Volltext: Appiani [i. e. Andreas] - Domenico del Barbiere (Bd. 2)

Arnolfo di Oambio. 285 
 
vier Statuen an den Ecken über den Säulen, die Skulpturen unterscheidet. Es wird sich dies 
hh. Petrus, Paulus, Lukas und Benedikt dar- sehr einfach dadurch erklären lassen, dass Ar- 
stellend, in korrespondirenden Reliefs in den nolfo schon während seines Wanderlebens wie 
dreieckigen Feldern neben den Bögen aller vier nach seiner Niederlassung in Florenz vorzugs- 
Seiten, darunter Abel und Kaiu opfernd und auf weise den Beruf des Architekten übte, und da- 
einer anderen Seite die ersten Eltern, und end- her, während er selbst sich nur selten zur Füh- 
lich in schwebenden Engeln, welche äusserlieh rung des Meissels entschloss, häufig die Arbei- 
an den Giebeln und innerlich an und neben dem ten Anderer zu leiten hatte. Vergleichen wir 
Gewölbe angebracht sind. Jene vier ersterwiihn- dann den Stil dieser theils von ihm selbst ans- 
ten Statuen sind, vielleicht mit Rücksicht auf gehenden, theils unter seinem Einiiusse entstan- 
die Nischen, in denen sie stehen, in etwas stei- denen Werke mit denen seines großen Meisters 
fer Haltung, dagegen die zwei senkrecht herab- Niccolo Pisano, so ist eine Verwandtschaft mit 
schwebenden Engel im Inneren von großer Kühn- denselben nicht zu verkennen, doch ebenso we- 
heit der Konzeption und holdseligster Anmut, nig ein erheblicher Unterschied. Jener Anklang 
und auch die Reliefs recht erfreulich und schön. an die Antike , der bei Niccolo oft in so überra- 
Durchweg zeigen sich Anklänge an den Stil sei- sehender Weise hervortritt, ist hier einer schlich- 
nes früheren Meisters, des Niccolo von Pisa, die tcn, unmittelbareren Auffassung der Natur ge- 
gedrungenc Körperbildung, die vollc iieischige wichen. Auch Niccolo war, das zeigen seine 
Behandlung des Nackten an Adam und Eva, Werke deutlich, weit entfernt von einer unbe- 
iiberhaupt eine gewisse Frische, Fülle, selbst dingten, theoretischen Vorliebe für die Antike; 
Derbheit, dabei aber auch das Gefühl für das sie war ihm nicht Zweck, sondern Mittel, und 
Ganze der Erscheinung, das gerade den früheren zwar ein zufällig in seine Hände gerathenes Mit- 
Meistern so sehr gefehlt hatte. Viel bedeuten- tel. Er war durch das Leben, durch die großen 
der ist dann das zweite, mit seinem Namen be- Ereignisse, durch die religiöse und poetische 
zeichnete Werk, das Denkmal des Kardinals Begeisterung seiner Zeit angeregt, für große, 
Wilhelm de Braye zu S-QDOIIIGIÜCO in Ü rvietß- sittliche Motive empfänglich gemacht, und ent- 
Die Anordnung ist die, welche sich gerade um deckte sie, während ihm die überlieferte Kunst 
diese Zeit, wie es scheint von der Pisaner Schule noch keine Darstellungsmittel an dieselben bot, 
ausgehend, weit über Italien verbreitete: der in einigen antiken Bildwerken, auf die sein Auge 
Verstorbene liegt auf einer Bahre oder einem ficL E1- übertrug daher diese antiken Züge, die 
P 9194165673, Während Engel Zu Hällpien und FÜS- seinen künstlerischen Bedürfnissen entsprachen, 
Sen Stehend die Vüihäilge desselben aufheben, unmittelbar auf seine christlichen Darstellungen, 
darüber aber, unter (18111 das Ganze llmrahmßil- welche dadurch etwas seinen Zeitgenossen 
den Spitzbogen, entweder musivisch oder, wie Fremdartiges, und zugleich, da jene Vorbilder 
es hier der Fall ist, auf einem zweiten Vor- nicht für Alles ausreichten und mittelalterliche 
sprunge statuarisch, die Aufnahme des Verstor- Traditionen sich mit ihnen mischten, trotz seiner 
benen im Himmel dargestellt ist. Wir sehen hier gewaltigen Begabung etwas in gewissem Grade 
die Jungfrau thronend, neben ihr die hh. Petrus Unharmonisches erhielten. Bei seinen Schülern 
und Dominikus stehend, und endlich den knien- gestaltete sich dies anders; nochmals auf die 
den Kardinal. Vor allem ist die Jungfrau schön; Antike zurückzugehn, fiel keinem von ihnen 
von kräftigem Ball, iIl würdiger Haltung, die ein. Die großartig aufgefasste Natur in den an- 
reehte Hand auf der Kugel des Stuhlpfostens ru- tikischen Gestalten ihres Meisters öffnete ihnen 
hend, erinnert sie noch an die junonischen die Augen für die Natur selbst. Indessen auch 
Frauengestalten, die in Nieeolffs Reliefs vor- so wären sie vielleicht nicht weit über den rohen 
kommen, ist aber mütterlicher, inniger. Auch das Naturalismus hinausgckommen, der schon so 
Kind,etwas klein, abermitlehrend vorgestreckter lange in Italien herrschte, wenn nicht etwas An- 
rechter Hand und zurüekgebogenem Kopfe frei deres hinzugetreten wäre. Künstlerische Natur- 
und würdig sitzend, entspricht dem Gedanken studien bedürfen der architektonischen Vor- 
sehr wol, und die Engel sind sehr lieblich. ES schule; erst wenn das Auge in dem abstrakten 
herrscht in dem Ganzen eine wirklich großartige Gebiete der Baukunst an die Würdigung der 
und doch wieder sehr schlichte Auifassung. Maßverhältnisse und der Wirkung von Licht und 
Neben diesen wenigen eigenhändigen Arbeiten Schatten gewöhnt ist, vermag es auch die le- 
Arnolfds finden sich dann aber in allen Gegen- bende Natur stilvoll aufzufassen. Diese Vorschule 
den, wo er länger wirkte, in Rom, im Kirchen- gewährte nun die gothische Architektur in vor- 
staate, in Toskana zahlreiche Skulpturen, die bei züglichem Grade , theils schon an und für sich, 
geringerer, selbst oft handwcrksmäßiger Aus- dann aber noch mehr durch den Konflikt, in den 
führung verwandte Züge zeigen, eine zwar etwas sie mit dem italienischen Raumgefühl gerieth, 
allgemeine, aber stilvolle Auffassung der Natur, und die Studien, welche die Ausgleichung des- 
derbe, breite Formen, dabei aber ein richtiges selben erforderte. Gerade hierin aber war Ar- 
Gefühl für plastische Massen und die Körper- nolfo Meister, und dies erklärt es, dass er, wenn 
verhältnisse im Großen, das sie sehr deutlich von er auch in eigentlich plastischer Begabung weder 
der Haltungslosigkeit der früheren italienischen Niccolb, noch dessen berühmten Sohn Giovanni
	        
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