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Bartolommeo Ammanati.
allen Seiten kamen die Ingenieure mit ihren Vor-
schlägen zur Aufstellung einer so ungeheuren
Steinmasse nach Rom, und nicht weniger als
500 Gutachten über das schwierige Unternehmen
sollen eingelaufen sein. Da jedoch A. zur Aus-
führung seines Entwurfs ein Jahr Frist forderte
und der Papst so lange nicht warten wollte, über-
gab er die Leitung der Arbeit dem Domenico
Fontana. Als dann über die Anstalten, welche
derselbe traf, Bedenken laut wurden, dachte man
auf's Neue daran, die Sache an Ammanati in
Gemeinschaft mit Jacopo della Porta, als die
ältesten und angesehensten unter den an der
Konkurrenz betheiligten Baumeistern, zu über-
tragen. Allein Fontana wusste sich zu behaup-
ten und es durchzusetzen, dass der an Amma-
nati schon ergangene Antrag wieder zurückge-
zogen wurde. A. War auch unter den Mei-
stern, welche im J. 1565 von der Akademie un-
ter Zustimmung des Grossherzogs ausgewählt
wurden, um das feierliche Leichenbegiingniss
Michelangelds anzuordnen; die übrigen waren;
Vasari, Agnolo Bronzino und Benvenuto Cellini.
Auch eine Kirche hat A. erbaut: die J esui -1
tenkirche S. Giovannino in Florenz. Dies
Kollegium war 1551 von Eleonora di Toledo, der
Gemalin des Grossherzogs, gegründet. A., der
nach dem Tode seines Schwiegervaters in den
Besitz eines grossen Vermögens gelangt war,
liess es sich angelegen sein, die Kirche
prächtiger zu erbauen, als es die Mittel des Or-
dens gestattet hätten, und sorgte auch für den
inneren Schmuck derselben, indem er dafür
grosse Apostelstatuen von Stuck fertigte. In-
dessen ist die Kirche in gewöhnlichem Barock-
stil ziemlich troßken ausgefallen, wie auch die
Statuen im Inneren der Kirche zum Schwächsten
gehören, was A. als Bildhauer gemacht hat. Wie
aber der Künstler dazu kam, für den Bau einer
Jesuitenkirehe solche Opfer zu bringen, das
hängt mit einer interessanten Umwandlung sei-
nes inneren Lebens zusammen, die wir nun noch
zu betrachten haben.
III. Ammauatfs letzte Lebensjahre. Seine Umkehr
zur Kirche.
A. scheint in seiner Jugend als Künstler in
jener Unbekümmertheit um die religiösen Dinge
gelebt und gearbeitet zu haben, welche die Zeit,
der Renaissance in ihrem Ausgangc kennzeich-
net. Er nahm keinen Anstand, heidnische und
mythologische Figuren in ihrer nackten For-
menschönheit darzustellen und hatte offenbar
grösseres Gefallen an dem körperlichen Reiz an-
tiker Helden und Götter, als an dem frommen
Ausdruck christlicher Empfindungen. Das sollte
später anders werden. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass er schon durch seine Gattin
einem anderen Vorstellungskreise zugeführt
wurde. Schon in dem früher erwähnten Briefe
an Michelangelo vom 5. April 1561 erwähnt A.
die Gedichtesammlung seiner Frau mit neuen
geistlichen Liedern, die, wie er glaubt, dem Mei-
ster besonders angenehm sein würden, und 1564
gab dieselbe eine italienische Uebersetzung der
Bußpsalmen mit Anmerkungen heraus. Mag
schon dies Beispiel der begabten und hervorra-
genden Frau auf ihn gewirkt haben, so hat ihn
die kirchliche Strömung, welche in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrh. die gesammte katholische
Welt, insbesondere in Italien, ergriff und zu einer
gesteigerten Frömmigkeit trieb, vollends in die
Arme der Kirche zurückgeführt. Er ist, wie
schon Guhl hervorgehoben, unter den Künstlern
ein merkwürdiges Beispiel, wie die neue kirch-
liche Erhebung zum Bruch führte mit der heiteren
Unbefangenheit der vorangegangenen Epoche
und in der weltlichen, von antikem Geiste be-
seelten Formenfrcude derselben nur Sünde und
Verderbniss fand, so dass sie sogar das ideale
Element in derselben gänzlich verkannte. In-
dessen war A. zu alt und schwach geworden, um
selber noch in der Kunst eine neue Richtung
praktisch anzustreben; er musste sich begnügen
die ßIIPthüIIK-J-fzc seiner Jugend zu beklagen und
die jungen Künstler zu einer vgottesfiirchtigenn
Thiitigkeit zu ermahnen.
Diese Sinnesänderung tritt schon entschieden
in einem Briefe an seinen alten Gönner Mantova
Benavides vom 13. Aug. 1573 hervor, worin er
diesem den Pater Giulio (wahrscheinlich von den
Jesuiten) empiiehlt, von seinem Wolsein und
dem seiner Gattin berichtet, zugleich aber mel-
det, dass sie beide ganz wzerlznirschtu seien niiber
den Dunst und Hochmuth, den Ehrgeiz und eit-
len Ruhm dieser Welt". So sehr beschäftigten
den Meister diese neuen kirchlichen Vorstellun-
gen, so tief wühlten sie sein Gewissen auf, dass
er sich endlich getrieben fühlte, an die Mitglie-
der der Kunstakademie ein offenes Sendschrei-
ben vom 22. Aug. 1582 zu erlassen, das eine
eigentliche Ermahnung zur Busse in der Kunst
ist (übersetzt bei Guhl, s. Literatur). Nachdem
er darin in ganz akademischer Weise Anweisung
gegeben, wie die Künstler sich zu unterrichten
und zu berathen hätten, um in der Malerei wie
in der Plastik die richtigen Regeln und Grund-
sätze der Darstellung und Behandlung zu finden,
betont er die Reue, die er über seine nackten
Figuren empfindet, und ermahnt die Künstler
niemals ein Werk zu machen, das in irgend einer
Beziehung unehrbar oder liistern sei; wobei er
ausdrücklich hinzufügt, dass er vganz nackte Fi-
gul-em meine. Auch gedenkt er seines für Gre-
gor XIII. in Pisa ausgeführten Grabmals, worin
er einen Christus zwischen den bekleideten Sta-
tuen der Gerechtigkeit und des Friedens ausge-
führt und dafür er reichliche Belohnung em-
pfangen habe: es kam ihm darauf an, den Künst-
lern zugleich die praktischenVortheile einer from-
WIHGII Gesinnung einleuchtend zu machen. Noch
iweiter geht ein zweiter Brief ähnlichen Inhaltes
(gegen 1590 geschrieben) an den Grossherzog Fer-
dinand, den Gaye im Collegio Romano zu Rom,