Volltext: Appiani [i. e. Andreas] - Domenico del Barbiere (Bd. 2)

Baocio Baldini. 577 
Hände und Füße, gar nicht schattirt sind, so beiden vornehmsten Schüler richtigen und zu- 
gleichen seine Kupferstiche kalligraphischen verlässigen Aufschluss zu erhalten; sollte dies 
Federzeichnungen, die gemeiniglich nur ein nicht noch weit schwerer sein, bei den Werken 
trockenes, hartes, kaltes, fades Machwerk ohne zweier älterer Meister, von welchen die früheste 
Haltung und Wirkung darbietenxr Ottley ver- schriftliche Ueberlieferung den Einen allerdings 
theidigt B. gegen Vasari, und meint, der Letz- als Kupferstecher bezeichnet, ohne jedoch einen 
tere habe sehr übertrieben, wenn er dem B. einzigen seiner Kupferstiche namhaft zu machen, 
Schwäche vorwerfe in einem Theile der Kunst, während sie sich über den anderen so undeutlich 
worin die Meister der ilorentinischen Schule je- auslässt, dass wir ungewiss bleiben, 0b er über- 
derzeit ihre größte Starke bewiesen hätten. haupt jemals in Kupfergestochen hat? Ueber den 
Vasarfs Worte werden aber von Ottley sowol, iiorentinischen Kupferstichinkunabeln schwebt 
wie von allen andern Kunstschriftstellern falsch, ein für uns undurchdringliches Dunkel, in wel- 
d. h. zu buchstäblich verstanden; sie sagen chem wir durch die Aufklärungen jener gelehr- 
nicht, dass B. überhaupt wenig zeichnen konnte, ten Ausleger nur noch mehr irre geleitet werden. 
sondern dass er im Figurenzeichnen, im Kompo- Vielleicht gelangen künftige Forscher zu ge- 
niren figurenreicher Darstellungen unbeholfen nauerer Kenntniss über die Meister dieser ge- 
war. Die Goldschmiede, in Italien wie in heimnissvollen Blätter; vor der Hand müssen 
Deutschland, waren gelernte Zeichner, meist wir auf eine bestimmte Benennung der einzelnen 
aber nur für das Verzierungsfach, für Blumen-, Stiche verzichten. Ich stelle sie sämmtlich unter 
Blätter- und Rankenwerk, und wenn auch das einen gemeinsamen Gesichtspunkt, will sie aber 
Figurenwerk in einem gewissen Maße zu ihrer nicht in einen Topf werfen, sondern nach der 
Praxis gehörte, so verstanden sie sich doch auf mir angemessen scheinenden Weise ordnen. Zu- 
das freie Zeichnen und Zusammenstellen von Fi- vor einige allgemeine Bemerkungen über die alt- 
guren in der Regel nur wenig. Dies war, wie {iorentinischen Kupferstiche im Vergleich mit 
es scheint, bei B. der Fall, einem mittelmäßigen den altdeutschen. 
Kunsthandwerker von ähnlichem Schlage, wie Was jene von diesen am auüallendsten unter- 
sein deutscher Zeitgenosse Israhel vanMeokenen. scheidet, ist der Inhalt der Darstellungen. Der 
PassavantspriehtoftvonBaldinfsStichmanier, erste Gebrauch, der von der neu erfundenen 
ohne jedoch anzugeben, worin sie besteht. Die Kunst in Deutschland gemacht wurde, bestand 
Kupferstiche, die er ihm zuschreibt, lassen we- in massenhafterAnfertigung vonHeiligenbildern, 
nigstens drei verschiedene Arten der Ausführung die fast ausschließlich auf den religiösen Bedarf 
erkennen; er bezeichnet sie, ohne jede nähere der unteren Volksklassen berechnet waren; in 
Bestimmung, als Arbeiten aus verschiedenen Italien dagegen verlangte nicht so sehr die An- 
Perioden des Meisters. Ueber Botticellfs Stich- dacht, als der Sinn für feinen Luxus, das Wol- 
methode äußert er sich folgendermaßen; nSandro gefallen an künstlerischer Ausschmückung aller 
Botticelli pflegte seine Umrisse sehr tief und Umgebungen des Lebens solche gedruckte Bil- 
etwas hart, aber mit vielem künstlerischen Ge- der, die sich mit ihrem Kaufpreise und Inhalt 
fühl einzuschneiden. Seine Kupferstiche erkennt mehr an die höheren und gebildeteren Stände 
man sehr leicht an dem größeren Verständniss wandten. Mit der Wolhabenheit und Freiheit 
der Zeichnung, hauptsächlich in den Konturen. der Städte war Italien am Schluss des 15. Jahrh. 
Was ihn unter anderem von Baccio Baldini auch an geistiger und geselliger Bildung den 
unterscheidet, ist die besonders in seinen feinen Ländern diesseits der Alpen vorausgekommen; 
Kreuzschrafiirungen häufig angewendete kalte die Formen einer höher entwickelten Sitte, die 
Nadel [ein damals noch gar nicht vorhandenes durch eine schönere Volksnatur unterstützt war, 
Handwerkszeugl]. Er bediente sich dieser Stich- das Elegantere und Vornehmere in Tracht und 
manier bei seinen Folgen der Propheten und Si- Haltung zeigte sich auch in den Figuren jener 
byllen, vornehmlich aber bei seinen Kupfern zu Blätterfolgen, welche die Typen der deutschen 
Dantes (Pass. V. 27.) Da, wo er diese Ku- Reichsstädte an Feinheit, Anmut und einem ge- 
pfer beschreibt, ist er anderer Meinung. Botti- wissen Anstand bei weitem übertreffen. Dem 
celli soll zwar die Zeichnungen dazu geliefert, Menschenschlag, wie er sich in den Stichen des 
aber an den wenig gefühlten Umrissen und an Meisters von 1466 und Martin Schongauefs dar- 
den unbestimmten Schrafiirungen des Stiehes stellt, fehlt es nicht an Lebenskraft und Origi- 
keinen Antheil haben, und etwas weiterhin er- nalität, aber die Gestalten sind unschön, oft 
klärt Passavant, die große vHimmelfahrt der hässlich, Stellungen und Bewegungen eckig, die 
Marias, ein in der Zeichnung barbariseh rohes Tracht schwerfallig und steif. Unter dem Im- 
und im Stich wahrhaft brutales Blatt, für Botti- puls eines verjüngten Lebensgefühls hatte die 
celli's Hauptwerk! (Verz. II, No. 55). Begreife, damalige toskanische Kunst sich der Fesseln des 
wer kann, diese leeren, einander widersprechen- Mittelalters schon in vieler Beziehung entledigt 
den und doch jedesmal mit der Miene der Un- und eine freiere Bewegung errungen. Die altilo- 
fehlbarkeit auftretenden Behauptungen. rentinischen Kupfers tiche sind Erzeugnisse dieser 
Man weiß, wie schwer es schon hält, über vFrührenaissanceu. Neben den Gegenständen der 
manche Kupferstiche des Marc Anton und seiner Bibel und Legende, der mystischenDogmatik und 
Me ye r. Künstler-Lexikon. II. 73
	        
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