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rathen. Zur Passion bekennt sich Johannes Vuechtelin, und wir
müssen ihn daher von dem Verfertiger der schönen Blätter in Hell-
dunkel unterscheiden, welcher unter dem Zeichen 10 V sich kund gibt,
und zwar durch die beigefügten Grabstichel als Formschneider von
Profession. Ich kann den Johann Ulrich des Mariette, Heinecke, J. G.
von Murr, A. Bartsch u s. w. noch nicht aufgeben, obgleich Passavant
meiner Erklärung in Naumann's Archiv 1857 S. 58 keine Folge gibt. Ein
Johann Ulrich lebte in Strassburg im Hause des Buchdruckers Georg Ulrich
oder Ulricher, welcher die öfter vorkommende Titeleinfassung oben
links und rechts mit den getrennten Zeichen noch später zur Ausgabe
der Concordanz (Argenlina per Georgium Vlricherum) anwandte.
Diese Titeleinfassung hat das Ansehen einer Federzeichnung, und lässt
in der flüchtigen Behandlung leicht den Verfertiger der I0 V gezeich-
neten Blätter in Helldunkel erkennen, aber nicht jenen der alterthüm-
liehen Passion, welcher sich Johannes Vuechtelin nennt. Diesem Hans
Vuechtelin schrieb ausser Passavant der Universitäts-Kupferstecher
Heinrich Lödel schon 1851 die Blätter in Helldunkel zu, indem er
_die Signatur 10 V auf ihn deutete. H. Lödel, der unlängst verstorbene
treftliche Kupferstecher und Formschneider, hat auch die Clairobscurs
des Meisters I0 V copirt, was um so wünschenswerther ist, als dieselben
zu den Seltenheiten gehören. Er schrieb auch eine eigene Abhandlung
über seinen Hans Vuechtelin oder Wechtelin (VVeclzlelin), wir können
aber die Aehnlichkeit der Passionsdarstellungen von 1508 mit den
Blättern in Helldunkel nicht herausfinden. Diese Passion ist uns wohl
bekannt, und wenn die Helldunkel wirklich von einem Johannes Vueoh-
telin herrühren sollten, so ist dieser von dem gleichnamigen Meister
der Passion zu unterscheiden. In der alten Schule gebildet, konnte
dieser in etlichen Jahren seine Eigenthümlichkeit nicht in der Art ver-
läugnen, dass er in den Helldunkelblättern fast unkenntlich erscheint.
Der Vnechtelin der Passion war 1508 kein junger Künstler, wie Passa-
vant zu glauben scheint, da er die Leidensbilder zu den ersten Werken
seines Johannes Wechtlin zählt. Für einen alten Meister kann auf
dem Titel wohl stehen: cum figuris artificiosissimis Joannis Vuecht-
telin. Passavant spricht von einer Ausgabe, in welcher auf dem Titel
auch die Bezeichnung I0 V vorkommt, auf dem uns vorliegenden Exem-
plare ist das Zeichen nicht eingeschnitten. Wenn nun der genannte
Schriftsteller dem einen und demselben Johann Vuechtelin und Wechtlin
die Passion, die Clairobscurs, die anatomischen Abbildungen u. s. w.
zuschreibt, so ist für ihn auch der Umstand misslich, dass er mit
Hartnäckigkeit den alten Malern das Schneidemesser entzieht. Und
sein Wechtlin ist ein Maler, darf also consequenter Weise nicht in
Holz geschnitten haben, wie er diess immer verneint.
Der Maler und Zeichner Hans Wechtlin tritt erst 1514 urkundlich
auf, und er wird früher wenig geleistet haben. Passavant veröffent-
lichet in Naumanms Archiv II. S. 148 einen interessanten Bericht des
Archivars Schneegans in Strassburg. Im Bürgerbuche der Stadt steht
unter dem Jahre 1514: Item Hans Wechllel der Maler hat das Burg-
recht empfangen von Herr Hans Wechtlin Priester seinem Vatter,
m"! dienen zur Steltzen. Actum secunda Ipsa Galli. Hans Wechttel,
sonst auch Wächtle, Wachtelin, Wechtle, Wuechtlin, Vuechtlin ge-
schrieben, trat also den 16. November 1514 als Meister und Bürger
in die Zunft zur Steltzen, die Corporation der Maler, Bildhauer, Gold-
schmiede, Formschneider, Buchdrucker etc. Schon zwei Jahre später
erscheint er als Mitglied der Meisterschaft des Malerhandwerks als
Richter in einer Beschwerde gegen die Stümper. Im Jahre 1517 wurde
ein Injurienstreit geschlichtet, und 1519 trat Wechtlin abermals mit