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Leon Battista Alberti.
(in seinem vierundzwanzigsten Jahre) der Phy-
sik und Mathematik, sowie jener räsonirenden
Betrachtung der verschiedensten Lebensfragen
zu, welche man damals Philosophie nannte. Alles,
was nur irgend wissenswerth ist, suchte er nun
sich anzueignen, oder vielmehr Alles, was im
Kreise menschlichen Denkens und Thuns liegt,
erschien ihm wissenswerth. Das Wissen selber
erschien ihm als Zweck des Studiums. Als er
damals die Schrift z De commodis litterarmn atque
incommodis seinemßruderCarlo widmete,schrieb
er diesem, der einzige grosse Vortheil alles Stu-
diums sei vdie Süssigkeit des WiSSGIISu, nicht
irgend ein Gewinn, der damit zu erzielen sei.
Allein nicht bloss aus den Büchern, auch im le-
bendigen Austausch suchte er diese Bereicherung
des Geistes. Daher war er immer bereit zum Um-
gang mit Männern von Bedeutung, mit Künst-
lern und Gelehrten; ja, selbst mit den Handwer-
kern liess er in Verkehr sich ein, um ihnen ihr
Handgeschick abzusehen und sich über ihre Ar-
beit zu unterrichten.
Sein Leben , bald von einer ausgebreiteten
literarischen Thätigkeit ausgefüllt, verlief übri-
gens nicht ohne trübe Tage. Er selbst nennt es
ein Wanderleben voll Beschwerde und Entbeh-
rung. Mehrfach beklagt er sich über 'l'reul0sig-
keit der Freunde, Habsueht und Missachtung der
Verwandten, Neid und Verfolgung der Feinde,
die ihm sein wachsender Ruhm zuzöge. Sicher
aber hatte an diesen schlimmen Erfahrungen
seine Empfindlichkeit, die er selber zugestellt
und vor der ihn ein Brief des Aretiners Leonardo
Bruno warnt, nicht geringere Schuld. Es war
dies die Kehrseite der eigenthümlichen Vorzüge,
die, wie wir gleich sehen werden, in seiner höchst
einpfangliehen und erregbaren Natur lagen; der
eine seiner Biographen nennt ihn einen leicht
reizbaren und zu raschem Zornesausbrilch ge-
neigten Mann. Doch wird seine angeborene Güte
und seine Geduld gegen Beleidigungen gerühmt,
wie denn sein Bruder Carlo anVict0rius schreibt:
vDu weisst ja, wie Battista war, dass er Nie-
mandem eine Bitte abschlagen konnte". Er war
von grosserWohlthätig-keit und von Aufopferung
für die Freunde; und was er sich geistig erwor-
ben, seine Kenntnisse, theilte er mit breiterFrei-
gebigkeit mit. Uebrigens verkehrte er nicht viel
mit der Welt. Die gespannte Stellung zur Fa-
milie, welche er einnahm, wie seine Neigung zu
den Studien liessen ihn ein stilles Leben suchen,
das ferne vom Treiben der Gesellschaft, ohne
grosse Ereignisse und Abenteuer, ohne tieferen
Antheil an den öffentlichen Angelegenheiten in
gleichmässigem Fluss verlief. Auch unterFreun-
den war er zumeist schweigsam und nachdenk-
lich, da es fortwährend in ihm arbeitete, die ver-
schiedensten Ideen u. Erfindungen ihnlebhaft be-
schäftigten. Allein mit dieser Tiefsinnigkeit ver-
band er Leichtigkeit u. Heiterkeit des Umgangs;
Crist. Landinoi preist in einem ihm gewidmeten
Gedichte die Annehmliehkeit seines Hauses:
Gewalt, dass seine Mitbürger ihren Reden Stel-i
len aus seinen Schriften einzufügen liebten (nach
dem Bericht des anonymen Biographen bei Mu-
ratori). Und in der That, noch heute sind der
elegante Fluss und die klassische Gediegenheit
seines Stils bewundernswerth. Dazu kommt bei
ihm eine grosse Lebendigkeit der Darstellung,
die sich schon in der dialogischen Form aus-
spricht, welche er der Mehrzahl seiner Schriften
gegeben hat. Dass ihm dabei iiusserste Klarheit
und Deutlichkeit Hauptbedingung war, spricht
er selber verschiedene Male aus.
Ueber seine Dichtung e n schrieb Angele Po-
liziano an Lorenzo Medici, indem er diesem eine
seiner Schriften schickte , A. sei ebenso ausge-
zeichnet in der Poesie, als vortrefflich in der
Prosa. Doch sind wenige Verse von ihm ge-
blieben. Schon in seinem zwanzigsten Jahre be-
währte er sich als Poet. Er schrieb damals (ab
adolescenti non majori annis XX. editam, wie er
später selbst in der Vorrede berichtet) eine la-
teinische Komödie, Philodoxes, die trotz man-
cher Schwächen bedeutend genug schien, um für
das Werk eines unbekannten römischen Poeten,
des Lepidus, zu gelten. Das Manuskript war von
einem Freunde dem jungen Autor entwendet
und in fehlerhaften Abschriften, was die Täu-
schung eher noch vermehrte, verbreitet worden.
Alberti liess sich dieselbe gefallen und erwiederte
auf die Anfragen nach dem Ursprung der Iland-
sehrift, sie sei einem alten Codex entnommen.
Erst 1437 veröffentlichte er das Werkchen von
Neuem, mit einer Widmung an den Marchese
Leonello von Este und unter seinem eigenen
Namen (Bocchi erzählt, wie zuerst Gio. Albcrti,
Bischof von Cortona, dem Baecio Valori den
wahren Autor entdeckte). llierkwviirdiger Weise
ist dann wieder 1583 dieses etwas wunderlich
allegorische Lustspiel in der Form einerKomödie
des Terenz von Aldus Manutius als das Werk
des vermeintlichen Lepidus gedruckt werden.
Zugleich ein Zeichen, mit wie grosser Meister-
schaft A. die lateinische Sprache beherrschte.
Auch zählt ihn Sabellico (De latinae linguae re-
paratione Dialogus. Colon. 1529. p. 189) zu
jenen, welche die alte römische Sprache zuihrer
Reinheit zuriickfiihrten.
Alberti hatte sich, nachdem sein Vater zu Pa-
dua 1422 gest, dem Studium beider Rechte zu-
gewendet und lag dem selben in Bologna 0b. Bald
erlangte er den Doktorhut und überdies die
Priesterweihe. Doch wurde er in Folge der über-
grossen Anstrengung, trotz seines kräftige n Kör-
pers, schwer leidend; und als er genesen sich der
Rechtswissenschaft wieder mit dem alten Eifer
widmete, verfiel er nach vier Jahren in eine
schwere Krankheit. Nachdem er sie überstan-
den, fand er sein Wortgedäch tniss geschwächt,
und dies, so heisst es, habe ihn bewogen, jene
Studien aufzugeben. Sie her aber hat dazu der
Trieb, die ganze humanistische Bildung zu um-
fassen, weit mehr mitgewirkt. Er we ndete sich