Giovanni Antonio Amadeo.
geliehenen Marmorblöcke für dieses Denkmal
bestimmt waren und seine Ausführung in jene
Zeit fiel. Eins noch scheint dafür zu sprechen.
Im Inneren des zur Kirche gehörigen Klosters
finden sich heute noch schöne Arbeiten aus ge-
branntem Thon im Geschmack der Frührenais-
sance, welche der Abt im J. 1467 herstellen liess.
Es ist wol denkbar, dass dieselben gleichfalls
von Amadeo herrühren, dieser also schon damals
im Kloster des hl. Lanfranco beschäftigt gewe-
sen und bald darauf jene monumentale Arbeit
übernommen habe. Aus dem Charakter des Grab-
mals selber lässt sich auf seine Entstehungszeit
kein sicherer Schluss ziehen; es zeigt ganz ähn-
liche Züge wie die später geschaffenen des
Meisters. Dass übrigens der Bruder Protasio
mit daran gearbeitet, erscheint nach der Inschrift,
darin sich nur Giovanni Antonio als Urheber
nennt, sehr zweifelhaft.
Die architektonische Gestalt des Grabmals ist
einfach und zeigt im Allgemeinen noch die ältere
Bauart der romanischen Denkmäler. Der Sarko-
phag ruht auf sechs schlanken Säulen von freier
Renaissanceform; darüber ein Würfel, der einem
kleinen tempelartigen Aufbau als Basis dient.
Die Seiten des Sarkophags sowol als des Wür-
fels sind mit Basreliefs geziert, wovon die des
ersteren Begebenheiten aus der Legende des
hl. Lanfranco, die des letzteren Szenen aus dem
Leben Christi darstellen. Die abenteuerliche
und ereignissvolle Geschichte jenes Heiligen,
welcher nach mancherlei Schicksalen der Rath-
geber Wilhelm's des Eroberers wurde, die Er-
laubniss zu dessen Heirat mit Matilda, der Toch-
ter des Grafen Balduin von Flandern, vom Papste
erwirkte und schliesslich als Erzbischof von Can-
terbury die englische Kirche unter einem eiser-
nen Regiment hielt, bot der lombardischen Dar-
stellungsweise, wie sie in Amadeo sich ausbil-
dete, einen vortrefflichen Stoff. Die bewegte,
malerische Anordnung und der energische Aus-
druck entschiedener Empfindungen fanden hier
ein ganz geeignetes Feld.
Aus jener Urkunde, welche die Rückerstattung
des geliehenen Marmors ausbedingt, ergibt sich,
dass derselbe für eine Arbeit bestimmt gewesen,
Welche die beiden Brüder Amadeo fürden nklei-l
nen Kreuzganga in der Certos a ausführen soll-l
ten und wol auch gleich nach der Rückgabe inl
Angriif nahmen. Es ist dies ohne Zweifel deri
plastische Schmuck an der Aussenseite der Thüre,
welche vom südlichen Querschiif in's Kloster
führt. An ihrem oberen Querbalken findet sich
die Inschrift: IOANNES ANTONIUS DE AMADEIS
FEOIT OPUS. Darnach also wäre die ganze Aus-
stattung der Thüre, welche wol in die J. 1470 u.
1471 fallt, da der dafür bestimmte Marmor im
Mai 1470 zurückzugeben war lediglich das
Werk des Giovanni Antonio; doch ist wahr-
scheinlich, da an manchen Stellen, wie z. B. in
den Ranken, eine schwächere Hand sich zeigt,
dass sich Protasio als Gehülfe an der Arbeit be-
M e y e r . Künstler-Lexikon. I.
theiligt habe. Ich führe weiterhin Lübke an,
der erst neuerdings über verschiedene Werke
des Amadeo näher berichtet hat (s. d. Literatur).
Die zierlichen Putten in dem ansteigenden Blät-
terwerk an den Pilastern der Thürpfosten , in
feinem Flachrelief ausgeführt, bekunden den
schon vollendeten Meister der Renaissance, eben-
so an der äusseren Einfassung die Engel, kla-
gend und die Marterwerkzeuge haltend, im wirk-
samsten Gegensatz fast frei im kühnsten Hoch-
relief gehalten. An der Oberschwelle der Thüre
setzt sich diese Darstellung fort und schliesst in
der Mitte mit einer Pieta. Darüber im Bogen-
feldc eine thronende Madonna mit dem Kinde
von knienden Mönchen verehrt, hinter diesen
Johannes der Täufer und der hl. Hugo in Bi-
schofstracht; auf der Thronbrüstung kleine En-
gel. Die Darstellung zeigt den Stil des Mei-
sters auch in seinen einseitig lombardischen
Eigenschaften, der scharfbrüchigen Gewandung
und der bisweilen an Härte streifenden Bestimmt-
heit der. Zeichnung. Jedoch ist hier der Aus-
druck, wie es der Gegenstand mit sich brachte,
maßvoll gehalten, und wie Lübke bemerkt, die
Bildung der Engel voll Lieblichkeit, die der
Madonna und des Kindes von edler Einfachheit.
Ob die an der Innenseite der Thüre (der Kirche
zu) angebrachte Pietä. ebenfalls von Amadeo
herrühre, erscheint zweifelhaft; sie hat mehr von
der Härte und Bewegtheit der Mantegazza.
II. Die Grsbdenkmäler in Bergamo.
Bald darauf, wol noch im J. 1470 entstand ein
Werk des Meisters, das bedeutender als die Thüre
der Certosa zu seinen hervorragendsten Arbeiten
und zu den schönsten Grabmälern Italiens über-
haupt zählt. Es ist das Denkmal der Medea
Colleoni , jetzt in der Kapelle C oll eoni neben
der Kirche S. Maria Maggiorc zu Bergamo.
In jungen Jahren war Medea, die Tochter des
berühmten Condottiere Bartolomeo Colleoni, ge-
storben (1470) ; der Vater berief Amadeo, um ihr
in der Dominikanerkirehe zu Basella (in der Nähe
von Bergamo), wo Colleoni zugleich ein kleines
Kloster gründete, ein Denkmal zu setzen. Die
Form desselben ist einfach , nach der Weise der
Grabmonumente, die damals auch zu Florenz
und Rom gebräuchlich war. Der Sarkophag steht
in einer Wandnische ; diese ist von zwei Pilastern
mit ihrem Architrav eingerahmt, von welchem
zwei aufgeschlagene Vorhänge , das Denkmal
gleichsam enthüllend, herabhängen; das Ganze
getragen von Konsolen mit drei kräftigen Putten.
Gehalten ist der Sarkophag von drei geiiügelten
Seraphköpfen; an der Langwand desselben zwei
Wappenschilder in Kränzen, in der Mitte ein
Ecce Homo zwischen zwei klagenden Engeln in
Flachrelief. Obenauf ruht, still ausgestreckt und
die Arme über die Brust gelegt, in den iliessen-
den Falten eines reichgestickten Gewandes die
Gestalt der Verstorbenen; "die Gesichtszüge sind
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