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begnügte sich im Uebrigen mit der Oberaufsicht
und der Ausführung der Stuckverzierungen an
den vier Fassaden und im Inneren, namentlich
an den Decken von zwei Zimmern. Zu den letz-
teren bereitete er sich durch Studien in der Villa
Hadrian's bei Tivoli vor. Ansserdem entwarf er
die Springbrunnen hinter dem Kasino, derenj
Stuekiiguren er von Schülei-n nach seinen Zeich-
nungen ausführen liess. Der vielfach getadelte
Bau der Fassade und des Innern fiillt ihm (ißlll-
nach nicht eigentliizh zur Last. Wahrscheinlich
aber rührt von ihm die ganze (iartenanlage her,
die i_n ihrer architektonischen Anordnung zu den
grossartigsten jener Zeit gehört.
Um diese Zeit beschloss der römische Senat,
dem Papste zum Dank für den Ausbau des noch
fehlenden Flügels am Kapitol eine kolossale
Bronzestatue zu setzen. Franc. Moechi war da-
mit beauftragt gewesen, aber da er sich trotz er:
haltenei- Vorschüsse lässig bezeigte, so wusste
Algardi durch seine neuen Gönner zu erreichen,
dass jenem die Bestellung entzogen und ihm
überwiesen wurde. Dem Papste hatte er sich
besonders durch eine Gruppe von zwei silbernen
Statuetten, die 'l'aufe Christi vorstellend, und
ein silbernes Kreuz wol das von Jakob Frey
1742 gestochene empfohlen, erstere ein Ge-
schenk für Innocenz X., letzteres eine Bestellung
desselben. Der erste Guss der Bronzestatma
misslang, und die Gegner verfehlten nicht, dies
als eine Strafe des Himmels zu deuten. Algardi
selbst wurde kleinmiithig; doch der Papst er-l
munterte ihn mit persönlichem Zureden und;
Vorschüssen, und das zweite Mal gedieh dasi
Werk so glücklich, dass der Papst eigenhändig
den Christusorden dem llieister umhing. Als
dieser aber denselben in der eitelsten Weise zur
Schau trug, rächte sich Mocehi durch das Witz-A
Wort: er habe wol gehört, dass man Räuber an's
Kreuz hefte; nun sehe er, dass man das Kreuz
an den Räuber hefte. Die Statue ist jetzt iml
Konservatoren-Palaste aufgestellt.
Das neue Werk trug wesentlich dazu bei, den
Ruhm Algardfs zu verbreiten. Vom Kardinal
Mazarin erhielt er 1648 den lockenden Antrag,
nach Paris zu kommen, und nur mit Mühe gelang
es ihn in Rom zu fesseln. Auch seine Vermö-
gensverhältnisse besserten sich. Und da ihm
jetzt die päpstliche (iicsserei zu Gebote stand,
so konnte er endlich auch das Grabmal Leo's Xl
das er hatte müssen liegen lassen, in St. Peter
vollenden. Doch iiberliess er die Ausführung
der Nebenfigurcn an ilenxselben seinen Schülern :
Die Grossinuth dem Giuseppe Peroni, Die Maje-
stät dem Ercole Ferrata. Da gab ihm das be-
vorstehende Jubiläum (lie Gelegenheit, sein
grösstes und beriihmtestes Werk zu fertigen,
mit dem er erfolgreich gegen Bernini in die
Schranken trat und den ersten Bildhauern seiner
Zeit sich zur Seite stellte. Es ist dies das 32 Pal-
men hohe und 18 Palmen breite, aus fünf Mare
morblücken zusammengesetzte Relief der Ver-
treibung des Attila durch den Papst
Leo, das 1650 in der Kapelle der Madonna
della Colonna über dem Altar Leo's I. in St. Pe
ter aufgestellt und vom Papste mit 10,000 Thlr.
bezahlt wurde. Die rasche Vollendung dieses
grossartigen Werkes, das an Umfang in der
modernen Kunst nicht seines Gleichen hat,
wurde wesentlich gefördert durch Domenier)
Guidi, der in Illolgje des llIas-Anielkfsclleu Auf-
standes (11547) llüehtig; von Neapel nach Rom
kam, und Algardfs bedeutendster Schiller und
Gehülfe wurde. Das Modell wurde über der
'l'reppre im Hause der Kougrregation des Orato-
riums aufgestellt; eine Nachbildung in Holz, mit
vergoldeter Wachsmasse überzogen, befindet
sich in der kg]. Antikensanlmlung zu Dresden
(N0. 42; 3' 6" h. 2' bin).
IH. Seine Kunstweise. Hauptwerke.
Dieses Werk zeigt im Wesentlichen dieselbe
Anschauung und Bchandlungsiveise, welche von
Bernini ausgehend und beherrscht, die Plastik
des 17. Jahrh. kennzeichnet. Von dieser Rich-
tung wird bei Bernini näher die Rede sein. Das
eigentliche lllerknxal (lerselben, das Ueberwiegen
des lllalerischen im engeren Sinne, d. h. einer
gesteigerten Bewegung in Felge leidenschaft-
licher Erregtheit sowie einer einseitig natura-
listischen Darstellung, iiber die ideale Ruhe und
Schönheit der plastischen Form und Anordnung,
tritt auch bei Algartli hervor. Schon seine erste
Ausbildung, die er in der Schule der Caracci
empfangen, mag ihn darauf geleitet haben, in
plastischen llferken malerische Wirkungen an-
zustreben; dazu kam dann der Alles überwäl-
tigende Einiiuss des Bernini, welcher der Rich"
tung des ganzen Zeitalters ihren überzeugenden
Ausdruck zu geben wusste. An Virtuosität der
Behandlung wie an Kühnheit der Erfindung war
dieser unserem Meister überlegen; auch kam A.,
indem er Bernini zu überbieten trachtete, zu
sinnlosen Uebertrcibungen des Atfektes, wie sie
sich jener kaum zu Schulden kommen licss. S0
ist z. B. in der Statue Innocenz X. die einfache
Handlung des Scgnens zu einer leidenschaft-
lichen Geberde ohne alle Würde verzerrt. Da-
rgegen bewahrte sich A. eine gewisse Gründlich-
keit in der Formbehandlung des menschlichen
Körpers und in der Durchbildung des Details;
das geringere Talent war zugleich gewissen-
lhaftcr. Auch zeigt sich bei ihm bisweilen
neben jenen Aussclnveifungen noch eine ge-
lwisse Idealität der Anschauung, ein Sinn für die
feine Schönheit der plastischen Erscheinung.
Das Relief des Attila freilich, das Biu-iekhzirdt
mit Recht eher eine Wandgruppc heissen möchte,
lverläugnet alle Bedingungen der plastischen
Kunst. Die Bewegtheit geht in's Gewaltsame,
die Gruppirung in's Massenhafte, der Ausdruck
bis zu unedler Heftigkeit, und hier ist nichts
imchr von einem ruhigen, rythmischen Zusam-
lmenwirken der Linien. Wie zu voller Rundung