Antigonos.
E
Zinnen befinden musste, so müssen wir daraus
folgern, dass die Gruppen ursprünglich für eine
staifelförmige Aufstellung bestimmt waren, etwa
in der Weise, dass die Sieger einen höheren
Platz als die Besiegten einnahmen. Das Auf-
fällige einer solchen Anordnung mildert sich bei
einem Blick auf die Entwickelung der dekorati-
ven Kunst um die Zeit Alexander's d. G12, wie
sie in Mausoleen und besonders in manchen
Prachtanlagen für temporäre Zwecke sich zeigt,
unter denen namentlich der Scheiterhaufen des
Hephästion (Diodor. xvn. 114) ein Beispiel für
terrassenforrnigen Aufbau bietet. Fragen wir
nun, ob sich von einem solchen grossartigen
Siegesdenkmale, wie es hier vorausgesetzt
wurde, nicht noch anderweitige Nachrichten er-
halten haben, so bietet sich eine Stelle des Am-
pelius dar, eines Schriftstellers frühestens aus
der Zeit der Antonine , der in seinem Liber me-
morialis c. 8 unter anderen Merkwürdigkeiten
erwähnt : vin Pergamum einen grussen marmornen
Altar, 40 Fuss hoch, mit grossartigen Skulptu-
ren". Offenbar ist dies derselbe, welchen Pau-
sanias (V. 13. S) als aus der Asche der Opfer-
thiere erbaut anführt, der aber ebenso wie der
grosse Aschenaltar des Zeus zu Olympia, mit
welchem er verglichen wird, wenigstens unten
eine Stcinbekleidung gehabt haben wird. Der
Zeusaltar bestand bei einer Gesammthöhe von
22 Fuss aus einer unteren Terrasse und dem auf
derselben errichteten kleineren Opferheerd, bei-
des mit Treppenanlagen; der pergamenische
mochte sich bei seiner grösseren Höhe in meh-
rere Terrassen gliedern. Wie hier auf den vier
Seiten die vier Gruppen im Einzelnen geordnet
sein mochten, lässt sich freilich nicht mehr be-
stimmen. Dass sie aber wirklich an diesem Al-
tar angebracht waren, darf man mit Zuversichtl
aus dem Zusatze des Ampelius schliessen; veon-;
tinet autem Gigantomachiamc. Er nennt aller-
dings nur die Gigantenmachie, aber gerade die
Gruppe, welche der Idee nach den vornehmsten
Platz an der Vorderseite einnehmen musste (vgl.
Bull. dell' Inst. 1871. p. 28). So darf dieser Al-
tar, bei dem übrigens an einen ziemlich gleich-
zeitig von Hicron 11. in Syrakus errichteten
(Diodor. xv. 83; vergl. Serradifalco, Ant. d. Si-
cilia 1v. 146) erinnert werden mag, als eins der,
grossartigsten Monumente der Diadoehenzeit be-
trachtet werden, in welchem die auf Glanz und
königliche Pracht gerichtete dekorative Kunst
eben dieser Zeit einen besonders sprechenden
Ausdruck gefunden hatte.
Die Stellung der pergamenischen Schule in
der inneren Entwickelung der Kunstgeschichte,
wie sie uns in den erhaltenen Werken entgegen-
tritt (vergl. Brunn, Gesch. d. griech. Künstler. 1.
444111), ist wesentlich bedingt durch die ihr ge-
stellte Aufgabe. Die Grundidee des Ganzen der
vier Gruppen erinnert allerdings an das alte
Grundthema vom Gegensatz zwischen Hellenen-
und Barbarenthum , wie er sich nicht nur in der
Literatur, z. B. bei Herodot, sondern auch in
der Kunst schon in der polygnotischcn Schule
bei der Auswahl der Gemälde in der Poikile zu
Athen ausspricht. Aber in der Behandlung die-
ses Thema's tritt jetzt ein wesentlich neues Mo-
ment dadurch ein, dass hier zuerst in sta-
tuarischen Bildungen Barbarenkämpfe aus der
uninittelbarsten Gegenwart in lebendiger An-
schaulichkeit dem Auge vorgeführt werden soll-
ten. Die griechische Plastik hatte bis nach der
Zeit Alexander's einen überwiegend idealen
Charakter bewahrt, aber auch den Kreis der
idealen Anschauungen des Griechent-hums in
ihren Darstellungen ziemlich erschöpft. Die neue
Aufgabe verlangte ein weit stärkeres Betonen
ldes realen Elementes: es genügte nicht mehr,
die Barbaren, welche durch den Schrecken ihrer
Erscheinung noch in aller Gedächtniss lebten,
nur äusserlich durch Bekleidung und Bewaff-
nung kenntlich zu machen, sondern es waren die
Eigenthümlichkeiten der Rasse in klarer und
bestimmter Weise hervorzuheben, wie bereits
oben bei Gelegenheit des sterbenden Fechters
bemerkt wurde, im Typus des Gesichtes, im
Charakter des Haars und Bartes, in der Statur
und Muskulatur bis auf die spezifische Textur
der Haut herab. Nicht weniger aber als in den
Formen war das Wesen der Nationalität in dem
ganzen Naturell zur Anschauung zu bringen, in
der gewaltigen Entwickelung physischer Kraft,
in der Wildheit des Angriffes, im Trotz der Ab-
wehr, der Verzweifelung der Niederlage und der
stummen Resignation des Sterbens. Die Lösung
der so gestellten Aufgabe verlangte allerdings
weniger das frühere Vorwiegen der in idealer
Richtung frei schaffenden künstlerischen Phan-
tasie; es war vielmehr die Gefahr des Vertallens
in einen platten Naturalismus nahe gerückt,
welcher nur zu begegnen war durch eine scharfe
Beobachtungsgabe und durch eine mit klarem
Bewusstsein auswählende und sichtende, vor-
wiegend kritische Thätigkeit des Geistes. So
musste sich eine Richtung entwickeln, die mit
dem gesammten wissenschaftlichen und gelehr-
ten Streben der alexandrinischen Epoche ziem-
lich parallel läuft, wobei nicht zu übersehen ist,
dass der eine der von Plinius genannten Künstler,
A n t i g o n 0 s, auch als gelehrter Kunstschriftstel-
ler der Zeit und dem Bange nach eine der ersten
Stellen einnahm. In der Kunst offenbarte sich
diese Richtung als ein Eklektizismus, der bei
eifrigem und erfolgreichem Streben den neuen
Forderungen gerecht zu werden, doch durchaus
noch auf der Grundlage des früheren Idealismus
ruht. Das lehren besonders die Gallierstatuen,
die, wenn auch gewiss keineswegs vollständig,
doch "zahlreicher als die anderen erhalten, allein
ein verglcichendes Urtheil gestatten. In ihrer
Gesamrntheit werden sie ein nach der äusseren
und inneren Charakteristik vollständiges Bild
des Barbarenthums gewährt haben; in den ein-
zelnen Figuren aber beschränkte der Künstler
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