Antonio Allegri. 397
Bau, der fast ganz gegen die Landschaft geöif- beleuchteten Engel; vom höchsten Liebreiz das
net ist. Das Knäblein, in der Krippe auf Linnen lächelnd herabgebcugte Antlitz der Maria. Allein
und einem Strohlager, wird von der vor ihm in's Gewöhnliche, fast in's Gemeine gehen die
knieenden Maria mit beiden Armen liebevoll übrigen Figuren. Der ältere Hirte ist ein ächter
umfasst, während ein älterer, ein jüngerer Hirte lombardischer Bauer, von fast plumper Art, und
und eine Magd bewundernd und staunend es be- die Magd mit der dumm erstaunten Geberde hat
trachten. Mehr im Hintergrunde Joseph mit dem alle Anzeichen ihres Standes. Von der heiligen
Esel, noch weiter zurück schlafende Hirten; in Bedeutungdes Vorganges,dem feierlichenErnste
der rechten oberen Ecke eine Schaar geflügelter. desselben keine Spur mehr; dem täglichen Le-
jubelnd und anbetend herabschwebender Engel. ben sind diese Menschen entnommen und in sei-
Die Figuren selber, Erfindung und Anordnung ner niederen Gewohnheit befangen. Und gewis-
sind so einfach als möglich gehalten. Der beson- sermassen tritt selbst die ideale Wirkung des
dere Reiz des Bildes liegt in dem Lichte, das Lichts zurück, indem das Mädchen mit vorge-
lediglich vom Kinde ausgeht, zunächst und am haltener Hand es äusserlich sich abwehrt.
hellsten den Sehr anmuthigen, über es gebeugten Dies Urtheil stimmt freilich nicht ganz zu der
KOpf (lBY BIEGOIIIJR, dann in allmäliger Abstufung ungemegggnen Bewundgrung, wglchg von jghef,
die nähere Umgebung stärker, die fernere schwä- namentlich aber im 18. Jahrh. gerade dieses
eher beleuchtet, bis es sich in das still umbrei- Werk Correggids erregt hat. Zu zahllosen be-
tete Dunkel verliert. Neu war übrigens nicht, geistcrten Beschreibungen hat es den reisenden
wie man geglaubthat, der Gedanke vom Christus- Kunstfreunden Anlass gegeben. Schon Lomazzo,
kinde Licht auf die umgebenden Figuren aus- sonst zurückhaltend in der Anerkennung des
gghen Zn lassen; auf dem bekannten Triptychcn Meisters, bezeichnet es in seinem Trattato della
des Hugo Van der Goes in S. Maria Nuova Pittura (p. 219) als eines der merkwürdigsten
zu Florenz wird z. B. auf dem Mittelbilde, das Bilder; Vasari spricht ausführlich von demsel-
ebenfalls die Geburt Jcsu darstellt, einer der ben, staunt aber nach seiner Art insbesondere
im Schatten schwebenden Engel vom Glanze die Magd an, welche die Hand vor das Angesicht
des Christkindes beleuchtet. Allein diese in das hält, sowie die Engel über der Hütte, die Wiel-
Bild selber gßlggljc Bslnnnhtnng ganz dnrnh- mehr vom Himmel herabgeregnet als von Maler-
fdhren, das Kind als den lichtausstrahlenden hand gemacht" zu sein schienen. Ihn zog vor
Mittelpunkt fassen und dadurch den Cha- Allem diese treffende Natürlichkeit der Darstel-
rakter der Wirkung bestimmen: das hat zu- lung an. Auf die späteren aber übte die Licht-
erst Cnrrnggin und in sigenthünllinher Weisn Wirkung einen wahrhaft hinreissenden Zauber
gethan Dass ilnn selbe;- dlss an seinem aus. "Verzeihung, göttlicher Rafael, so ruft vor
Werke das Wesentliche war, beweist schon die dem Bilde D6 31135565, Wenn keine?! deiner
Magd, welche in höchster Usbnrrssnhnng die Werke mich so tief bewegt hat, als dieses hieru;
Hand vor das Auge führt, als ob sie den vom ihm zufolge kommt der vPetrus im Gefängnisse
Christkinde ausströmenden Glanz nicht ertra- im Vatikan (mit ähnÜßheT Bßlßnßhtllngl der
gen könne. Einerlei nun, 0b Correggio jenes Nacht nicht gleich. Auch Mengs zollt dieser die
apokryphe Evangelium (Protevangelium Ja- höchste Anerkennung und scheint sie allen an-
cobi) gekannt hat, wonach der hcimkehrcnde derenWerken des Meistersvoranzustellen.Rich-
Joseph den Neugeborenen findet und von ihm tig bemerkt er, wie fein hier der Maler alle Mit-
Strahlen auf das Antlitz der Mutter fallen tcl zur schönsten Wirkung berechnet hat; wie
sieht, oder 0b er wie ihm Manche sicher z. B. die starke Neigung des Angesichts der
mit Unrecht zugemuthet haben die Bedeutung Jungfrau nothwendig war, damit das von unten
des Christenthums habe versinnlichen wollen: darauf fallende Licht nicht die oberen Thcile
ihm war jedenfalls das malerische Spiel des Lich- besehatte. In Dresden galt es gleichfalls, unter
tes die Hauptsache. Dabei ist wol zu beachten, den Gemälden, welche man vom Herzog von
dass das Bild nicht zu den sogen. Nachtstücken Modcna erworben, allgemein für das kostbarste
gehört. Seine Lichtwirkung hat nichts gemein und schönste. Schrieb man doeh_ schhesslich
mit den Effekten von Lampen- oder Kerzenlicht, seiner Wirkung ganz wunderbare Dinge zu: bei
wie sie bei den späteren Italienern und Hollän- Fackelbeleuchtung, so hiess es, ßntdßßkß fnnn
dern öfters vorkommen; sondern es ist ein weiss- in der Dämmerung des Mittelgmndeß 31101191 F1"
lieh glänzendes Lieht von eigenthiimlichem Cha- guren, die sonst nicht sichtbar seien.
rakter, wie aus einer Zauber- oder Idealwelt, das Was diese Bewunderung hervorrief, war ohne
der Neugeborene auszuströmcn scheint. Damit Zweifel, neben dem Liebreiz von Mutter und
ist eine mächtige und überraschende Wirkung Kind, der 'l'riumph der Malerei, welche die be-
erreicht. Es ist ein ahnungsvolles wunderbares seelende Wirkung des Lichtes nicht bloss voll-
Aufleuchten in tiefer Dämmerung und ein all- kommen erreicht sondern im Bilde selber ge-
mäligcs Ausklingen in die Nacht. Sehr anmuthig schaffen zu haben schien. Im Gegensatz zur Na-
zudem, ein achtes Kind, ist das zarte Knäblein türlichkeit des ganzen Vorgangs, zur Gewöhn-
ln seinem Linnen, ebenso wieder die fast aus- lichkeit der Hirtenfiguren tritt diese ideale Macht
ääelassen bewegten, in feinem Helldunkel halb der Beleuchtung nur um so stärker hervor. Ge-