Volltext: Aa - Andreani (Bd. 1)

 
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lung gymnastisch ausgebildeter Körper. Zudem dig verloren; seine helle und in's Kalkige spie- 
fehlt es nicht unter den Teufeln an geschmack- lende Färbung, oft in der Karnation nur mit 
losen Zuthaten, an Ungethümen mit hängenden Roth wie geschminkt, dient bloss dazu, den pla- 
Brüsten und dergLSo urtheiltefreilich die eigene stischen Charakter der Formen überall recht 
Zeit des Künstlers nicht, die wie wir ja auch deutlich hervorzuheben. Da aber doch die feine 
von Vasari wissen, jede Virtuosität der Darstel- Abtönung in die Schatten fehlt, so mangelt den 
lung bewunderte. Bocchi (s. die Literatur), der Körpern die Rundung. Ein solches Kolorit hat 
das Bild ausführlich beschreibt, weiss es nicht natürlich Nichts von Stimmung und malerischen: 
genug zu rühmen und zu erheben. Er berich- Reiz. Nur ausnahmsweise ist sein blonder hel- 
tet uns auch , dass darin der Meister einige sei- ler Charakter nicht ganz (ihne Anmuth. Die Be- 
ner Zeitgenossen und Freunde durch ihre Bild- handlung ist sehr geschickt, mit Fleiss und 
nisse verherrlicht habe; so seinen Lehrer Pon- Sorgfalt verschmolzen, hat aber etwas allzu 
tormo (neben Johannes dem Täufer) , den Poe- Glattes und Gläsernes. 
ten Gio. Batt. Gelli und einige schöne Frauen, Nieht viel Wirksamer sind die niytheleei_ 
darunter die Gattin des Gio. Batt. Doni. Auch sehen nnd elleeerisehen Darstellungen des 
in den anderen religiösen Tafeln Bronzinds zeigt Meisters r deeh i-end hier seine Neigung zn neek_ 
sich dasselbe manierirte Formenspiel; sein Chri- ten Formen ein günstigeres Feld Für die Giit- 
stus vor Magdalena (im Louvre) geht in der tän" tinnen des Alterthums, wie insbesondere die 
zerhaften Bewegung der Figuren bis in's Grot- Sniit_Reneissnnee sie sieh Verstellte] wer. die 
teske. Uebrigens stiess sich die Kirche nur an Kiirnersehönlieit in mannigfaltiger Bewegtheit 
der Nacktheit der Figuren; dass in allen, auch deeh die Hauptsache; nnd die allgemeine vor- 
den bekleideten, nicht mehr der kleinste Rest liebe für dergleichen Bilder kam dem Künstler 
von religiöser Empfindung war, merkte sie gar anregend enteegeir Aneh Wer Bronzino hier 
nicht. Es ist bezeichnend, dass in derselben eher heniiiht netiirliehe Anninth in die Bewe_ 
Kirche S. Croce, darin die Darstellung des gnnezn bringen. wnsihrn i-reiliehwenie gelang, 
Christus in der Vorhöllc verdammt wurde, da 31' andrerseitls das Gewaltsame und Unge- 
ellle liietä desselben Mnlsliers bel den All" wöhnliche der Stellungen nicht aufgeben wollte. 
dachtlgen glnsse Verehrung fand: Obwol S19 Denn auch hier war es ihm darum zu thun, seine 
dasselbe weltliche und manierirte Wesen zeigte. Kunst sein Verstiindniss der Ferrn Zn zeigen 
 Etwas elflenllcllel als jene Blldel" Slnd Bezeichnend vor Allem für diese Gattung seiner 
seine Darstellungen der Madonna, der hl. Fa- Werke ist des sehen erwähnte Bild der Lene 
lnllln (lm BelVedeTC Zn Wlenl und der Vel" doner Nationalgalerie; Venus und Amor sich 
kllndlgnng (in den Ufflzlßll), da hier Gnbnrde liebkosend. Die Göttin halb sitzend mit unter- 
und Stellung einfacher gehalten sind; allein ohne geschlagenen Beinen irendet den Oberkörper. 
Mnnlel sind auch Sie nlßnt- mit höchster Gelenkigkeit, um den Kuss von 
Diesen Nacktheiten aber einen zweideutigen Amor zu empfangen, der sich seinerseits gleich 
Reiz zuzuschreiben, ist schon desshalb irnge- einem vollendeten Gymnasten ihr zuwindet. Man 
rechtfertigt, weil der Künstler, auch in seinen hat behauptet, das Motiv sei einer Zeichnung 
jungen Frauen und Kindern, es zum Reiz iiber- des Michelangelo entnommen, von dem bekannt- 
haupt nicht brachte. Nicht bloss, dass dieser lich eine ähnliche Darstellung in verschiedenen 
nicht in seiner Absicht lag; sondern das Anmu- Wiederholungen (Kopien) sich findet; doch ist 
thige und Reizende, welcher Art auch, lag nicht die Anordnung des Bronzino zu manierirt, um 
in seinem Talente. Eine gewisse akademische von Michelangelo hcrzuriihren, und überdies 
Strenge und Härte ist in ihm ein vorwaltender hätte Vasari eines solchen Umstandes sicher ge- 
Zug; und insofern meinte Lanzi nicht mit Un- dacht. Die der Szene beigegebenenallegorischen 
recht, dass seine Kirchcnbilder weit besser in Figuren beschreibt Vasari nicht ganz richtig. 
eine Zeichnungsakademie nach dem Nackten als Die Freude streut über die Hauptgruppe Rosen 
über einen Altar passten. Schon die Festigkeit aus; hinter Venus stehend deckt Die Zeit Die 
und Bestimmtheit der Form, auf welche er aus- Eifersucht auf, während eine andere Gestalt  
geht, bedingt eine gewisse Härte der Erschei- vielleicht Die Leidenschaft  dem zärtlichen 
uung, welche das Reizvolle ausschliesst. Beson- Paar eine Honigscheibe darreicht, zugleich aber 
ders seine Männeriiguren sind öfters wie aus Holz mit einem Stachel droht. Derartige moralische 
geschnitten. Dazu sind seine Kompositionen Anspielungen liebte die Zeit, ohne es gerade sehr 
meistens überhäuft, um den Körper möglichst ernst damit zu nehmen; denn sie gaben im 
von verschiedenen Seiten zu zeigen; ein Prun- Grunde nur willkommenen Anlass zu weiterer 
ken mit Formen, das von vornhein eine wärmere Entfaltung nackter Formen.  Die Häufung der 
Wirkung unmöglich macht. Stärker noch tritt Figuren in knappem Raume findet sich auch auf 
diese Kälte und Nüchternheit der Empfindung diesem Bilde. Die Kunst der Anordnung sollte 
in der Malerei des Meisters zu Tage. Die hohe sich darin zeigen, dass auf enger Fläche mehrere 
Ausbildung des Kolorits, welche für die Floren- Körper, ineinander sich fiigend, ihren passenden 
tiner Fra Bartolommeo und Andrea del Sarto Platz ünden; was dann wieder Anlass gab ihre 
erreicht hatten, ist bei ihm wieder fast vollstän- Glieder mannigfach zu drehen und zu wenden. 
Meyer, Künstler-Lexikon. I. 63
	        
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