Volltext: Appiani [i. e. Andreas] - Domenico del Barbiere (Bd. 2)

Antonio da. Murano. 141 
trug Antonio diesen Namen nicht. Wann und 
wo dieser geboren wurde, ist unbekannt. 
Bald nach 1447, als sich die Arbeitsgemein- 
schaft mit Giovanni, wir wissen nicht, durch 
welchen Umstand, gelöst hatte, tratAntonio mit  
seinem Bruder Bartolommeo in Verbindung, und  
sofort sehen wir in den Werken, welche ihre ge- 
meinsamen Erzeugnisse waren, ein neues Ele- 
ment auftreten. Damals übte Donatello, aner- 
kannt als Reformator der italienischen Kunst, 
zunächst auf die Schule von Padua, dann auch 
auf einen Theil der Venezianer grossen und ent- 
scheidenden Einiiuss; nach seinem Muster und 
Vorgang strebte man vor Allem nach strenger 
und klassischer Durchbildung der Form. Barto- 
lommeo zeigt sich uns als ein Anhänger dieser 
Richtung. Das erste Werk, welches sich uns als 
gemeinsameArbeit der Brüder erhalten hat, trägt 
die Jahrzahl 1450. Es ist eine Tafel mit verschie- 
denen Abtheilungen, eingerahmt von jener reich 
geschnitzten gothischen Architektur, wie sie bei 
den Altarbildern der Künstler von Murano üb- 
lich ist: in der Mitte die thronende Madonna, 
das auf ihrem Schooße schlafende Kind vereh- 
ehrend, in den Seitennischen vier Heilige, in der 
oberen Bilderreihe Christus mit zwei Engeln 
zwischen vier weiteren Heiligen. Die Bezeich- 
nung in seltsam zusammengezogenen Majus- 
keln lautet: Anno Domini MCCCCL. Hoc opus 
inceptum fuit et perfectum Venetiis ab Antonio 
et Bartolomeo iratribus de Murano, Nicolao V. 
Pont. Max. monumentum R. P. D. Nieolai Card. 
olim Sanctae Crueis; sie lehrt uns also, dass 
das Bild vom Papst Nikolaus V. bestellt, zum 
Andenken an die Dienste des Kardinals Alber- 
gati bestimmt und in Venedig gemalt war. Ur- 
spriinglich in der Certosa zu Bologna, ist es 
später in die Pi na koth e k daselbst gekommen. 
Das Werk ist unzweifelhaft eines der schönsten 
Gemälden von jener im nördlichen Italien ge- 
bräuchlichen Art, architektonische Einrahmung, 
reiches, vergoldetes Schnitzwerk und Tafelma- 
lerei zu einem einheitlichen Kunstwerk zu ver- 
einigen. In der Anordnung sehen wir die bis- 
herige Weise beibehalten, aber in der Bildung 
der Figuren wenigstens zum Theil den neuen 
Einfluss Donatellds und der Paduaner Schule. 
Noch zeigt sich deutlich in den schlanken Ge- 
stalten mit vor-geneigten Köpfen, in den weichen 
Linien und dem sanften frommen Ausdruck des 
leidenden Christus und der verehrenden Jung- 
frau, auch in der mangelhaften Form der Hände  
und Füsse die Weise Antonios, wie sie sich 1111-: 
ter der Einwirkung des Gentile da. Fabriano und 
germanischer Elemente gebildet hatte. Allein 
einige Figuren bekunden die neue Weise Bar- 
tolommeds, eine strengere Behandlung der Form 
nach paduanischem Vorbild, das damals schon 
in die Werkstätten von Murano seinen Eingang 
fand. Insbesondere verräth das schlafende Chri- 
stuskind die den klassischen Mustern zugewen- 
dete Richtung des jüngeren Künstlers. 
Von geringerem Interesse sind die übrigen 
Werke, welche der gemeinsamen Thätigkeit der 
beiden Brüder ihre Entstehung verdanken, und 
keines der späteren kommt diesem ersten gleich. 
Zum Th eil mag Antonio mit zunehmendem Alter 
schwächer geworden sein. Zum Theil fand wol 
auch die jüngere Kraft Bartolommeds in dieser 
Verbindung nicht mehr ihre rechte Entfaltung, 
und endlich scheinen Beide mitunter einen gu- 
ten Theil der Arbeit nur den Gehilfen ihrer 
Werkstätte überlassen zu haben. Diese Bilder 
Bind: 
1) Verklärung des hl. Petrus, früher in dem 
Kloster S. Franeesco zu Padua, jetzt in 
der öiientlichen Galerie daselbst. Auch 
dieses war ein Bild in vielfachen Abthei- 
lungen, die jetzt getrennt sind; in der un- 
teren Reihe war der hl. Petrus zwischen 
Heiligen, in der oberen der gekreuzigte 
Christus ebenfalls zwischen Heiligen. Es 
war bezeichnet: MCCCCLI.  Antonius et 
Bartholomeus fratres de Murano pinxerunt 
hoc opus. Eines der geringeren Werke, wol 
zum grössten Theil von Gehilfen. 
2) Zwei hh. Bischöfe in Rundbildern in der 
Sakristei von S. Maria della Salute in Ve  
nedig. Bruchstücke eines grösseren ver- 
schollenen Werkes in der Art der Altarta- 
tafel zu Bologna. 
3) Vier Abtheilungen mit Heiligen in SS. Pietro 
e Paolo zu Paus 01a. Ebenfalls Bruch- 
stüeke , die sich der Art des Mantegna nä- 
hern. 
4) Verkündigung zwischen den hh. Michael 
und Antonius in drei Abtheilungen in S. 
Giobbe zu Venedig. Arbeit von Gehilfen, 
von Zanetti dem Luigi Vivarini zugeschrie- 
ben. 
5) Die hh. Paulus und Hieronymus auf zwei 
Tafeln (Bruchstücke) in der Sammlung Car- 
rara Loehis zu Bergamo. Sehr beschä- 
digt; grösstentheils von der Hand Antonios 
6) Altartafel mit der Krönung der Jungfrau 
und acht Heiligen in zwei Reihen in der 
Kirche der Frati Minori Osservanti zu 
O s im 0. Schwäeheres Werk der beiden 
Brüder, hell im Ton und ohne Schatten. 
7) Krönung der Jungfrau in der städtischen 
Galerie zuTurin (Bruehstück). Wenn nicht 
von den beiden Brüdern, doch in ihrer Ma- 
mer. 
Die gemeinsame Thätigkeit der beiden Brüder 
(lauerte bis 1464, in welchem Jahre Bartolommeo 
von Antonio sich trennte und eine Werkstatt für 
sich gründete (s. Bartolomme o). Noch in dem- 
selben Jahre vollendete Antonio, jetzt sich selbst 
überlassen, ein Bild, das in den langen mageren 
 Gestalten, der inkorrekten Zeichnung der Hände 
und Füsse, den eckigen Gesichtszügen deutlich 
die Spuren des Alters trägt. Früher in S. Anto- 
nio Abbate zu Pcsaro , befindet es sich jetzt in 
ldcr Galerie von S. Giovanni Laterano zu Rom;
	        
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