Antonio Allegri. 373
malerische Reiz durch das Spiel des Lichtes be- freie Himmel blickt. Sie ordnet also die Malerei
Wirkt, darin alle Formen zu schweben gleichsam der Architektur nicht ein, wenn sie auch ihre
und zu erzittern scheinen. Die wirkliche Be- Laube auf den gemalten Fries setzt und derge-
leuehtung des Gemachs ist nicht günstig; allein stalt dem Ziminerrauine anfiigt. Correggio geht
C. hat ihr durch das eigene Licht der Gestalten, hierin von VOl'1'lll0l'OlI1 viel weiter als Mantegna
das in breiten Maßen iiher sie ausgegossen ist, in der Sala de Sposi im (lastello di Corte; dort
nachzuhelfcn gewusst. Aus dem liefen Grün der ist die durch die Malerei vorgestellte Decke noch
Laube leuchtet warm und voll das Fleisch der als architektonisches Stiick behandelt, davon
Genien. zugleich mit jener Zartheit, welche der auch die Oeffnung in der Mitte einen Theil aus-
Italiener vlllüldlldlälZttv nennt. Auch die Schatten macht. In S. Paolo dagegen lässt die Dekora-
sind durchleuchtet und miissigen doch wieder tion die Gesetze der monumentalen Kunst ganz
durch ihren gebrochenen Schimmer das volle unbeachtet, indem sie unbekümmert um die bau-
Licht, so dass nirgends Hell und Dunkel Kon- liche Grundlage, an welche sie doch gebunden
traste bilden, sondern in feinen allmäligenUeber- ist, ihre Wirkung lediglich in sich selber sucht
gängcn zu einem leuchtenden Ganzen verschmol- und sich sogar im Gegensatze zum gegebenen
zen. Es ist das cor regg e ske Hel ldunkel, Raume ihren eigenen schafft. In den folgenden
jene vielgeriihmtc Eigenschaft des Meisters, Deckennialereien geht dies noch weiter. Kein
welche hier schon wesentlich die Wirkung seiner Zweifel, dass damit C. zuerst den festen Zusam-
Malerei bestimmt. menhang und das Zusammenwirken der Künste
So bekundet schon (lieses Werk jene Eigen- gelockert, einer einseitigen Ausbildung des Ma-
thiimlichkeit Correggios, welche ihn von allen lerischen und in Folge dessen auch dem Verfalls
Zeitgenossen von Grund aus irntcrscheirlet und der monumentalen Malerei die Bahn geöffnet hat.
in der lllaherei ein neues Ziel erreicht hat. Wir Allein in ihm selbst wirkt nur die Macht der
haben friiher gesehen, wie er auch fiir seine Ma- malerischen Anschauung; in ihm gelangt sie
lereien in S. Paolo in den lllantuancr Werken folgerichtig zu jener Herrschaft, worauf die Re-
Mnntngnifß 11m1 Seiner Schule ein Vorbild hatte; naissance in ihrer allmiiligeil Entwickelung es
allein desshalb ist, was er auf solche Anregung abgelegt hatte.
hin geschalfen, nicht weniger selbständig. Seine Die Ausführung der Malereien in S. Paolo ist
Futti haben nichts mehr von jener plastischen im höchsten Grade sorgfältig und vollendet zu
Scharfe, von jener steinartigen Festigkeit, welche nennen. Dies gilt sogar vom rein Ornamentalen,
iiinJelligeii Mantcgnajs kennzeichnet; ihre For- z. B. den Widderköpfen, die vortrefflich gemalt"
inen sind weich und flüssig und ihre Bcwegun- sind und hell auf hellem Grunde dennoch sehr
gen haben jene Freiheit der malerischen Vor- lebendig hervortreten. Auch hier, im Fresko,
stellung, welche kein Gesetz der Schwere kennt. findet sich die feine und doch breite, weiche und
Itasch ist diese Entwickelung vor sich gegangen, vcrschmelzende Behandlung, welche dem Mei-
un Zeitraum weniger Jahre; und um so bedeut- ster eigen ist. Im Unterschiede von seinen spä-
samer scheint dies, als sich eigentliche Zwischen- tnfen Fieskoiniiininien sind hier manche Sinnen
stufen. ausser der Madonna des hl. Franziskus, auf dem Tmckenen nociiniais mit sciiiaiiiiinng
nicht nachweisen lassen. Allein für diese frühe übergangen; Wns giniCiiiniiS dafür Spiiniii, dass
Reife besondere Bedingungen anzunehmen, wie die Arbeit in S. Paolo der Zeit nach die erste
Mengs und Andere gewollt haben, dazu ist kein in Parma war.
Grund vorhanden. Die entschiedene, vorwärts
dringende Anlage des Meisters that hier die XV- Familienverhältnisse- Heirat-
Hauptsachc; und die Bedingungen lagen in dem, Die neue Thiitigkeit in Parnia licss sich für
was die lombardischc Kunst vor ihm geleistet unseren Meister glücklich an; dass ihn schon
lind er sich angeeignet hatte. Ausscrdem kam sein erstes Werk zu Ansehen brachte, beweisen
ihm zu Gute , dass er, von keinen fremden Ein- die rasch nachfolgenden grösseren Bestellungen.
iiiißßcn abgezogen, nur in einem bestimmten Zu derselben Zeit schien sich auch seine äussere
Kreise von Vorstellungen sich bewegte, dem Lage selbständiger und günstiger zu gestalten.
eigenen Genius sich ganz überlassen konnte. Am 1. Februar 1519 vermachte in einer förm-
Und so zeigt dieses erste nlonumentale Werk liehen Schenkungsakte, welche in Beisein Man-
den Meister schon auf voller Höhe, Wenn auch fredds, des Herrn von Correggio, und in dessen
der bloss dekorative Charakter der Darstellung Palaste ausgestellt wurde, sein Oheim mütter-
nfld ihr an sich unbedeutender Gegenstand noch licher Seits, Francesco Ormanni, dem vvortrcif-
nlcht alle seine Kräfte zur Entfaltung gelangen liehen Neffenu wegen wesentlicher Dienste, die
11935611. er ihm geleistet habe, sein ganzes bewegliches
Eigenthümlich ist hier auch die dekorative und unbewegliehes Vermögen, insbesondere be-
Anordnung, die Verbindung der Malerei mit der stehend aus einem Hause in der valten Vorstadt:
Architektur. Sie ist vor Allem nicht architekto- (Borgo Vecchio) und verschiedenen Ackern Lan-
niseh; sie verläugnet vielmehr die Grenzen des des in demselben Gebiete (Urkunde bei Pungi-
baulichen Raums und bricht die Decke durch, leoni, II. 127). Doch sollte ihm dieser Zuwachs
um sie zur Laube zu gestalten , durch die der seines Vermögens nicht so bald zu gute kommen.