrachte und, auf solche Art seine starke Schat- 
tirung mildernd, Halbtöne und Helldunkel be- 
wirkte; er fand in dieser Behandlungsweise 
{viele Nachfolger, unter denen iaber keiner war, 
 der über ihn hinausging. Zu Anfang des 16. J ahrh 
sind die in Italien gangbaren Stichmanieren noch 
so unreif und unselbständig, dass man sie auf. 
gab, als Albrecht Diirer's Kupferstiche dort be- 
kannt wurden, in denen sich die Striche nach 
den Formen, die sie ausdrücken sollen, in der 
mannigfachsten Weise schwingen und umbiegßm 
Gio.Antonio von Brescia, Zoan Andrea, Nicoletto 
von Modena, Gio. Battista del Porto, Benedetto 
Montagna, Girolamo Mocetto, Marc Antonio in 
seiner ersten Zeit, beeiferten sich, die Bll. deg 
deutschen Meisters nachzustechen, zu studiren 
und sich seine Stichmethode zu eigen oder zu 
nutze zu machen,  eine Erscheinung, die um 
erklärlich bliebe. wenn die Kupferstecherkunst 
aus Italien nach Deutschland gekommen wäi-e_ 
Die beiden in Florenz gebräuchlichen Manie- 
ren, gleichmäßig befangen und eintönig, entbeh- 
ren noch aller malerischen Wirkung und feinm- 
Nüancirungen, und begnügen sich für Formen 
und Umrisse lediglich mit der Angabe des Not- 
wendigen. Die Stiche machen den Eindruck von 
XFederzeichnungen; die einen sind breit um] 
gilüchtig hingeschrieben, die andern fein und 
emsig gestrichelt. Man hat demnach eine f ein e 
und eine breite Manier zu unterscheiden. Bei 
der ersten sind die Striche, welche den Schatten 
bilden, kunst- und zwanglos gelegt, oft mit an- 
dern Strichen gekreuzt, ohne sich aber in im- 
stimmten Krümmungen den Körperformen und 
Falten anzuschmiegen oder sich mit abgebroche- 
nen Strichelchen und kleinen Punkten ins Licht 
zu verlieren. Die bald zu seicht,_bald zu tief ge- 
schnittenen Schrafürungen bewirken bisweilen 
grelle Gegensätze von Hell und Dunkel. Die 
guten und frischen Abdrücke, die einzigen, nach 
denen man die ganze Feinheit und Zartheit die- 
ser Manier beurtheilen kann, sind sehr selten, 
aus dem Grunde, weil diese Art von Stichen sich 
beim Drucken schnell abnutzt und sehr bald die 
Blume des Abzugs verliert. Das Erdreich ist 
mit sprossenden kleinen Piianzen und Kräutern 
verziert, die aber nicht so häufig und reichlich 
angebracht, auch nicht so nett, so zierliche ge- 
Symbolik sehen wir die Gestalten der klassi- 
schen Allegorie und Mythologie aufkommen, 
welche schon Dante in's Christliche eingeführt 
hatte und die nun, bald mit jenen, bald mit an- 
dern, oft weltlichen Gegenständen in Beziehung 
gesetzt, sehr merkwürdige Kunstprodukte ent- 
stehen lassen. Allerdings entwickelte sich die 
Eigenthümlichkeit dieser neuen Geistesrichtung 
in den Kupferstichen nicht zu ähnlicher Vor- 
treiflichkeit, wie in den gleichzeitigen Gemälden ; 
aber können sie auch nicht gleichen Werth und 
gleiche Wichtigkeit mit diesen beanspruchen, so 
findet sich unter ihnen doch manches interessante 
und gehaltreiche Blatt. Die Auswahl und Ver- 
einfachung der Naturformen , das oft glückliche 
Streben nach Schönheit der Linien, nach Würde 
und Anstand der Bewegungen, nach edler Anord- 
nung des Faltenwurfs bezeugen hier gleichfalls 
einen auf höhere, idealere Vorzüge gerichteten 
Sinn; auch in dieser rein künstlerischen Bezie- 
hung sind die altliorentinischen Kupferstecher 
den gleichzeitigen deutschen weit überlegen. 
Im Technischen aber, in der Geschicklichkeit, 
mit einer gewissen Quantität von Schwarz und 
Weiß die Stärke und Schwäche einer Farbe an- 
zugeben und damit Helldunkel hervorzubringen, 
in dem manchmal schon gelingenden Bemühen, 
mit dem Grabstichel die verschiedenartigen 
Kleiderstoife und Naturbestandtheile auszu- 
drücken, in der Manipulation der Druckpresse, 
kurz in allen Stücken, die zum Handwerk gehö- 
ren, können die Italiener sich nicht mit den 
Deutschen messen, und sind daher auch nicht 
als ihre Vorgänger anzusehen. Nur darin gleichen 
sich die alten Meister beider Länder, dass sie 
sich auf die Behandlung der Köpfe und Hände 
nicht so gut verstehen, als auf die Bearbeitung 
der Nebensachen, namentlich der Verzierungen 
an Gebäuden, Kleidern, Waffen, Hausrath und, 
Schmucksachen aller Art, die mit ihrer Ueber- 
fülle und ihrer sorgsamen, in's Einzelne gehen- 
den Durchführung auf Goldschmiedewerkstätten 
hinweisen. 
Wie ansprechend daher auch die iiorentini- 
sehen Kupferstichinkunabeln durch den Stil der 
Anordnung, durch den Inhalt und Geist der Er- 
findung für den Kunstfreund sind, so machen 
sie doch von technischer Seite einen wenig gün- 
stigen, oft missfälligen Eindruck. Deutlich lassen 
sich zwei Arten der Ausführung unterschei- 
den. Welche der beiden Manieren als die frühere 
angesehen werden muss, ist schwer zu sagen. 
Jahreszahlen haben die hierher gehörigen Blätter 
nicht, und die Bestimmung ihrer Entstehungs- 
zeit nach der Verschiedenheit des Stils und den 
bald größeren, bald geringeren Rohheiten und, 
Unbeholfenheiten der Technik bleibt etwas sehrl 
Unsicheres. Der technische Entwicklungsgangl 
der Kupferstecherkunst lässt sich in Italieni 
nicht so genau verfolgen, wie in Deutsch- 
land. Hier ist ursprünglich nur eine Manier! 
vorherrschend, nämlich die mit den feinen,
	        
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