Antonellicgzi Messina .
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der Glorie des hl. Nikolaus, einer grosscn
Tafel mit acht kleinen Episoden aus dem Leben
des Heiligen in S. Niccolo zu Messina; doch
könnte das skizzenhaft und nicht so sorgsam be-
handelte Werk auch nur aus der Werkstatt An-
tonellds und von der Hand eines'Schiilers sein
(s. Verz. a) N0. 3).
Im J. 1473 trat A. in Venedig auf und or-
regte in der dortigen Künstlcrwelt grosses Auf-
sehen durch eine Madonna mit dem hl. Michael,
welche lange Zeit den Haupt-schmuck der Kirche
S. Cassiano bildete und lschon damals sowie im
16: Jahrh. viel gepriesen wurde. Vasari berich-
tet, dass sie wegen der nNeuheit jener Malerei
und der Schönheit der Figuren" in hohem Werthe
stand, und weiterhin rühmen dies Bild Matteo
Colaccio und Sabellico, der sonst mit dem Lobe
von Kunstwerken sehr sparsam ist. Allein diese
Art in Oel zu malen rief nicht bloss allgemeine
Bewunderung hervor, sondern regte auch un-
mittelbar zur Nachahmung an. So versuchte sich
Bartolommeo Vivarini, der damals in grosscm
und wolvcrdientem Rufe stand, sofort in dem
neuen Bindemittel; seine Gloric des hl. Augustin
in S. Giovanni c Paolo zu Venedig ist ein be-
merkenswerthes Zcugniss dieser Anstrengungen
und des Wettstreites, in den er mit Antonello
trat. Gentile Bellini aber bemerkte wol, dass
es mit einer oberflächlichen Nachahmung der
neuen Technik nicht gethan sei, und dachte wol
auch, dass sich diese nicht von heute auf morgen
lernen lasse; dagegen hielt er seinen jüngeren
Bruder Giovanni an, schon in jungen Jahren die
Temperamalerci mit der Oelmalerci zu vertau-
schen. In mehreren Werken des Letzteren aus
den Jahren 1474 bis 1480 sind uns solche Ver-
suche aufbewahrt; doch ist sein erstes gelunge-
nes Oelbild Die Madonna von 1487 in der Aka-r
dcmie zu Venedig (die Erzählung bei Ridolthl
wie Bellini unter einer Verkleidung dem Auto-l
nello sein Geheimniss abgesehen habe, ist natür-
lieh blossc Kiinstleranekdote). Noch etwas spä-l
ter ging dann doch auch Gentile Bellini zu der,
neuen Weise über. Nach ihm kam mit zweifel-N
haftem Erfolge Luigi Vivarini, dann aber folgten
mit grösserem Geschick Carpaecio und Cima.
Während sich derart die Venezianer im Wett-
streit mit Antonello versuchten, behauptete die-
ser unerreicht die erste Stelle, welche er einge-
nommen, und erwarb sich sogar noch grösseren
Ruhm durch kleine B ru stb ildn i s se , welche
er nach Art der Niederländer um diese Zeit zu
malen begann. Er stellte damit seine früheren
Werke bald in Schatten, und wenn wir auch kein
gleichzeitiges Zeugniss von dem Erfolge haben,
den er in dieser Gattung errang, so ist dieser
doch durch andere Umstände hinlänglich erwie-
sen. Das Bildniss eines jungen Mannes vom
J. 1474, aber schlecht erhalten, befindet sich in
dem Palast Hami lton bei Glasgow. Drei eben
solche entstanden, wie uns überliefert ist, im
J. 147-5; eines davon ist sicher dasjenige in der
Meyer, Künstler-Lexikon. II.
Sammlung des Louvre (s. Verz. a) N0. 15), ein
anderes mag dasjenige im Palast Borghes e zu
Rom (s. Verz. a) No. 4) sein, das dort den Na-
men Bellini's trägt, das dritte ist verschollen
(s. Verz. e) N0. 5). Nichts kann die Wahrheit
und den Ausdruck des Bildnisses im Louvre,
sowie seine vollendete Ausführung und die Mei-
sterschaft der versehmelzenden Technik über-
treifen. Es bestätigt vollkommen die Bemer-
kung, welche einmal der Anonymus des Morelli
macht, dass nämlich Antonellds Porträts von
einer ausserordentliehen Lebendigkeit seien, und
dies insbesondere im Ausdruck der Augen. Es
ist ein Mann von mittleren Jahren , kräftig und
gesund, von röthlieher Fleisehfarbe, von offenem
und sicherem Ausdrucke, von entsehiedenem
Charakter. Alles ist auf das deutlichste ausge-
führt, die Schramme an der Oberlippe, die zarten
Adern in den Augenwinkeln, die spärlichen Bart-
haare, die sich zählen lassen; aber alles Einzelne
ist der Wirkung des Ganzen untergeordnet, und
das Kolorit, bei den feinsten Reflexen und Modu-
lationen des Hautgewebes, mächtig, warm und
leuchtend. Etwas mehr italienischen Typus zeigt
der Mann des Bildnisses im Palast Borgh ese;
er ist älter, weniger bedeutend und wiirdevoll,
der Zug in den Mundwinkeln aber besonders
ausdrucksvoll; doch ist das Bild weniger gut
erhalten. Dieses sowol als das verschollene,
welches den Alvise Pasqualino vorstellte, be-
fanden sieh am Anfange des 16. Jahrh. in der
Sammlung des Antonio Pasqualino zu Venedig.
Doch waren diese drei Bildnisse nicht die ein-
zigen Werke des Jahres 1475. Aus demselben
Jahre stammt die schöne kleine Kreuzigung
n dem Museum zu Antwerpen (s. Verz. a)
N0. 16). Sehr wirksam ist hier der würdige
ruhige Schmerz des Heilandes mit den krampf-
haften Zuckungen der Schächer in Kontrast ge-
setzt; weithin dehnt sich eine reizende Land-
schaft mit Gebäuden und Bergen aus, reich staf-
iirt mit Thieren und Menschen; mit rührender
Einfachheit und ergebenem Kummer sitzt die
Madonna auf der Erde am Fusse des einen Kreu-
zes, während ihr gegenüber am anderen Kreuze
der Evangelist Johannes in Verehrung kniet.
Die Behandlung des Nackten im Körper des
Christus ist breit, dabei voll und warm in der
Farbe; die gebrochenen Falten der Gewänder
zeigen noch flandrisehe Züge. Auch der Vorder-
grund ist nach flandrischer Art mit kleinen Thier-
chen, Schädeln und Knochen von der feinsten
Vollendung angefüllt; ein Detail, das schonMau-
rolyco hervor-hob. Der Streit, der sich früher
über das Datum dieses Bildes erhoben, ist jetzt
von keinem Interesse mehr; wenn De Bast be-
weisen wollte, dass an Stelle des jetzigen Da-
tums 1475 ehemals 1445 stand, so wissen wir
jetzt genug von der Laufbahn Antonellds und
seiner Thätigkeit zu Venedig, um eine solche
Annahme für völlig grundlos anzusehen. Erwähnt
sei hier noch, dass Carpaeeio, der Nachfolger
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