Giovanni Antonio Amadeo. 579
anspruchsvoller und allzu lebhafter Hintergrund Portaleinfassung vom höchsten Werthc. Auch
den plastischen Schmuck beeinträchtigt. Der die musizirenden Putten, an den Postamenten,
kleine Tempel steht daher als Baugestalt hinter welche zu beiden Seiten der Thüre weibliche
der Certosa weit zurück und mag zum Theil an Figuren tragen, sind von grosser Anmuth.
mailändische Vorbilder, jedoch mit mangelhaf- Nicht minder prächtig ist das Grabmal des
tem Verständniss der Bauten des älteren Bra- Helden im Inneren der Kapelle ausgestattet und
mante, sich angelehnt haben. Amadeo aber wer- von derselben Schönheit und Freiheit der Dar-
den wir noch in sehr nahem Verhältniss zur Stellung, namentlich in den Reliefs, bei noch
Fassade der Certosa antreffen; und der Archi- sorgsamerer Ausführung. Nur ist der Bau des
tekt, dem an dieser ein wesentlicher Antheil Ganzen nicht glücklich zu nennen; er lässt das
beizumessen ist, kann kaum der Urheber des Organische, den architektonischen Rythmus ver-
Plans zur Kapelle Colleoni gewesen sein. Das missen. Im Wesentlichen besteht er aus zwei
schliesst jedoch nicht aus, dass er an ihrer Fas- ungefähr gleich grossen Massen, aus zwei über-
sade als Bildhauer mannigfach thätig gewesen. einander an der Wandnische angebrachten Sar-
Jene Büsten freilich, deren eine auf der Rück- kophagen unter einem Baldachin , dessen Bogen
seite mit dem Namen des Meisters bezeichnet auf zwei schlanken Säulen aufsetzt. Der unter-
sein soll, gehören, wenn sie überhaupt von ihm ste ruht vorn auf zwei Säulen, hinten an die
sind, jedenfalls nicht zu seinen guten Werken. Wand anlehnend auf zwei Pilastern, alle vier
Sie stellen die Köpfe Caesar's und Trajaifs vor Stützen vonwunderlichenLöwen getragen. Uebcr
und bekunden in dem offenen Anschluss an das ihm erhebt sich auf vier kurzen Säulen der zweite,
Alterthum ihrerseits den weltlichen Carakter der der eigentliche Sarkophag, der seinerseits die
Darstellung, zeigen aber, wie Lübke bemerkt, lebensgrosse Reiterstatue des Colleoni aus ver-
einen unerfreulich harten und geistlosen Stil. goldetem Holz trägt während im Uebrigen das
Ueberhaupt sind die Rundiiguren schwächer als ganze Denkmal von Marmor ist. Letztere ist
die Reliefs und rühren wol von lombardischen erst später, nach Pasta im J. 1501 von zwei deut-
Gehiilfen des Amadeo her , wenn wir annehmen, sehen Bildhauern, Namens vSisto und Leonardos,
was nicht unwahrscheinlich, dass diesem die nach Calvi schon 1493 und zwar von einem Nürn-
p1astischeArbeit imGanzen iibertragengewesen. berger Meister, hinzugefügt; jedenfalls nicht
Dagegen verrathen die Reliefs die eigene Hand von Amadeo selber. Ob sie daher von vornherein
des Meisters. Ich führe wieder Liibke an. nDas im Plane mit einbegriifen war, ist ungewiss;
Beste sind die kleinen Reliefs, welche sich unter dieses Motiv des das Denkmal krönenden Rei-
den Fenstern dicht über dem Sockel hinziehen. ters ündetsichnamentlieh auch an älteren verone-
An den Pilasterbasen antike Gegenstände; Tha- sischen und venezianischen Monumenten, macht
ten des Herkules (oder Samson? wol eine An- aber immer eine etwas fremdartige Wirkung.
spielung auf die Thaten des Feldhanptmanns), Nach Michele hätte die Statue, wie wir oben ge-
von grosser Freiheit und Lebendigkeit, die nack- sehen, von Erz oder Marmor sein sollen, was
ten Körper trefflich entwickelt. Die übrigenDar- aber nicht anging, da diese Last für den Unter-
stellungen enthalten Szenen aus der Schöpfungs- bau zu schwer gewesen wäre; woraus sich eher
geschickte, die geistreich erfunden und frisch entnehmen liesse, dass Amadeo sein Denkmal
ausgeführt sind. Charakteristisch ist bei der auf eine solche Krönung eigentlich nicht ange-
Erschaffung Adam's das starre halbtodte Liegen legt hatte.
des noch Unbeseelten geschildert. Vortrefflich Von grosser Wirkung dagegen und mannig-
ist bei der Erschaiiimg Evafs die nachlässig faltigemReiz ist der bildnerischeSchmuck. Auch
sehluminemdeHaltungAdams; diekleine üppige hier schliesse ich mich zum Theil an Lübke's
Eva wird sanft von Gott bei der Hand ergriifen. Schilderung an. Zunächst am Sockel des unteren
Den Sündenfall sodann begehen beide, in dem Sarkophags ein köstlicher Fries nackter Kinder,
sie gemüthlich bei einander sitzen, und die welche Medaillons mit Wappenschildern und
Schlange mit Engelsköpfchen und Fledermaus- Kaiserköpfen halten und dabei in mannigfalti-
flügeln sich zu ihnen herabneigt. Die Vertrei- gem Spiel munter sich ergehen; einige davon 1n
bung aus dem Paradies ist so lebendig bewegt, meisterlieher Perspektive vonderRucksextedar-
dass man an Studien Donatellds glauben muss. gestellt, Darüber an dem eigentlichen Körper
Wie reizend sitzt nachher Eva mit dem Kinde des Sarkophags fünf Darstellungen aus der Lei-
beim Spinnen, während Adam bei der Ermah- densgeschichte; drei 311 de!" Vorderseite, 3-11 den
nung Gottes die Hacke nachlässig in der Hand Schmalsciten je eins, alle von einander getrennt
hält und fast trotzig dasteht. Der Brudermord durch Statuetten der Tugenden. Die geschilder-
Zeichnet sich durch Kühnheit und dramatische ten Szenen sind die Geisselung, die Kreuztra-
Gewalt aus; die Verkürzung des nach vorn aus- gung mit sehr reichem landschaftliehem Hinter-
gestreckten Abelistziemlichgelungen. Die ganze grund, der die Lage Bergamds veranschaulicht,
Reihenfolge gehört zu den trefilichsten Schöpfuu- die Kreuzigung, die Kreuzabnahme und die Auf-
gen der Zeit. Ausserdem ist das rein Ornamen- erstehung. Sie sind sämmtlich, die letztere aus-
tale an Pilastern, Friesen, vor Allem aber die genommen, welche auch im Uebrigen eine andere
unvergleichlich schöne Akanthusranke an der Hand verräth, in starkem Hochrelief, das zum
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