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Antonio Allegri.
überlegten Sinnlichkeit entartet. Mit dieser wickelten Geschichte des Bildes, darin öfters
Kunst und ihren Zwecken haben die Meister der eine Kopie mit dem Original verwechselt wird,
guten Zeit nicht das Mindeste zu schaffen; unbe- steht nur so viel fest, dass es frühe nach Spa-
fangen stellen sie die sinnliche Schönheit und ihr nien gekommen (s. Verz. a) N o. was also jener
gesteigertes Leben dar, weil hier die malerische Vermuthung wenigstens nicht widcrstreitet. Das
Erscheinung den höchsten Zauber erreichen Original befindet sich im Belvedere zu Wien;
kann. Und vor Allem Corrcggio. Auf diesem die alte gute Kopie, von Interesse auch durch
Felde übertrifft er alle Meister, indem er am das Schicksal das sie in den Händen des fröm-
Weitesten geht im Ausdruck sinnlicher Erre- melnden Herzog's von Orleans erfahren, im Ber-
gung, bis zu den Wallungen des Rausches, und lin er Museum (s. Verz. b) N0. 67).
doch ganz unbefangen blelbt: Well 61' knlnen Weiter als es hier Correrggiu gethan, kann die
Angenbllßk aufhört Seinen Sinn" lnnlßllsnll Zn Kunst in der Darstellung sinnlicher Lust und
Seilen und Zn behandeln. Schönheit überhaupt nicht gehen. Fast ganz
Natürlich kamen dem Streben der Malerei, das vom Rücken gesehen, der Oberkörper etwas zu-
Leben von dieser Seite wozu ihr die Sagen rückgelehnt, sitzt auf einem kleinen Erdhügel
des Alterthums die günstigsten Stoffe lieferten- die völlig nackte J o; sie allein hervorleuchtend
zu schildern, die Ansprüche der Besteller, die aus dem nebeligen Gcwölk, das rings sie umgibt
Neigungen und Anschauungen der gebildeten und auch die Landschaft nur wie im Dämmer-
Klassen entgegen. Die weltliche Ausstattung licht hervortreten lässt. Kaum ist das Haupt
der Paläste, die Freude am schönen Formenspiel Jupiters, dessen Lippen sich auf die ihrigen hef-
uud an dem heiteren Kultus der Antike, das Ver- ten, in den umhüllenden Wolken erkennbar; so
ständniss und die reich vorhandenen Mittel für auch seine Hand, welche wie aus einem Nebel
gebildeten Genuss des Lebens, das Alles berei- sich gestaltend ihren Leib oberhalb der Hüfte
tete den Boden, daraus jene Kunstgattung natur- umfasst. J o hält mit der einen Hand die Wolke
gemäss aufwuchs. Auch Oorreggio erfuhr diese umschlungen, welche den Geliebten birgt. Un-
aus den allgemeinen Sitten und Zuständen llef- besehreiblieh ist im Uebrigen die höchst aus-
vorgehende Anregung; eine fürstliche Bestellung di-ugkgvollg Hrritnng der Giinder; das an, Boden
hat wenigstens zu zweien seiner hierher gehöri- im seichten Quell mit den Zehen aufgcstützte
gen Werke die Veranlassung gegeben. Wol wer- Bein, das den Körper der Umarmung entgegen-
den ihm die Gegenstände der Darstellung nicht hebt; der vom Leib weggehrritene Arm, der bis
genau bestimmt äelvesen Sein; allein llnlßlnlßßll, in die Fingerspitzen die Hingebung, die Erre-
mythologisch wird sie der Herzog Federigo Ver- gung, die alle Formen durchzittert, versinnlicht;
langt haben. Denn dass diese Stoffe der Herr das seitwärts stark zuriickgeneigtc Antlitz end-
von Mantua vor Allem liebte, erhellt auch aus lieh tmit goldigem Haar und zartröthlichcr
den Aufträgen, welche Giulio Romano für ihn Wangen voll Reiz der siissesten Empfindung; so
ausfiihrte. Und wenn Correggio die anmuthigen ausdrucksvoll, meint Mengs, dass wenn man ta-
Liebesränke Jupitens wählte, so folgte er WOl deln wollte, es eben diese eindringende Wahr-
einem Naturzuge des eigenen Talentcs, wusste heit des Ausdrucks wäre. Noch wird am Rande
aber Ohne Zweifel Zugleich, dann Snlelle DeYSfel" des Bildes der Kopf einer Hirschkuh sichtbar,
hingen dem fürstlichen Auftraggeber wie dem die zum Trunk zum dunkeln Quell sich neigt.
kaiserlichen Empfänger willkommen sein wür- Sicher nicht eine Anspielung auf die Verwand-
den. Auch das übrigens bezeichnet jene merk- lung J0's in die vschimmernde Kuhu, noch, wie
würdige Zeit, dass der Fürst ein solches Ehren- man auch geglaubt hat, auf das Verlangen der
geschenk für den hellen Gönner wählte: so un- Liebe; vielmehr eine Zuthat, welche den Vor-
befangen der Künstler solche Vorgänge, die man gang als Fabel einen ungetrübten Ngrtnrlgbens
heutzutage zum Mindesten als verfänglich an- der Wirklichkeit noch weiter gntrückp Dies
sehen würde, damals malte, ebenso arglos wur- thut auch die Behandlung, wenngleich andrer-
den dergleichen Bilder alsKunstwerke, auf deren seits die Naturwahrheit der Darstellung so weit
Besitz man stolz war, von den grossenHcrren be- als möglich geht. Ganz aufgelöst ist der sinn-
stelltundentgegengenommen. Beweisgenugßass liche Schein der Lokalfarbe in dem feinen Ele-
fiir sie die Gemälde das Zweideutige und Unreine ment des Tons; auf dem schönen Körper spielen
nicht hatten, das in ihnen bisweilen eine kurz- verkliirend das Lieht und der milde Schimmel"
siehtige und nüchterne Kritik der Neuzeit finden des Helldunkels, und mehr noch als der Aus-
möchte, und das allerdings die moderne Kunst druck wirkt das Leuchten der Formen, darin die
mit solchen Darstellungen gern verbindet. Blutwürme des Fleisches wie vergeistigt ist, anS
Der an Karl V. gesendeten Bilder waren der dem umgebenden Dunkel, das in seinen Schaf"
allgemeinen Angabe nach zwei; doch ist öfters tnn nllnll die Gestalt des Gottes birgt. Lelfler
behauptet worden, dass noch ein drittes diesen hat flnn Bild Sei" gelitten und lässt nl" min
verwandtes Werk des Meisters, Die J o, für den Thell nncll erkennen, WnS es einst gnlvesen Sei"
Kaiser bestimmt gewesen oder doch in seinen muss-
Besitz übergegangen sei. Irgend eine verlässige Die beiden für Karl V. bestimmten Bilder be"
Kunde ist darüber nicht erhalten. Aus der ver- zeichnet Vasari als nEine nackte Leda und Eine