Antonio Allegri. 435
unzweifelhaft, und zwar wahrscheinlich, wie
der Text (xvn) schon angegeben, für die
Grafen Prati zu Parma; allein ob das in
London befindliche Gemälde mit diesem das-
selbe ist, steht sehr in Frage. Man hat es
dafür ausgeben wollen. Sicher ist nur, dass
das Londoner Bild aus der Sammlung Co-
lonna zu Rom stammt; keineswegs aber,
dass es, wie man öfters gemeint hat, in diese
Sammlung aus dem Besitze der Grafen Prati
übergegangen. Um zu einem deutlichen Er-
gebnisse zu gelangen, welches Verhiiltniss
beide Bilder zu einander einnehmen, ist auf
ihre Geschichte so weit wie möglich zurück-
zugehen.
Schon gegen Ende des 16. Jahrh. treten
zwei ganz gleiche Darstellungen des Eece
Homo, und zwar beide als Originale, auf.
Das Eine, dasjenige im Besitze der Grafen
Prati, das 1587 von Agostino Caracei ge-
stochen wurde; das andere im Hanse von
Francesco und Lorenzo Salviati zu Florenz,
dessen 1591 Bocchi (Bellezze di Fiorenza,
p. 187) als eines ausgezeichneten Werkes
des Meisters erwähnt. Dass ersteres noch
um die Mitte des 17. Jahrh. jener Familie
gehörte, bezeugt Scannelli (s. Text); dieser
gedenkt auch des anderen Bildes (Micro-
cosmo etc. p. 284), das damals noch bei den
Herzögen Salviati zu Florenz war, und fügt
eigens hinzu, dass es geringer sei als das-
jenige der Grafen Prati. Doch spricht er
keinen Zweifel an seiner Aechtheit aus. Nun
lässt sich aber die Geschichte dieses Bildes
der Salviati mit ziemlicher Gewissheit ver-
folgen (s. Coppi, unter der Literatur); und
dieselbe ergibt dass es das Londoner Bild
ist. Einer der Salviati, der Herzog Giaeomo,
beschreibt in seinem Testamente vom J. 1668
35 Bilder namhafter Meister, darunter zwei
von Correggio: Eine Leda (wovon später)
und vUn Quadro in tavola di Iun Ecce homo
con la madre svenuta retta dalla Madda-
lena; Pilato ehe Paccenna, ed un soldato.
Mano del Correggio; alto palmi 41,2 e largo
palmi 3, 7a. Also ganz dieselbe Darstellung
wie die von Ag. Caracci als Eigenthum der
Grafen Prati gestochene und wie das in Lon-
don befindliche Bild. Diese Gemälde sollen
dann im J. 1718 an die Familie Colonna
nach Rom übergegangen sein, in Folge einer
Heirat, welche einer derselben mit einer Sal-
viati einging. Als nach dem Tode dieses
Colonna der Maler Pompeo Battoni das In-
ventar der von ihm hinterlassenen Kunst-
werke aufzustellen hatte, bemerkte er zu
beiden Bildern von Oorreggio: wund heut-
zutage gelten sie für Kopien". Demgemäss
setzte er auch ihren Werth an, indem er
Das Ecce Homo auf 200 Saudi schätzte.
Beide blieben noch einige Zeit bei dem
Hause Colonna; im Kataloge dieser Samm-
lung von 1783 sind sie noch verzeichnet. Da
aber im J. 1798 der Fürst Colonna eine
Kriegskontribution von 80,000 Seudi zah-
len musste, sah er sich genöthigt einige Bil-
der zu verkaufen, darunter Das Ecce Homo.
Zunächst soll es ein Giovanni de" Rossi er-
worben, und dieser es an Murat als König
von Neapel überlassen haben. Andrerseits
wird berichtet (Passavant, Christliche Kunst
in Spanien, p. 152), es sei nach Spanien ge-
kommen in den Besitz des Herzogs von Alba
und erst aus dessen Sammlung (mit der Er-
ziehung des Amor) an Murat. Von dessen
Wittwe kaufte es in Wien (nebst dem Letzte-
ren) der Marquis von Londonderry; worauf
dann aus der Hand desselben beide Bilder
durch Parlamentsbeschluss um den Preis von
11,500 Guineen für die Londoner Galerie
erworben wurden.
Nach diesen glaubwürdigen Nachrichten
wäre also das Londoner Bild dasjenige der
Salviati , das von Anfang an für geringer
galt als das der Prati und wol nur eine gute
alte Kopie war, wofür es auch zu Batt0ni's
Zeiten gehalten wurde.
Andrerseits wird aber von Pungileoni (I1.
162), allerdings nur wie von Hörensagen,
berichtet, dass Einer der Grafen Prati , um
eine Schuld heimzuzahlen , das Bild um
5000 oder 6000 Scudi an das Haus Colonna
verkauft habe und das seitdem im Besitze
der Prati als Original angeführte Ecce Homo
nur eine damals gemachte Kopie sei. Wäre
dem so, so müssten die Colonna zwei Ecce
Homo, beide als Werke des Correggio, be-
sessen haben : wovon sich nirgends eine Spur
Endet. Daher muss jene Aussage als gänz-
lich unverbürgt auf sich beruhen bleiben
und als ausgemacht gelten, dass die aus dem
Palaste Colonna nach London gekommene
Darstellung das Bild der Salviati ist.
Was aber ist aus dem unzweifelhaft äch-
ten Bilde der Prati geworden? Allem An-
schein nach ist es verschollen. Nach Tira-
bosehi (Biblioteca Mod. VI. 284) ist diese Ta-
fel nebst der ganzen Erbschaft der Prati an
die Familie der Marchesi dalla Rosa gekom-
men, was auch von Pungileoni bestätigt wird.
Und in der That steht aus alten Inventar-ver-
zeichnissen der Familie dalla Rosa fest, dass
in ihren Besitz mit der Erbschaft der Prati
(wahrscheinlich um oder nach 1700) ein vEcce
Homo von der Hand des Correggioa über-
gegangen war. Das Bild wurde in beiden
Familien sehr hoch gehalten; noch in einem
Inventare der dalla Rosa vom 11. März 1719
findet es sich angezeigt: nein Gemälde mit
einem vergoldeten Rahmen mit dem Bild-
niss eines Ecce Homo, der Madonna, hl. Ma-
ria Magdalena und anderen Figuren von der
Hand des Correggiow. Tiraboschi aber er-
zählt weiter, ein Pier Luigi dalla Rosa
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