Volltext: Appiani [i. e. Andreas] - Domenico del Barbiere (Bd. 2)

l 80 Apollonios.  
gewandt war, dass der Gesang des Mundes mit wisse Wirkungen in der Kunst nur durch Kon- 
dcn Tönen der Leier vereint nach oben drang. traste erreicht werden könnten, so hätten an- 
Wie dem auch sein möge, so darf doch mit Si- und abgespannte Theile einander gegenüberge- 
cherheit vorausgesetzt werden, dass das Werk stellt werden müssen. Das sei in überraschender 
wenigstens seiner Erfindung nach nicht das volle Weise gelungen: es zeige sich die Abspannung 
Eigcnthum des Künstlers war, sondern dass die- im Bauche und in der eingebogenen Seite des 
ser, wenn nicht die Idee des Ganzen, doch sehr Körpers, die Anspannung in der ausgereckten 
wesentliche Motive den Werken einer älteren und in der Kreuzgegend des Rückens. Kein 
Zeit entlehnt hat. Apollonios gehört nämlich, Theil ermangele der Naturwahrheit; kein Theil 
als einer der Hauptvertreter, der Schule atti- gebe einen falschen Begriff von der-Bestimmung, 
scherRenaissance an. welche schon vom zweiten Lage und Wirkung der Muskeln. Wenn nun 
Jahrh. v. Chr. an bis in die Kaiserzeit eine be- aber ausserdem noch hinzugefügt wird: nkein 
deutende Wirksamkeit besonders in Rom ent- Theil erscheint zu ilau und abgeschwächt, so 
faltete. Indem sie einen Theil ihrer Selbststan- dass man auf die Nachahmung eines früheren 
digkeit, namentlich hinsichtlich der vollen Frei- Originalwerkes schliessen müsstes, so wird doch 
heit künstlerischen Schadens freiwillig aufgab ein besonderer Nachdruck auf den folgenden 
und sich begnügte, im engen Anschluss an die Schlusssatz gelegt werden dürfen: vwenngleich 
Muster der besten Zeit dieselben mehr oder min- sich der Meister dem Einflüsse und der Sinnes- 
der frei zu reproduziren, wirkte sie namentlich richtung seiner Zeit nicht hat entziehen können, 
für die Erhaltung der idealen Kunstrichtung in die allerdings von dem Geiste des Lysippos ver- 
Rom und schuf eine Reihe von Werken, welche schieden warw, (an den die Erfindung in manchen 
zwar in ihrer ganzen Ausführung des Zaubers Beziehungen erinnert). Denn es liegt in diesen 
der vollen Frische von Originalschöpfungen cnt- Worten wenigstens eine theiliveiseAnerkennung 
bohren, aber doch für den Verlust derselben des historischen Standpunktes. Wir können von 
durch eine Reihe tüchtiger Eigenschaften einen künstlerischer Seite die Vortrefflichkeit der An- 
annähernden Ersatz bieten. Dadurch ist es al- lage im Ganzen und den einzelnen Theilen, ein 
lerdings bedingt, dass der absolute Ton der Be- hohes Verdienst in der Charakterisirung der 
geisterung, wie er in Winckelmanns berühmter verschiedenen Formen durchaus zugeben, und 
Schilderung desTorso angeschlagen ist, wesent- werden dennoch nicht verkennen dürfen, dass 
lieh herabgestimmt werden muss; und wenn es der Zeit des Künstlers nicht mehr gegeben 
sich also die Beurtheilnng in der Geschichte war, diejenige Frische und Unmittelbarkeit des 
der griech. Künstler des Unterzeichneten in Meissels, diejenige Freiheit und Präzision der 
einen bestimmten Gegensatz zu der früheren Be- letzten Vollendung zu erreichen, welche eben 
wunderung setzte, so ist doch zu betonen, dass nur der Zeit originalster Produktivität und einem 
Winckelmanns Beschreibung vnur auf das Ideal die Natur nicht nur nachbildenden, sondern frei 
der Statue i: ging, dass dagegen eine kritische naehschaifenden Künstler eigenthümlich ist. 
Betrachtung sich auf den historischen Stand- S_ Brunn, GeSCIL der griech Künstlen L 542 
punkt stellen muss, welcher den Wcrth des u_ 553,  Petersen, in der Arch. Zeit. 1867, 
Torso einestheils an Werken der durchaus p. 126.  Overbeck,Gesch. d. griech.Plast. 
idealen Kunst, wie den Skulpturen des Parthe- II- 305-  
non misst, mit welchen der Künstler im Prinzip 
sich auf gleichem Boden befindet, anderntheils 4) Apollonios, Bildhauer, Sohn des Arehias 
aber auch mit Werken wie dem Laokoon ver- aus Athen, nach der Inschrift einer herkulanen- 
gleicht, gegen deren gewaltige, keiner Steige- sischen Bronzebüste: Mus. Hercul. I. t. 45 und 
rung mehr fahige Anspannung aller Kräfte seine 46. Als Marathonier wird ein Apollonios, Sohn 
Qlgßllß Richtung Sieh alS eine bewuSßte Rßak- des Arehias, in einer athenischen Künstlerin- 
tion darstellt. Von diesem Standpunkte aus schrift genannt (Areh. Zeit. 1856, p. 222), und 
wird sich endlich auch eine Vermittelung mit endlich findet sich ein Marathonier Archias, 
der-Fangen BFtlaßhtungSWelSe gewinnen lassen, Sohn des Apollonios, in einer Künstlerinschrift 
welche kürzlich v. d. Launitz in einer formalen des Theaters von Athen (Bull. d. Inst. 1862, 
Analyse des Werkes (bei Overbeek) eingeschla- p. 165). Ob die beiden ersten Inschriften sich 
gen hat. Er geht davon aus, dass durch die aus- auf eine und dieselbe Person beziehen, ist zwei- 
ruhende Stellung eine vollkommene Erschlaf- felhaft, da die Züge der zweiten einen etwas 
fung oder richtiger Abspannung der Muskeln älteren Charakter zeigen sollen, während die der 
bedingt sei, mit Ausnahme derjenigen , durch ersten und dritten etwa auf die augnsteische Zeit 
welche das gänzliche Zusammcnbrechen der Fi- deuten. Jedenfalls also gab es damals in Athen 
gur verhindert werde. Dadurch sei ein speziel- eine Künstlerfamilie, in welcher, dieselben Na- 
lßrßS Eingehen auf die Darstellung der Haut nö- men in mehreren Generationen wiederkehrtcn, 
thig geworden, weil ohne ihre naturgemässe wenn wir auch ihre Reihenfolge noch nicht zu 
Charakterisirung im Momente der Erschlaffung bestimmen vermögen. Sie gehörte eben so, wie 
kam" Vollendete Darstellung der Abspannung Apollonios Nestors Sohn, der Schule attischer 
des Körpers möglich sei; und da wiederum ge- Renaissance an. Denn die erhaltene Bronze-
	        
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