Volltext: Aa - Andreani (Bd. 1)

322 
begnügte sich im Uebrigen mit der Oberaufsicht 
und der Ausführung der Stuckverzierungen an 
den vier Fassaden und im Inneren, namentlich 
an den Decken von zwei Zimmern. Zu den letz- 
teren bereitete er sich durch Studien in der Villa 
Hadrian's bei Tivoli vor. Ansserdem entwarf er 
die Springbrunnen hinter dem Kasino, derenj 
Stuekiiguren er von Schülei-n nach seinen Zeich-  
nungen ausführen liess. Der vielfach getadelte 
Bau der Fassade und des Innern fiillt ihm (ißlll- 
nach nicht eigentliizh zur Last. Wahrscheinlich 
aber rührt von ihm die ganze (iartenanlage her, 
die i_n ihrer architektonischen Anordnung zu den 
grossartigsten jener Zeit gehört. 
Um diese Zeit beschloss der römische Senat, 
dem Papste zum Dank für den Ausbau des noch 
fehlenden Flügels am Kapitol eine kolossale 
Bronzestatue zu setzen. Franc. Moechi war da- 
mit beauftragt gewesen, aber da er sich trotz er: 
haltenei- Vorschüsse lässig bezeigte, so wusste 
Algardi durch seine neuen Gönner zu erreichen, 
dass jenem die Bestellung entzogen und ihm 
überwiesen wurde. Dem Papste hatte er sich 
besonders durch eine Gruppe von zwei silbernen 
Statuetten, die 'l'aufe Christi vorstellend, und 
ein silbernes Kreuz  wol das von Jakob Frey 
1742 gestochene  empfohlen, erstere ein Ge- 
schenk für Innocenz X., letzteres eine Bestellung 
desselben. Der erste Guss der Bronzestatma 
misslang, und die Gegner verfehlten nicht, dies 
als eine Strafe des Himmels zu deuten. Algardi 
selbst wurde kleinmiithig; doch der Papst er-l 
munterte ihn mit persönlichem Zureden und; 
Vorschüssen, und das zweite Mal gedieh dasi 
Werk so glücklich, dass der Papst eigenhändig 
den Christusorden dem llieister umhing. Als 
dieser aber denselben in der eitelsten Weise zur 
Schau trug, rächte sich Mocehi durch das Witz-A 
Wort: er habe wol gehört, dass man Räuber an's 
Kreuz hefte; nun sehe er, dass man das Kreuz 
an den Räuber hefte. Die Statue ist jetzt iml 
Konservatoren-Palaste aufgestellt.  
Das neue Werk trug wesentlich dazu bei, den 
Ruhm Algardfs zu verbreiten. Vom Kardinal 
Mazarin erhielt er 1648 den lockenden Antrag, 
nach Paris zu kommen, und nur mit Mühe gelang 
es ihn in Rom zu fesseln. Auch seine Vermö- 
gensverhältnisse besserten sich. Und da ihm 
jetzt die päpstliche (iicsserei zu Gebote stand, 
so konnte er endlich auch das Grabmal Leo's Xl  
das er hatte müssen liegen lassen, in St. Peter 
vollenden. Doch iiberliess er die Ausführung 
der Nebenfigurcn an ilenxselben seinen Schülern : 
Die Grossinuth dem Giuseppe Peroni, Die Maje- 
stät dem Ercole Ferrata. Da gab ihm das be- 
vorstehende Jubiläum (lie Gelegenheit, sein 
grösstes und beriihmtestes Werk zu fertigen, 
mit dem er erfolgreich gegen Bernini in die 
Schranken trat und den ersten Bildhauern seiner 
Zeit sich zur Seite stellte. Es ist dies das 32 Pal- 
men hohe und 18 Palmen breite, aus fünf Mare 
morblücken zusammengesetzte Relief der Ver- 
treibung des Attila durch den Papst 
Leo, das 1650 in der Kapelle der Madonna 
della Colonna über dem Altar Leo's I. in St. Pe  
ter aufgestellt und vom Papste mit 10,000 Thlr. 
bezahlt wurde. Die rasche Vollendung dieses 
grossartigen Werkes, das an Umfang in der 
modernen Kunst nicht seines Gleichen hat, 
wurde wesentlich gefördert durch Domenier) 
Guidi, der in Illolgje des llIas-Anielkfsclleu Auf- 
standes (11547) llüehtig; von Neapel nach Rom 
kam, und Algardfs bedeutendster Schiller und 
Gehülfe wurde. Das Modell wurde über der 
'l'reppre im Hause der Kougrregation des Orato- 
riums aufgestellt; eine Nachbildung in Holz, mit 
vergoldeter Wachsmasse überzogen, befindet 
sich in der kg]. Antikensanlmlung zu Dresden 
(N0. 42; 3' 6" h. 2' bin). 
IH. Seine Kunstweise. Hauptwerke. 
Dieses Werk zeigt im Wesentlichen dieselbe 
Anschauung und Bchandlungsiveise, welche von 
Bernini ausgehend und beherrscht, die Plastik 
des 17. Jahrh. kennzeichnet. Von dieser Rich- 
tung wird bei Bernini näher die Rede sein. Das 
eigentliche lllerknxal (lerselben, das Ueberwiegen 
des lllalerischen im engeren Sinne, d. h. einer 
gesteigerten Bewegung in Felge leidenschaft- 
licher Erregtheit sowie einer einseitig natura- 
listischen Darstellung, iiber die ideale Ruhe und 
Schönheit der plastischen Form und Anordnung, 
tritt auch bei Algartli hervor. Schon seine erste 
Ausbildung, die er in der Schule der Caracci 
empfangen, mag ihn darauf geleitet haben, in 
plastischen llferken malerische Wirkungen an- 
zustreben; dazu kam dann der Alles überwäl- 
tigende Einiiuss des Bernini, welcher der Rich" 
tung des ganzen Zeitalters ihren überzeugenden 
Ausdruck zu geben wusste. An Virtuosität der 
Behandlung wie an Kühnheit der Erfindung war 
dieser unserem Meister überlegen; auch kam A., 
indem er Bernini zu überbieten trachtete, zu 
sinnlosen Uebertrcibungen des Atfektes, wie sie 
sich jener kaum zu Schulden kommen licss. S0 
ist z. B. in der Statue Innocenz X. die einfache 
Handlung des Scgnens zu einer leidenschaft- 
lichen Geberde ohne alle Würde verzerrt. Da- 
rgegen bewahrte sich A. eine gewisse Gründlich- 
keit in der Formbehandlung des menschlichen 
Körpers und in der Durchbildung des Details; 
das geringere Talent war zugleich gewissen- 
lhaftcr. Auch zeigt sich bei ihm bisweilen  
neben jenen Aussclnveifungen  noch eine ge- 
lwisse Idealität der Anschauung, ein Sinn für die 
feine Schönheit der plastischen Erscheinung. 
Das Relief des Attila freilich, das Biu-iekhzirdt 
 mit Recht eher eine Wandgruppc heissen möchte, 
lverläugnet alle Bedingungen der plastischen 
Kunst. Die Bewegtheit geht in's Gewaltsame, 
die Gruppirung in's Massenhafte, der Ausdruck 
bis zu unedler Heftigkeit, und hier ist nichts 
imchr von einem ruhigen, rythmischen Zusam- 
lmenwirken der Linien. Wie zu voller Rundung
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.