Nur sind jene Forschungen, fast gleichzeitig von den verschiedensten Seiten
aus begonnen, angestellt in allen Specialfäehern und getheilt nach Ort und Zeit, in
einer Menge von einzelnen Untersuchungen zerstreut und zersplittert. Andererseits
haben sie, durch Zufall und Umstände mannigfacher Art auf bestimmte hleistcr und
Schulen gerichtet, doch wieder viele Lücken gelassen. Sollen sie dem Manne der
Wissenschaft wie dem Gebildeten überhaupt zu gute kommen, sollen sie das ganze
Gebiet der Kunstgeschichte in immer weiterem Umfange aufklären, so müssen sie:
erstens verarbeitet und zusammengefasst,
zum zweiten fortgeführt, ergänzt, vervollständigt,
zum dritten die so gewonnenen Ergebnisse möglichst erschöpfend in einer
übersichtlichen und gedrängten Form mitgetheilt werden.
Damit
zeichnet.
ist
im
Wesentlichen
die
Aufgabe
des
vorliegenden
Werkes
gekenn-
Indem aber dasselbe von einem wissenschaftlichen Bedürfnisse ausgeht, will
es zugleich einer allgemeinen Anforderung, dem verbreiteten und gesteigerten Kunst-
interesse der Zeit, entgegen kommen. Wie die neue Forschung zu ihrem allergrössten
Theile um die Urheber der Kunstwerke, um die Meister 2111er Zeiten und Völker, sich
bemüht , so suchen ihrerseits die Gebildeten , Laien wie Kenner, je lebhafter die all-
gemeine Theilnahme an künstlerischen Dingen und insbesondere an den Kunstwerken
mit jedem Tage wird, um so genauere Auskunft über die Künstler.
Daher hat unser Werk Beidem zu genügen: sowohl den Anforderungen der
vorgeschrittenen Wissenschaft auf kritische und ergänzende Verarbeitung des aufge-
häuften Materials, als den Ansprüchen der gebildeten Klassen auf ein Buch, das ihnen
diese Resultate in der brauchbarsten Form überliefert. Zugleich ist in einem Ganzen
den kommenden Zeiten zu übermitteln, was die Kunstwissenschaft in der Erforschung
aller Meister bisher geleistet hat und noch zu leisten vermztgz
Bei einer so umfassenden Aufgabe erschien es angemessen, zur Grundlage ein
früheres Werk zu nehmen, das ein ähnliches Ziel verfolgte, aber, zu einer Zeit unter-
nommen, da die Kunstforsclnlng unseres Jahrhunderts erst an ihrem Beginne stand,
und mit unzulanglichen Mitteln ausgeführt, nur sehr zum Theil seinen Zweck zu
erreichen vermochte. Es ist dies das Naglefsche Kün stlerlexikon. Wie
gross das Bedürfniss nach einem solchem Werke war und noch ist, beweist die ibrt-
gesetzte Nachfrage, die auch heute noch, nachdem die neueren Forschungen in fast
allen Theilen weit darüber hinausgegangen , nach dem langst vergriffenen Buche ist.
Denn es blieb, zusammengebracht durch den zwanzigjährigen Sammlerileiss des Ver-
fassers, das umfassendste Repertorium seiner Art, das hinsichtlich einer grossen
Anzahl namentlich von kleineren Meistern die vollständigsten Nachrichten gab.
Dieses Verdienst muss man dem Buche lassen, so Vieles sonst an ihm auszusetzen
ist, und so verwerflich ein heutzutage also abgefasstes Werk wäre.
Dem neuen Lexikon kann daher das alte nur als Anhaltspunkt dienen. Soll
unser Buch jenen Anforderungen entsprechen, so ist es auf eine ganz andere Basis
zu gründen, in ganz anderer Weise durchzuführen.