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standen. Das mag jedoch Vasari nicht so offen
aussprechen; er biegt wieder ein und hilft sich,
indem er plötzlich von der Zeichnung schweigt
und dem Meister die höchste Vollkommenheit
zuspricht wol verstanden , wie er freilich nur
anzudeuten wagt, im Kolorit. Er fühlte wol
auch, dass sich ihm jener Vorwurf so ohne Wei-
teres nicht machen lasse. Für seine Anschauung
lag in dieser Kunst etwas Fremdes, ihre Auf-
fassung der Form, ihre Darstellungsweise über-
haupt war ihm ganz und gar ungewohnt; allein
dass hier rein malerisch genommen das Höchste
erreicht war, darüber hatte er keinen Zweifel.
Was ihm ausserdem grosse Achtung abzwang,
war die feine und sorgsame Durchführung; um
so g-rösser, als er und seine Genossen auf diesen
Vorzug für immer verzichten mussten. Jenes
Urtheil aber, so schwankend es an sich ist, gabi
dann doch für die Nachstfolgenden den Aus-l
schlag: Corrcggio war und blieb Kolorist wo-
mit zugleich, aus dem damaligen Gesichtspunkt,
seine Mängel ausgesprochen waren.
Auch sonst mag Vasari Schuld gewesen sein,
dass man den Meister nicht in seiner ganzen Be-
deutung, in seinem tiefen eigenthümlicheni
Werthe zu schätzen wusste. Vasari hielt sich,
schon als Mann von Fach, dann auch aus jener
Unfähigkeit, dem eigentlichen Wesen Oorrcggids
beizukommen, mit seiner Bewunderung an ein-
zelne kleinere Ziige. An den Fall der Gewänder,
an das gewinnende Lächeln der kleinen Engel,
an die köstlichen Landschaften, an die Verkür-
zungen vor Allem aber an die natürliche und
täuschende Behandlung der Haare, davon Va-
sari so hingerissen ist, dass er wiederholt darauf
zu sprechen kommt. Das eine Mal hat es gar
den Anschein, als 0b hierin ein epochemachendes
Verdienst des Oorreggio läge und ihm desshalb
insbesondere alle Maler Dank wissen müssten.
Es heisst: vEr war Schuld, dass der Lombardei
die Augen avufgingen (das will sagen: er zuerst
hat die lombardischen Maler in die neue Manier
eingeführt), wo dann so viele schöne 'l'alente in
der Malerei aufgetreten sind, indem sie seinen
Spuren folgend rühmliche und denkwürdige
Werke hervorgebracht haben; da er uns näm-
lich Haare, die doch so schwer darzustellen sind,
mit so grosser Leichtigkeit gemalt zeigte und
uns lehrte, wie man das machen müsse; wofür
ihm denn auch alle Maler ewigen Dank schuldig
sindu. Auch dies Haarlob, in diesem Zusammen-
hange, hat sein Komisches; es sieht aus, als ob
Cfs Art, die Haare zu malen, den Lombarden
die Augen geöffnet hatte. Letzteres bezieht sich
wol eher auf den vorhergehenden Ausspruch,
der Corregids malerische Meisterschaft über-
haupt hervorhebt. Vasari fügte öfters, wie ge-
sagt, seine Sätze so gut er eben konnte und war
wenig bekümmert um ihre logische Verknüpfung
oder Trennung. Allein, dass er vor diesem Ge-
schick der Haarmalerei die allergrösste Achtung
hatte, erhellt auch daraus, dass er schon in der
Einleitung zum dritten Theile seiner Biographien
(ed. Le Monnier, VII. 7 ) besonderes Gewicht
darauf legt. Dieses kleine Schriftstück sucht so
gut wie möglich die Hauptzüge anzugeben, wo-
durch die Meister der Blütezeit sich sowol von
ihren Vorgängern als unter sich ullßßlßßhßidßll-
Hier erhält Oorreggio seinen Platz zwischen An-
drea del Sarto und Parmiginiano , und glßißll.
nachdem ganz richtig, aber nur im Vorbeigehen
seiner ßanmuthigsten Lcbhaftigkeitu gedacht ist,
wird seine Art die Haare zu malen rühmend und
ausführlich hervorgehoben. I1n Grunde hat Va-
sari so Unrecht nicht, darin ein Unterscheidungs-
zeichen gegen die frühere Epoche und andere
Meister zu finden. Es ist wirklich an Dem, dass
vor und neben ihm kein Anderer, auch Rafael
nicht, sich so auf die malerische Behandlung der
Haare verstand: auf ihren nGoldtona und den
Schein natürlicher Leichtigkeit, der das Haar
in seiner uiassigen Fülle halt und zugleich seine
Feinheit erkennen lässt. Auch hierin bewährte
sich jene vollständige Ueberwindung des Stoff-
liehen, welche Corrcggio auszeichnet. Allein
verkehrt war natürlich, dieses Merkmal überall
voranzusetzen, während an eben jener Stelle van
Grazie und schöner Manier" gar ein Parmigianino
ihm vorgezogen wird. Ueber dieses Haarlob
war insbesondere S cannell i erbost, der bei
jeder Gelegenheit gegen Vasari zu Felde zieht,
"dass er so untergeordnete Dinge hervorgehoben,
dagegen "die wahrhaft staunensiverthen Eigen-
schaften des Meisters mit Stillschweigen über-
gangenu habe.
VI. Würdigung des Meisters durch die Oaraooi.
Das 17. und das 18. Jahrh.
Indess nicht lange mehr sollte die Zeit aus-
bleiben, da Correggio zu vollen Ehren kam. Ins-
ibesondere liessen sich die C ara eci seine allsei-
tige Würdigung angelegen sein. Schon der be-
sonnene Lodovico , unter dessen Leitung später
die ganze Schule stand, hatte seine Vettern auf
den Meister hingewiesen. Als aber nun Annibale
im Alter von zwanzig Jahren nach Parma kam,
da war er von dem Anblick seinerWerke gerade-
zu hingerissen. Dieser Aufenthalt hat im Leben
der Künstler offenbar Epoche gemacht; denn
durch den Bruder lebhaft aufgefordert, kam auch
Agostino nach Parma (ob gleich, 0b später, hat
ihr Biograph Malvasia nicht bestimmen können),
und hier entschied sieh der Einiiuss, den Cor-
reggio auf ihre ganze Kunstweise haben sollte.
Wie Annibale den Meister mit raschem Verständ-
niss, mit jener Einsicht, welche in der Begei-
sterung eines empfänglichen Talentes liegt, von
lallen Seiten zu fassen wusste, ergibt sich aus
den schon gedachten Briefen an seinen Oheim.
Er bewundert insbesondere, in Verbindung mit
ider Strenge und dem Verständniss der Zeich-
nung, die Anmuth, die Lebendigkeit des K010-
rits und die natürliche Leichtigkeit der Darstel-
lung. Namentlich hebt er, im Gegensatz zum
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