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Antonio Allegri.
lendem Haar, an den beiden mit goldener Kette der Durchgang durch die letztere ist vollzogen,
gefesselten Händen wie aufgehängt und mit den und was dabei jene sich angeeignet hat, kommt
Ambosen an den Fiissen (nach dem fünfzehnten in ganz neuen Formen zum Vorschein.
Gesang der Iliadcl ; Ein sitzender Greis in wei- Daher auch das, was diesen einfachen, grau in
tem Gewand, mit der einen Hand vor sich deu- grau gemalten Gestalten so grossen Reiz ver-
tend, mit der andern das Haupt stützend; Vesta- leiht: die Anmuth der frciesten Bewegung und
lin, gleich dem einen Jüngling eine Patera in die volle Natürlichkeit des Lebens. Sie sind,
das Feuer eines Opferaltars ausgiessend (ähnlich wie dies der Gegenstand mit sich brachte, ruhi-
einer Figur auf einer Denkmünze der Domitia ger, gehaltener als die Kindergruppen, einfacher
mit der Inschrift Divi Caesaris Mater) ; Dorisch- im Zug der Linien, aber nicht minder lebendig.
toskanischer Tempel mit der sitzenden Statue Von schönerWirkung sind namentlich die Juno,
des Jupiter; Die drei spinnenden Parzcn, gcflü- die Minerva, die jungen gewandeten Frauen,
gelt und auf Wolken sitzend; Junge Fmu, ideal die Parzen, auch die Jünglinge. In den drei
gewandet, in eiliger Bewegung, auf den ausge- Grazien mit ihren schwellenden Formen tritt
streckten Armen einen nackten Knaben haltend, schon stärker der sinnliche Reiz hervor; allein
ein Motiv, das an die bisher gingen Ing Lnnko- diese Schönheit des Fleisches hat ihre unbefan-
thea mit dem Bannhnskinde erinnert; Weibliche gene Freude. Andrerseits fehlt es nicht an einer
Gewandiigur mit brennender Fackel, in der aus- gewissen Grösse. Die drei Parzen, in einer
gestreckten Rechten eine Kugel (ähnlich der Gruppirung, die ganz Correggids eigene Erfin-
Ucrcs mit einer Patera auf alten Denkmünzen); dung ist, in ihren breiten Gewandmassen und
Junger Satyr, in eine grosse Meermuschel bla- der klaren Sicherheit ihrer Bewegung, berühren
send; Junge Frau mit der Rechten leicht das das Erhabene.
Gewand aufschürzeml, in der ausgestreckten Lin- Was diesen Gestalten wie den Geniengruppcn
ken eine Taube (Venus? eine ähnliche Figur, insbesondere noch den vollen Schein des Lebens
aber mit einerBlume oder drei Palmblättern, fin- gibt, das ist die vollendete malerisch durchge-
det sich auf alten kaiserlichen Medaillen); end- führte Modellirung. Sie lösen sich rund und
lieh Junges Mädchen, die eine Hand im Gewande Schwcllend von der Fläche ab; so richtig ver-
verhüllt, mit der andern einen Zweig haltend. Standen iSlJ die Form , so sicher herausgehoben
Deutlich zeigen diese Darstellungen, wie frei in breiten, mit feiner Abtönung in einander über-
Correggio mit der Antike umging und wie er gehenden Licht- und Schattenmassen. Mit reifer
ihre Motive nur benutzte zur Entfaltung körper- ilißistßrschaft zeigt sich C. hier schßn auf (lßf
licher Schönheit und anmuthiger Bewegung. Die Hölle Seiner Kunst. Er ist vollkümmell Herr der
Kunst des Alterthums kennt Weder eine nackte Zeichnung, nicht Wenigemls Mißhelanäelü; allein
Juno, noch geflügelte Pnrzen, noch eine lllinervn, er benutzt diese Herrschaft, um die Linie und die
mit der Fackel, noch einen Satyr mit der See- feste Grenze der Einzelform ganz aufgehen zu
muschel; C. nahm kein Bedenken, diese Typen lassen in der malerischen Wirkung. Daher die
in solcher Weise umzugestalten. Andrerseits Verschiebung der Körper in den freiesten Stel-
besann er sich nicht bestimmte Figuren, die er hingen und in derkühnsten Bewegtheit, die ihrer-
irgendwo auf alten Denkmälern gesehen, nach- seits wieder in dem Vor- und Zurücktreten der
zubilden, ohne sich um die Bedeutung des Ge- Glieder (las Wechselnde Spiel des Lichtes be-
genstandes zu kümmern. Dabei wurde es ihm günstigt. Zu einer solchen Behandlung eignete
ebenso leicht, aus sich selbst neue Gestalten zu sich vorzüglich der biegsame und gelenke Kna-
schaifen. Für ihn war die klassische Formen- benleib. Und in der That hat kein Meister die
welt nur eine Erinnerung, die ihm zu schönen unbefangene Anmuth der Kinder im lustigen
Motiven verhalf und mit der er daher ganz nach Spiel und den neckischcn Wendungen der wei-
seiner eigenen malerischen Anschauung um- chen Körper mit solcher Wahrheit und zugleich
sprang. Daher zeigt auch wol der allgemeine so vollendetem Reiz dargestellt als Corrcggio.
Zuschnitt seiner Figuren bisweilen Verwandt- Hier blieb er auch bei der noch so entfesselten
Schaft mit der Antike , niemals aber das Detail Bewegung innerhalb der Natur, während die ganz
der Formen. Es ist eine andere körperliche Bil- eigene Stellung der Diana in dem schwebenden
dung, es sind andere Gesichtszüge; insbesondere Uebergang zwischen zwei ganz verschiedenen
geht auch seine Gewandung, in breiten Maßen Körper-lagen nicht frei von Manier ist.
malerisch angelegt, um grossc Licht- und Ton- Beides, das Bezwusstsein völliger-Beherrschung
flachen zu erhalten, von einem ganz anderen der Form und das Streben, für das Auge den
Prinzip aus, als die griechische. Zudem gibt er Schein wirklicher Natur zu erzeugen, führte C.
seinen Gestalten weit mehr die rasche Bewegt- schon hier, jedoch noch innerhalb gewisscrGren-
heit des Augenblicks. Nichts in der That bckun- zen, zu jenen Verkürzungen, welche sich aus der
det mehr die eigenthümliche Kraft seines 'l'alen- von unten nach oben (di sotto in sul gesehenen
tes, als diese Selbständigkeit gegenüber dem Verschiebung des Körpers ergeben und zu einem
Alterthum. Von dieser Seite erhält in ihm das bezeichnenden Merkmal des Meisters geworden
mannigfaltige, wechselnde Verhältniss der Re- sind.
naissance zur Antike seinen letzten Ausdruck: Zum anderen aber und vornehmlich ist der