Apollonios.
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nutzung aller Kräfte im Kampfe gegen die phy-
sisch überwiegende Gewalt des wüthenden Stie-
res erfordert, sondern auch in dem Beschauer
durch die kühne Aufgipfelung aller, die schreck-
liche Katastrophe unabwcndbar vorbereitenden
Umstände den höchsten Grad tragisch-patheti-
scher Erregung hervorrufen muss. So gehören
beide Werke einerGeistesrichtung an, für welche
sich nur in der alexandrinischen Epoche die
nothwendigcn Voraussetzungen finden; und die
Annahme einer Entstehung in der römischen
Kaiserzeit, die hinsichtlich des Laokoon noch
einige Vertheidiger findet, fällt für den Stier
schon darum weg, weil derselbe bereits in der
Zeit des Augustus nicht etwa neu gearbeitet,
sondern von Rhodus nach Rom versetzt wurde.
s. Welcker, Alte Denkm. I. p. 352. Brunn,
Gesch. der griech. Künstler. I. 495. Frie-
derichs, Bausteine. p. 317. Overbe ck,
Gesch. der griech. Plastik. II. p. 240.
Abbildungen z. B. bei Müller, Denkmäler
alter Kunst. I. 47. 215 und im Museo Borbonico.
XIV. 5-6. Lieber antike Nachbildungen auf
Münzen u. s. w. vergl. Arch. Zeit. 1853. p. 651i".
3) Ap ollonio s, Bildhauer, Sohn des Nester
aus Athen, der Künstler des berühmten Hera-
klestorso im Belvedere des Vatikans Da der-
selbe beim Theater des Pompeius in Rom ge-
funden ist, und die Züge der Inschrift auf die
Zeit der Erbauung desselben hinweisen , so
scheint das Werk zur Ausschmückung dieses
Baues gearbeitet zu sein. Die Spuren antiker
Restaurationen erklären sich dann durch die Be-
schädigungen, die es bei den mehrfachen Brän-
den des Theaters erlitten haben mochte. Nach
dieser Zeitbestimmung ist es wenigstens möglich,
auf denselben Künstler eine Nachricht des Chal-
cidius zu Platds Timaeus (p. 440 ed. Meurs.)
zu beziehen, in welcher ein Apollonios als
Künstler der Statue des J uppiter Capitolinus aus
Gold und Elfenbein angeführt wird. Der Tem-
pel war nämlich 84 v. Chr. Geburt abgebrannt,
zwar 69 von Catulus schon neu geweiht, aber
noch 62, also gerade in der Zeit des Pompeius
nicht ganz vollendet (vgl. Tac. hist. 3, 72; Dio
37, Die Nachrichten über zwei andere In-
schriften mit des Apollonios Namen sind nicht
hinlänglich verbürgt.
Uebcr die Restauration des Torso sind die
Meinungen noch getheilt. Ziemlich allgemein
aufgegeben ist wohl die Ansicht, dass zur Lin-
ken des Heros noch eine weibliche Gestalt, sei
es Hebe oder Auge, gestanden habe. Zweifel-
haft erscheint auch die Annahme, dass er ermii-
det dasitzend, die Keule oder einen Stab neben
sich gestellt und einen oder beide Hände auf
dieselbe gestützt gehabt habe. Die meiste Wahr-
scheinlichkeit hat die Vermuthung E. Petersenls,
dass der Heros auf den linken Schenkel die
Leier gestellt, mit der Linken das Horn dersel-
ben oder den Steg gefasst, mit der Rechten aber
die Saiten berührt habe, wobei das Haupt so
23'
Todesjahr 1654, 1- 1729. Auch er kannte keinen
grösseren Ruhm als die Bassano nachzuahmen,"
nur dass er darin weit hinter seinem Grossoheim
zurüekblieb. In den J. 1681 und 1697 malte er
Fresken in der Kirche S. Giambattista zu Bas-
sano, aber seine Arbeiten wurden bei einem Um-
bau zerstört.
s. Verci, Notizie alla vita etc. de" pittori di Bas-
sano. 1775. p. 230.
Jansen.
Apollonios. 1) Apollonios, Architekt zur
Zeit des Kaisers 'l'rajan, Sohn des Ammonios:
aus Alexandria. Sein Name findet sich auf einem
von ihm geweihten Altare bei Mons Clandianus
in Aegypten wo er vielleicht mit der Leitung
der dortigen Steinbrüche betraut war.
2) Apollonios, Bildhauer, der in Gemein-
schaft mit Tauriskos die berühmte Gruppe des
farnesisehen Stieres ausführte, welche von Rho-
dus in den Besitz des Asinius Pollio gelangt, im
16. Jahrh. in den Thermen des Caracalla wie-
der aufgefunden, spater- mit der farnesisehen
Erbschaft nach Neapel gebracht wurde. Nach
der Angabe des Plinius (xxxvr. 34): parentum
hi certamen de se feeere, Menecraten videri
professi, sed esse naturalem Artemidorum, schei-
nen sie Brüder gewesen und ausser ihrem wirk-
lichen noch einen Adoptivvater gehabt zu ha-
ben, dessen sie (ob vielleicht in einem Epi-
gramme unter der Gruppe?) in besonderer Ver-
ehrung gedenken mochten. Ihre Vaterstadt war
nach anderweitigen Nachrichten über Tauriskos
Tralles in Karien ; doch schliessen sie sich ihrer
ganzen Kunstrichtung nach durchaus der Schule
von Rhodos an, wo ihr gemeinsames Werk ur-
sprünglich aufgestellt war. Keine andere Kunst-
sehöpfung des Alterthums ist dem Stier ver-
wandter, als der Laokoon (s. unter Agesandros).
Selbst ganz ausserlich in der Erwähnung bei
Plinius tritt diese Verwandtschaft hervor: wie
er beim Laokoon die Schwierigkeit der Kompo-
sition durch die Einweisung auf vden Vater, die
Söhne und die wunderbaren Windungen der
Schlangens und ihre Ausführung in einem Mar-
morblocke hindeutet, so finden wir bei dem Stier
wiederum nZethos, Amphion und Dirke, den
Stier und das Tau aus demselben Marmorblockec,
wobei sogar die Antiope, der Ortsdämon und
die reich verzierte Plinthe nicht einmal er-
wähnt sind. Wir finden also hier noch eine Stei-
gerung in der Komplikation derProbleme, deren
Lösung sich die Künstler versetzten, eine Stei-
gerung, die noch bedeutsamer durch den Um-
stand wird, dass der Laokoon für eine Haupt-
ansicht komponirt ist, während der Stier etwa
für dieAufstellung auf einem öffentlichen Platze
berechnet ist, wo er von allen Seiten gesehen
werden konnte. Nicht weniger zeigt sich diese
Verwandtschaft in der Wahl des Momentes, der
nicht nur von Seiten der handelnden Personen
die höchste Anspannung und gewandteste Be-