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iäßllllmiiz,
das äehte Künstlerische seiner Darstellung auch
diese sinnliche Welt in das Ideale erhob. Vor
Allem aber ist zu bedenken, dass er mit solchen
Bildern nur vollzog, was in der Mal erei s elbst
als ihr letztes Ziel lag. Indem diese Kunst
neben der Form der Dinge und dem Ausdruck
der Seele zugleich den sinnlichen Schein fest-
hält, bringt sie in diesem nicht minder das In-
nenleben des geschilderten Vorgangs zu Tage.
Dann aber kann sie auch den Moment nicht aus-
schliessen, wo die Seele in der Sinnlichkeit ganz
aufgegangen und in der Steigerung derselben
zur höchsten Kraft und Lust des Daseins mit ihr
zusammentriift. Hier ist ja dieser sinnliche
Schein weit entfernt der blinde Ausdruck!
eines rohen Triebes zu sein vielmehr dessen
Gegentheil: vergeistigt, vom inneren Leben
durchdrungen und ebendesshalb zu seiner höch-
sten Schönheit gesteigert. Eine Schönheit und
Lust der Sinnlichkeit ohne Schuld und Reue;
die Fabel von der Vertreibung aus dem Para-
diese kennt sie nicht. In dieser Auffassung be-
rührt sich Correggio ebenso mit der Antike, wie
er sich von der christlichen Vorstellung ent-
fernt; doch ist er nicht minder modern, indem
er das volle Mitleben der Seele zum Ausdruck
bringt. Zugleich erreicht hier die Malerei einel
ihrer höchsten Wirkungen.
Lebens
ters.
hindrängenden
Richtung
des
Zeital-
Hier auch zeigt sich am deutlichsten jene Ei-
genschaft des Meisters, welche schon Kugler
hervorgehoben (Geschichte der Malerei. 2. Ausg.
11. S. 9) : die Fähigkeit des Ausdrucks gestei-
gerter Empfindung, der tieferen Seelener-
regung. Dies ist nicht so zu verstehen, wie wenn
der Maler Gemiithsbewegungen schilderte, de-
ren Prozess, seiner Natur nach innerlich, nur
ahnungsvoll aus der Erscheinung hervorleuchte.
Sondern was der Maler darstellt, ist gesteigertes
Leben, dessen Inhalt vollständig in die Sinnlich-
keit heraustritt, aber auch diese in tiefer Erre-
gung erhält (eigcnthüiulieh spricht sich dies auch
aus in der ausdrucksvollen Bewegtheit seiner
Hände). Das ist wieder das Malerische: die Er-
scheinung, in welcher der Inhalt sich nicht zu
fester Form beruhigt hat, sondern auf dem
schwebenden Uebergange aus der Seele in den;
Körper beide in Fluss und Bewegung erhältÄ
Man mag dies wol , wie Bilrckhardt gethan, be-,
wegtes Leben in sinnlich reizender Form nen-
nen; allein eben dies war fiir des Meisters An-
schauung der Inhalt der Welt, soweit er sie zu
schildern unternahm, und nichts ungerechter als
ihm unterschieben, dass er gleichgültig jeglichen
fremden "Inhalte als Siusserlichen Anlass fiir
seine künstlerischen Zwecke ergriffen. Sondern
in Allem, was er erfasste, fand er jene gestei-
gerte Lebenslust, die ihren ivahren Ausdruck
nur in jener Form fand. Die tiefe Berech-
tigung einer solchen Auffassung lag SOWOl in
der nothwendigeu Entwickelung, welche die
Malerei genommen, als in der weltlichen, zur
harmonischen Schönheit auch des äusseren
Man sieht, wie die Eigenthiimlichkeit des
Meisters in nahem Zusammenhange steht mit der
Ausbildung des Malerischen, welche sich
als eine bestimmte Entwickelung der modernen
3Kunst in ihm vollzieht. Dass er von gewis-
jscn architektonischen und plastischen Gesetzen
sich IOSSäLgtG, welche bislang den Charakter
der Malerei bestimmt hatten, ergab schon der
Verlauf der Darstellung. Damit aber hat er
nichts weiter gethan als der Malerei zu ihrem
vollen Rechte verholfen, und nichts ist irrthiim-
licher, als aus diesem Gesichtspunkte von ihm
den Anfang des Kunstverfltlls abzuleiten. Aller-
ldings ist jene Loslösung von den Gesetzen der
architektonischen und plastischen Axiordnung,
sofern sie die Grundlage der monumentalen
Kunst bilden, dennoch ein Verlust. Der Zusam-
menhang der drei Schwesterkiinste auch in dic-
sem Sinne, dass jede gewisse Eigenschaften der
beiden anderen in sich vereinigt, bezeichnet zu
allen Zeiten jene Gesammtbliite der Kunst,
welche in monumentalem Sinne die Ideale der
lEpochen versinnlicht. Allein es liegt in der Na-
tur der Malerei, dass gerade sie, an solchem
Bande festgehalten, ihre höchste Blüte nicht er-
reicht. Daher vollzieht sie jene Loslösungg gibt
aber für die Kunst überhaupt Manches auf, in-
dem sie für sich Vieles gewinnt. Nur in diesem
Sinne lässt sich sagen, dass ihre Ankunft auf
dem Gipfel zugleich der erste Schritt zum Herab-
steigen sei. Denn unter jener Loslösung leidet
bald auch sie selber. Auf jenem Höhepunkte
aber, da sie eben ihre volle Selbständigkeit er-
reicht, steht sie in dem glücklichen Augenblick
ihrer Blüte, welche fiir jenen einzigcnlVel-lust
monumentaler Feierlichkeit reichlichen Ersatz
gewährt.
Correggio zuerst machte in Italien Ernst mit
idem Prinzip, dass die Malerei auf der Fläche die
volle Ausdehnung des Raums der Tiefe
nach darzustellen habe. Zwar waren längst
schon vor ihm die Regeln der perspektivischen
Verkürzung, auch der Abtönung der Dinge in
Licht und Luft ausgeübt worden. Allein letztere,
die malerische Perspektive, hat erst Er zu ihren
letzten Folgen ausgebildet. Zunächst bewog ihn
die Darstellung der Formen unter den bestimm-
ten Bedingungen ihres Seheinens in Licht und
Luft zu einer anderen Anordnung und Gruppi-
rung der Figuren, als vor ihm gebräuchlich ge-
wesen. Bisher hatte man, auch wenn die Figu-
ren der Tiefe zu vertheilt waren, sie doch nach
einer gewissen Symmetrie, immer mehrere auf
einem und demselben Plane angeordnet und so
durch das Nebeneinander der (iruppirung div
Vertiefung beschränkt. Dadurch konnte man de1'
Komposition einen wol gemessenen Rythmllß
der Linien geben, der mit der Festigkeit des ar-
chitektonischen Baus noch Manches von dem
schönen Fluss der plastischen Kunst hatte. Die"