410 Antonio Allegri.
Natur die ganz Leben ist und doch die Begierde chen Körper anzupassen wusste, ist von jeher
der Wirklichkeit von sich abhält. Unstreitig ge- anerkannt worden; Mengs findet sie mit dem
hört das Bild in dieser mittleren Periode des Fleische auf das Natürlichste vereinigt, wie
Meisters zu seinen schönsten Werken. wenn sie ein Glied des Leibes wären. Von dem
Nicht viel später mag die S chul e d es Am or geflügelten Amor führt Mengs ein ähnliches Wort
zu setzen sein, gegenwärtig in der National- seines früheren Besitzers, des Herzogs von Alba
galerie zu London und ebenfalls im Inventar an! diene Fiiigei eeien S0 Seniinfinfigefi-iini, dass,
der Gonzaga von 1527 verzeichnet (e Vem e) wenn ein Kind mit Inliigeln auf die Welt käme,
N0. 32). Auch über die Entstehllngszeit und es nicht anders sein könnte. Die drei Gestalten,
den ursprünglichen Besitzer dieses Bildes ist lliöiiiä 118.36 linnrlübter eiln kleiiäzs Stüäk Slchlen-
nicht das Gerin ste bekannt. Doch ist an seiner 'e es er n? es Slel ein eWnn l, le en
Aeehtheit niehtgzu Zweifem, wenn auch in Sei- sich vom tiefen kräftigen Grün der Landschaft
nem jetzigen Zustande, da es (im-eh Reetaura- leuchtend und in blühender Färbung ab; und
tionen sehr gelitten, die alte Schönheit nur noch trotz der Beseilädignngen des Bilden treten jetzt
theilweise zu erkennen ist. Das Gemälde stellt ndeii die Formen durch die Wifknngen des
die Unterweisung des kleinen Amor durch Mer- Liebes, der Schatten nnd Abtdnnngen Wie Zn
kur vor im Beisein der Venus. Hier ist auch die Pinsiieeilei Rnndnng herann-
Komposition, die Gruppirung, auf welche sonst Eine andere Darstellung der Venus mit Amor,
Correggio weniger Gewicht legt (wir werden se- die Göttin, welche dem Knaben den Bogen ge-
hen wesshalb) von sehr anmuthiger Wirkung; nommen, dar-nach er vergeblich in die Höhe
umschlossen von schöner felsiger Landschaft, greift, dabei ein Satyr welche sich in mehr-
die nur in der iiussersten Höhe etwas Himmel fachenWiederholnngen findet, wurde wenigstens
hereinblicken lässt, sind die drei gleich blühen- der Erfindung nach dem Meister zugeschrieben,
den Gestalten in flüssigem Linienzuge zusam- ohne dass man jemals das Original nachgewiesen
mengehalten. Hier lag dem Meister die ryth- hätte. Doch scheint auch die Zeichnung ihm
mische Anordnung nahe durch die fast gleiche nicht anzugehören, da sie höchstens einen ihm
Fläche, darauf sich die Figuren beünden. Der verwandten Charakter hat (s. Stiche N0. 461).
sitzende Merkur, zu dem neben ihm stehenden Jene beiden Gemälde sind die einzigen welt-
Amor geneigt, hilft dem Kleinen die Buchstaben licher Gattung, die sich vor das J. 1530 setzen
des Papiers entziffern, das er in seinen Händ- lassen und die überhaupt aus dem Zeitraume
eilen iläit; 61' ist gni" eifrig diesmal, der gßdü- vor diesem Jahre bekannt sind. Es scheint, dass
geite Liebeegntt: nnd mit reizender Nntiifiißh- der Meister, seine Malereien in S. Paolo ausge-
keit spricht sich die ungewohnte Anstrengung nommen, erst in späterer Zeit zu mythologischen
aus in der kindlich nübßilülfßnßll Haltung" der Darstellungen Musse und Gelegenheit gefunden.
zarten Glieder. Hart neben ihm, von vorn ge- Vorher nahmen ihn hauptsächlich kirchliche Auf-
sehen, den linken Arm auf einen Baumstamm träge in Anspruch, wozu auch seine kleineren
gestützt, mit der rechten Hand fast schelmisch Bilder biblischen Inhaltes für Privatleute zu zäh-
auf Amor deutend, leicht vorwärts gebeugt und len sind. Erst als er die Malereien in der Dom-
den muthwilligen Blick auf den Beschauer ge- kuppel zu Parma abznschliessen, die Stadt zu
richtet Stein? Venns, Sie ebenfalls geüügelt. All- verlassen gedachte und vielleicht, überdrüssig
muthig und leicht, die schlanken Glieder wie ge- der mönchischen und geistlichen Ansprüche und
löst, ruht sie wenn gleich stehend in behaglicher Einreden, der kirchlichen Kunst gerne für einige
Stimmung. Der bei schwellenden Formen doch Zeit den Rücken kehrte: erst da scheint er, von
feine Körperbau ist, ohne an die Antike zu er- einigen neuen Aufträgen begünstigt, der welt-
innefn, Von gresner Seininileitiweniger derKopf, liehen Malerei mehr sich zugewendet zu haben.
der mit seinem losen Ausdruck in eine mehr Dass er auch auf diesem Felde den Meister be-
gewöhnliche Natur hinüberspielt. Wie willkür- währen und seine Kraft eigenthümlich geltend
lieh Correggio mit der Antike umging, bezeugen machen würde, das liess die Natur seines Talen-
aufs Neue die Flügel der Göttin; dass sie in sol- tes erwarten.
eher Gestalt dem Alterthum gänzlich unbekannt Unter diesen Malereien tritt, als sein Werk
war, wusste er sicher, so gut er wusste, dass es angesehen, ohne dass irgend eine ältere Nach"
keine geflügelten Parzen gab, die er doch in S. richt darüber erhalten wäre, zweimal die Dar-
Paolo dargestellt hatte. Sicher aber lag ihm stellung des vom Adler zum Olymp getragenen
fern seiner Venus mittelst der Schwingen, wie Ganymed auf. Was an diesem Vorwurf den
Ratti und Rosini meinen, eine besondere Beden- Meister anzog, erräth sich leicht: hier war, den
tung zu geben oder gar die himmlische , Urania, aufwärts schwebenden jugendlichen Körper lßi"
derart bezeichnen zu wollen. Ihm erhöhten die lenfalls auch die erwartenden Götter im Olymp)
Flügel, in eine Mährchenwelt hinüberdeutend, in kühner Verkürzung aus der Untensicht zu zei-
den Reiz der Erscheinung; so Sinnlichkeit und gen, natürliches Erforderniss. Correggio 301i
Ideal, Natur und Fabelreich in künstlerischem dieses Motiv in einem Gemach des Schlosses
Spiel zu verflechten, ist immer seine Art. Wie (Rocca) der Grafen Gonzaga di Novellara, wie
meisterhaft er zudem die Flügel dem menschli- man glaubt 1530, in Fresko behandelt haben-