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Alsloot.
Frauen und Kinder auf diesen beiden Bildern
ist nicht zu berechnen: man kann die Zahl auf
mehrere Tausende angeben. Der Künstler hat
sie alle durchgängig mit Sorgfalt gezeichnet und
ausgeführt und ihnen eine grosse Mannigfaltig-
keit der Haltung gegeben. Die Fenster und
Strassen wimmeln von einer dichten ilienge,
welche mit grosser Mühe Teufel, mit Geisseln
bewaffnet, zuriickdrängen. Für die Trachten
sind diese Schildereien von grösstem Interesse.
Die Zünfte und Genossenschaften von Brüssel
waren verpüichtet, jährlich vier Prozessionen
beizuwohnen; in den Bildern von Van Alsloot
ist ein solcher Aufzug dargestellt, sehr wahr-
scheinlich der der Kirche zur hl. Gudula, welcher
allein über den vGrossen Platze sich bewegte.
Der Madrider Katalog irrt, wenn er die Prozes-
sion als die Unserer Lieben Frau zum Rosenkranz
bezeichnet; diese gab es nicht in Brüssel; ebenso
wenig ist es die Prozession genannt der nOmme-
gangii oder der Kirche du Sablon. Beide Bilder
sind bezeichnet: DENIS. ü. ALSLOOT. 1616.
In den Archiven desKönigi-eichs (Belgien) habe
ich verschiedene Urkunden entdeckt, welche sich
auf die Ausführung dieser Gemälde beziehen.
In einer derselben heisst es, dass 1615 und 1616
in verschiedenen Malen bezahlt wurde I a. Dionis
Van Alsloot la somme de V1" livres, du pris, de
xl groz , monnoye de Flandre, la livre, sur et a
bon compte de ce que luy sera den pour la
painture de huict grandes pieces eontenant la
proeession tenue a Bruxelles Pan XVIß quinze,
a la (ledicasse illecg que Madame la serenissime
Infante at faict tirers. Eine andere Urkunde be-
sagt, dass vles peintres qui ont entrepris de faire
lcs pourtraictz de la gulde du grand Serment et
ce que en depcndq, in demselben Jahre auf ihr
Gesuch 30 Livres erhielten, um das Fest des hl.
Lukas zu feiern. Diese Maler werden ander-
wärts die Diener von Denis Van Alsloot genannt.
Aus diesenZeugnissen erhellt, dass dieser die Ge-
mälde auszuführen hatte, welche sich auf das Arm-
brustschiessen im J. 1615, das die Infantin Isa-
bella veranstaltete, und auf die Prozession der
Gilden und der Innungen der Stadt bezogen.
Auch ersehen wir daraus , dass Van Alsloot an-
dere Maler herzuzog, was die Verschiedenheit
der vier Bilder des Briisseler Museums erklärt.
Nicht nur wegen der geschichtlichen Wich-
tigkeit dieser Gemälde bin ich näher auf ihre
Einzelheiten eingegangen, sondern um zugleich
zu zeigen, dass die beiden Bilder des B rü s s e l er
Museums, welche dieselben Gegenstände ver-
anschaulichen, nicht Werke des Antony Sallaert
sein können, dessen Namen sie bis auf den heu-
tigen Tag tragen. Die Arbeiten des Letzteren,
welche das Brüsseler Museum besitzt, zeigen
keine Verwandtschaft mit denjenigen des Van
Alsloot: diese übertreßen die Bilder Sallaerfs;
sie sind besser gezeichnet und mit grösserer
Feinheit gemalt. Nach den in Rede stehenden
Werken zu urtheilen, wäre Sallaert unter die
mittelmässigen Künstler zu rechnen, wenn er
auch einen kräftigen Vortrag hatte, während
sich dem Maler der Bilder mit dem Zuge der
Innungen zu Brüssel ein wirkliches Talent nicht
absprechen lässt. Die fraglichen Bilder sind
unzweifelhaft ächt und ganz ähnliche Wieder-
holungen derjenigen zu Madrid. Werke von die-
ser Bedeutung können keine Kopien sein. Die
oben erwähnten Inschriften finden sich auch hier
vor, mit einigen Abweichungen in der Recht-
schreibung der Zunftnamen. Auch sind sie von
gleichem Umfang wie die Bilder zu Madrid, aber
nicht, wie diese, bezeichnet. Ich bin sehr geneigt
anzunehmen, dass die Gemälde des Briisseler
Museums dieselben sind, welche Isabella um
1600 Pf. fiandrischer Groschen von der Nichte
Van Alslo0t's 1626 gekauft hatte, und dieser
Preis zeigt, dass es sich nicht um gewöhnliche
Schildereien handelte. Für jene Annahme spricht
auch die beglaubigte Nachricht, dass die Bilder
im Schlosse Tervueren bei Brüssel, der fürst-
lichen Residenz, den Speisesaal zierten, zur Zeit
als der Maler J. B. Mensaert, der sie als Werke
Sallaerts bezeichnet, sein Buch herausgab, (l. h.
im J. 1763. Als die Heere Ludwigs XV. Bel-
gien erobert hatten, waren die Bilder im Juli
17 46 in den Palast zu Brüssel geschafft worden,
wahrscheinlich um mit vielen anderen nach Pa-
ris gesandt zu werden, wie es mit den schönen
Handschriften der Bibliothek von Burgund ge-
schehen war. Zum Glück wurde der Raub nicht
vollführt; sie kehrten nach 'l'ervueren zurück,
wo sie der Maler G. J. de Looze in dem grossen
Saale im Mai 1781 wiederfand , als er nach dem
Tode des Prinzen Karl von Lothringen das In-
ventar der herrschaftlichen Gemälde aufnahm.
Die Ueberlieferung schrieb sie dem Sallaert zu;
de Looze folgte derselben, und so werden sie noch
heutzutage jenem Meister beigemessen. Zur Zeit
der Franzosenherrsehaft wurden sie auf einen
Speicher verwiesen, als zu unbedeutend, um nach
Paris gebracht zu werden; erst 1811 sind sie in
dem Museumskataloge des Dyledepartements zu
Brüssel verzeichnet.
Das anfangs erwähnte Bild Van Alsloots im
lBrüsseler Museum stellt das Schloss und
den Park von Mariemont bei Binche (von den
Franzosen bei dem Einfalle im J. 1794 ver-
brannt) aus der Vogelperspektive dar. Man liest
darauf in drei Zeilen die folgende Bezeichnung
DENIS XX ALSLOOT S : S: ARCHIDVCVM P:
1620. (Serenissimorum Archiducum Pietor). Im
Vordergrunde Albert und Isabella in einem
sechsspännigen Wagen von einer Abtheilung
Wache zu Pferde gefolgt, hinter dieser mehrere
andere Wagen mit Damen aus dem fürstlichen
Gefolge, denen Iierren zu Pferde und Bediente
zu Fuss das Geleit geben. Die Figuren sind in
der Art der erwähnten Prozessionen.
Auch im M u s c u m zu N a nte s ist ein Gemälde
von Van Alsloot, das erst 1850 erworben wurde"
Nach dem Katalog von 1856 und dem Bericht