Volltext: Aa - Andreani (Bd. 1)

3312313 Allegri. 
standen. Das mag jedoch Vasari nicht so offen 
aussprechen; er biegt wieder ein und hilft sich, 
indem er plötzlich von der Zeichnung schweigt 
und dem Meister die höchste Vollkommenheit 
zuspricht  wol verstanden , wie er freilich nur 
anzudeuten wagt, im Kolorit. Er fühlte wol 
auch, dass sich ihm jener Vorwurf so ohne Wei- 
teres nicht machen lasse. Für seine Anschauung 
lag in dieser Kunst etwas Fremdes, ihre Auf- 
fassung der Form, ihre Darstellungsweise über- 
haupt war ihm ganz und gar ungewohnt; allein 
dass hier rein malerisch genommen das Höchste 
erreicht war, darüber hatte er keinen Zweifel. 
Was ihm ausserdem grosse Achtung abzwang, 
war die feine und sorgsame Durchführung; um 
so g-rösser, als er und seine Genossen auf diesen 
Vorzug für immer verzichten mussten. Jenes 
Urtheil aber, so schwankend es an sich ist, gabi 
dann doch für die Nachstfolgenden den Aus-l 
schlag: Corrcggio war und blieb Kolorist  wo-  
mit zugleich, aus dem damaligen Gesichtspunkt,  
seine Mängel ausgesprochen waren.  
Auch sonst mag Vasari Schuld gewesen sein,  
dass man den Meister nicht in seiner ganzen Be- 
deutung, in seinem tiefen eigenthümlicheni 
Werthe zu schätzen wusste. Vasari hielt sich, 
schon als Mann von Fach, dann auch aus jener 
Unfähigkeit, dem eigentlichen Wesen Oorrcggids 
beizukommen, mit seiner Bewunderung an ein- 
zelne kleinere Ziige. An den Fall der Gewänder, 
an das gewinnende Lächeln der kleinen Engel, 
an die köstlichen Landschaften, an die Verkür- 
zungen  vor Allem aber an die natürliche und 
täuschende Behandlung der Haare, davon Va- 
sari so hingerissen ist, dass er wiederholt darauf 
zu sprechen kommt. Das eine Mal hat es gar 
den Anschein, als 0b hierin ein epochemachendes 
Verdienst des Oorreggio läge und ihm desshalb 
insbesondere alle Maler Dank wissen müssten. 
Es heisst: vEr war Schuld, dass der Lombardei 
die Augen avufgingen (das will sagen: er zuerst 
hat die lombardischen Maler in die neue Manier 
eingeführt), wo dann so viele schöne 'l'alente in 
der Malerei aufgetreten sind, indem sie seinen 
Spuren folgend rühmliche und denkwürdige 
Werke hervorgebracht haben; da er uns näm- 
lich Haare, die doch so schwer darzustellen sind, 
mit so grosser Leichtigkeit gemalt zeigte und 
uns lehrte, wie man das machen müsse; wofür 
ihm denn auch alle Maler ewigen Dank schuldig 
sindu. Auch dies Haarlob, in diesem Zusammen- 
hange, hat sein Komisches; es sieht aus, als ob 
Cfs Art, die Haare zu malen, den Lombarden 
die Augen geöffnet hatte. Letzteres bezieht sich 
wol eher auf den vorhergehenden Ausspruch, 
der Corregids malerische Meisterschaft über- 
haupt hervorhebt. Vasari fügte öfters, wie ge- 
sagt, seine Sätze so gut er eben konnte und war 
wenig bekümmert um ihre logische Verknüpfung 
oder Trennung. Allein, dass er vor diesem Ge- 
schick der Haarmalerei die allergrösste Achtung 
hatte, erhellt auch daraus, dass er schon in der 
Einleitung zum dritten Theile seiner Biographien 
(ed. Le Monnier, VII. 7 ) besonderes Gewicht 
darauf legt. Dieses kleine Schriftstück sucht so 
gut wie möglich die Hauptzüge anzugeben, wo- 
durch die Meister der Blütezeit sich sowol von 
ihren Vorgängern als unter sich ullßßlßßhßidßll- 
Hier erhält Oorreggio seinen Platz zwischen An- 
drea del Sarto und Parmiginiano , und glßißll. 
nachdem ganz richtig, aber nur im Vorbeigehen 
seiner ßanmuthigsten Lcbhaftigkeitu gedacht ist, 
wird seine Art die Haare zu malen rühmend und 
ausführlich hervorgehoben. I1n Grunde hat Va- 
sari so Unrecht nicht, darin ein Unterscheidungs- 
zeichen gegen die frühere Epoche und andere 
Meister zu finden. Es ist wirklich an Dem, dass 
vor und neben ihm kein Anderer, auch Rafael 
nicht, sich so auf die malerische Behandlung der 
Haare verstand: auf ihren nGoldtona und den 
Schein natürlicher Leichtigkeit, der das Haar 
in seiner uiassigen Fülle halt und zugleich seine 
Feinheit erkennen lässt. Auch hierin bewährte 
sich jene vollständige Ueberwindung des Stoff- 
liehen, welche Corrcggio auszeichnet. Allein 
verkehrt war natürlich, dieses Merkmal überall 
voranzusetzen, während an eben jener Stelle van 
Grazie und schöner Manier" gar ein Parmigianino 
ihm vorgezogen wird.  Ueber dieses Haarlob 
 war insbesondere S cannell i erbost, der bei 
 jeder Gelegenheit gegen Vasari zu Felde zieht, 
"dass er so untergeordnete Dinge hervorgehoben, 
dagegen "die wahrhaft staunensiverthen Eigen- 
schaften des Meisters mit Stillschweigen über- 
gangenu habe. 
 VI. Würdigung des Meisters durch die Oaraooi. 
Das 17. und das 18. Jahrh. 
 Indess nicht lange mehr sollte die Zeit aus- 
 bleiben, da Correggio zu vollen Ehren kam. Ins- 
ibesondere liessen sich die C ara eci seine allsei- 
tige Würdigung angelegen sein. Schon der be- 
sonnene Lodovico , unter dessen Leitung später 
die ganze Schule stand, hatte seine Vettern auf 
 den Meister hingewiesen. Als aber nun Annibale 
im Alter von zwanzig Jahren nach Parma kam, 
da war er von dem Anblick seinerWerke gerade- 
zu hingerissen. Dieser Aufenthalt hat im Leben 
der Künstler offenbar Epoche gemacht; denn 
durch den Bruder lebhaft aufgefordert, kam auch 
Agostino nach Parma (ob gleich, 0b später, hat 
ihr Biograph Malvasia nicht bestimmen können), 
und hier entschied sieh der Einiiuss, den Cor- 
reggio auf ihre ganze Kunstweise haben sollte. 
Wie Annibale den Meister mit raschem Verständ- 
niss, mit jener Einsicht, welche in der Begei- 
sterung eines empfänglichen Talentes liegt, von 
lallen Seiten zu fassen wusste, ergibt sich aus 
den schon gedachten Briefen an seinen Oheim. 
Er bewundert insbesondere, in Verbindung mit 
ider Strenge und dem Verständniss der Zeich- 
nung, die Anmuth, die Lebendigkeit des K010- 
rits und die natürliche Leichtigkeit der Darstel- 
lung. Namentlich hebt er, im Gegensatz zum 
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