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Heinrich Aldegrever.
kennt man von ihm einen hl. Christophorus"
(Verz. 61), der nach Dürer (B. 52) gegenseitig:
kopirt ist (vgl. Passavant, Peintre-Graveur IV.
104) und sechs sich an Dürer mehr oder minder:
anlehnende Madonnen. Bartsch beschreibt nurl
fünf. Wir fügen eine sechste hinzu (Verz. 38),
welche auch Passavant unbekannt geblieben,
Maria sitzt auf Kissen, die auf einer Brüstung lie-
gen, links stehen ein Krug und ein anderes Gefäss.
Sie umfängt mit beiden Armen das Kind, das zu-
sammengekauert. auf ihrem Schoossc sitzt, und,
das Händchen auf der Brust, zu ihr emporschaut;
Aussicht auf Landschaft und Wasser. Die J ung-
frau mit unbedecktem Haupt und umstrahlt von
einer Glorie erinnert an Dürers B1. (B. 37),
Links eine Tafel mit Monogramm und 1527.
Auch in späterer Zeit, z. B. bei der Him-
melskönigin von 1553 (Verz. 43), schliesst sich
A. noch an Dürer an. Nächst diesem wirkt auch
Barthel Beham, der ausgezeichnetste der
Stecher aus Diirefscher Schule, auf ihn ein.
Dessen Judith (B. 4) ahmt A. 1528 nach. Auch
einige Kampfscenen nackter Männer (Verz. 93,
100) aus den Jahren 1532 und 1538 erinnern an
ähnliche Beham's. Endlich steht er auch mit
Georg Pencz in Verbindung, nach dessen
Zeichnungen er 1539 Lukretia und Tarquinius
(Verz. 95), sowie die Folge der vier Evangelisten
(Verz. 57 mit den Monogrammen bei-
der Meister bezeichnet, sticht. Dcinselben ent-
nimmt er 1553 die Hauptzüge der Kompo-
sition für die Hinrichtung des Manlius (Verz. 99),
sowie die vorkommende Guillotine. Beham und
Pencz vermitteln ihm den Einiluss der italieni-
schen Renaissance, deren Spuren bei ihm im reich-
sten Maße zu finden sind. Und namentlich Beham
sah er die Stichelführung ab; Bll. ganz kleinen
Umfanges wusste er in zartester Vollendung zu
schaffen, während er es andererseits an marki-
gem Vortrage nicht fehlen lässt. Unter denje-
nigen Nachfolgern Dürers, welche man, nach
dem kleinen Umfang ihrer Stiche, die Klein-
meister nennt, ist er einer der ersten.
Von ihm gilt, wie von den meisten deutschen
Malern dieser Epoche, dass der Schwerpunkt
seines Wirkens in der vervielfältigenden Kunst
liegt. Holzschnitt und Stich waren die volks-
thiimlichen Darstellungsweisen in der damaligen,
lediglich auf bürgerlicher Grundlage ruhenden
Kunst. Deren Produkte drangen in alle Häuser
und boten dem deutschen Künstler Gelegenheit,
seine Haupteigenschaft, den Reichthum der Er-
fmdung, am freiesten zu entfalten. Da mit dem
Eindringen der Reformation das Bestellen von
Kirchenbildern abnahm, so bot sich höchstens
zu kleinen Kabinetstücken oder Porträts Gele-
genheit. Auch unter den Stichen traten die An-
dachtsbilder zurück. Passionsdarstellungen, Hei-
lige u. s. w. kommen so gut wie gar nicht bei A.
vor; aus dem alten wie dem neuen Testament
schöpft er meist nur erzählende Darstellungen,
besonders in zusammenhängenden Folgen. Dem
Jahre 1532 gehört die Geschichte Joseph's
(Verz. 18-20) an, im Dramatischcn noch ziem-
lich ungeschickt, so namentlich die durch ihre
Steifheit fast komische Scene, da Joseph der
Verführerin entläuft. Von 1540 stammt die Ge-
schichte von Adam und Eva (Verz. diese,
wie in noch höherem Grade die 8 Todesbildei-
aus dem nächsten J. (Verz. 138- 145) von
Holbein beeinflusst, dessen simulachres de la
mort kurz vorher, 1538, in erster Ausgabe
erschienen waren. Sogar die lateinischen Bibel-
stellen in dieser hat A. als Unterschriften
für seine Bll. benutzt. Ebenfalls 1540 ist die
Geschichte von Amnon und Thamar (Vcrz.
23-29) entstanden. Wenn oft auch gerade da,
,wo einfache Empfindungen zum Ausdruck zu
bringen waren, manierirt (wie Verz. 26),
sind sie doch den Josephsbildcrn weit überle-
gen. Wie Dinge aus des Künstlers eigener Zeit
werden die biblischen Ereignisse (largestellt,
und die handelnden Personen sind im Kostüm,
wie im Auftreten und Benehmen unmittelbar aus
dem umgebenden Leben selbst, aus dem kräf-
itigen Biirgerthnm der westfälischen Städte ge-
nommen.
Ein ächtes Zeitbild ist das erste Bl. aus
der Geschichte des Reichen und des Lazarus
(Verz. 49- 53. 1554); vorzüglich ist auch
die Sterbescene. Die schönste aller Folgen ist
die des barmherzigen Saniariters (Verz. 45
-4S. 1554). Sie beweist, dass A. noch
in späterer Zeit immer ibrtschritt, das Leben
immer gesunder auifasste und das Bizarre, Phan-
tastische überwand. Hier ist aus der biblischen
Geschichte der rein menschliche Kern herausge-
schalt und die Darstellung zeigt einen gemüth-
,lichen sittenbildlichen Charakter. Sehr hübsch
ist auf N0. 46 die Sorgsamkeit des Samariters,
dann die Figuren in der Ferne; der Priester, der
lesend wcitertrabt, und der Levit, der vor einem
(es scheint liluttergottesd Bilde betet. Köstlich ist
auf No. 48 der feiste Gastwirth mit dem Augen-
iglas und der Geschäftsmiene, dem der Sama-
riter das Geld in die Hand zählt, während
man hinten im Erdgeschoss des Hauses den
Kranken in guter Piiege erblickt. Solche Auf-
fassung biblischer Motive ist charakteristisch für
die Kunst der Reformationszeit. Von 1555 end-
lich stammt die reiche Komposition vom Urtheil
Salomds (Verz. 30), die Geschichte des Loth
(Verz. 13-16) und der Susanne (32-35), sämmt-
lich durch die sehr schöne, in Dürer's Geist aus-
gebildete Szenerie interessant.
Unter den Darstellungen profanen Charakters
Wgebiihrt den drei Folgen der Hochzeitstänzer
)zwei in kleinerem Format von 1538 (Verz. 146
'-153) und 1551 (Verz. 154-161), letztere in der
Bewegung freier, eine dritte von 1538, grösseren
Umfanges in kulturgeschichtlicher, wie künst-
lerischer Hinsicht der Preis. Auf dem Cyklus
der grösscren Bilder (Verz. 162-173) schreitet
der Herold voran, zwei Fackelträger folgen,