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1774.
gekommen sei. G. Ullmann erzählt in seinem Buche: Reformatoren
vor der Reformation, II. 300, dass Wessel mit ungefähr 50 Schülern
im sogenannten kleinen Hause gewohnt habe. Sein Stubennachbar,
mit dem er durch ein Wandfenster sprechen konnte, war ein frommer
Jüngling, Johannes von Cöln, der früher ein wackerer Maler und Gold-
schmied gewesen, jetzt aber nach Zwoll gekommen war, um sich unter
der Leitung des Dietrich von Herxen, seit 1415 Vorstand der Bruder-
gemeinde, dem innerlichen Leben zu widmen. Wenn diese Geschichte
auf historischer Wahrheit beruht, wie man kaum bezweifeln kann, dann
ist Johannes von Göln nicht der Verfertiger der Kupferstiche und Ge-
mälde, welche ihm jetzt zugeschrieben werden. Nach der von Delprat
gegebenen archivalischen Notiz über Wesselius müsste Johannes von
Göln schon 1440 Proben eines vorzüglichen Künstlers abgelegt haben,
die Kupferstiche und Gemälde widersprechen aber einer so frühen Zeit.
In den Compositionen ist zwar oft der Einfluss des Jan van Eyck un-
verkennbar, diess ist aber auch noch bei Meistern in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts der Fall. Und in jene Zeit fallen die Kupfer-
stiche, vielleicht erst gegen das letzte Decennium, indem man in meh-
reren Dingen einen Vorläufer des Lukas von Leyden erkennen möchte.
In diesem Falle könnten die Blätter von dem berühmten Maler und
Goldschmied, welcher um 1440 Studiengenosse des J. Wessel war,
sicher nicht herrühren. Merlo, Nachrichten von dem Leben und den
Werken Kölnischer Künstler S. 219, nahm diesen Johannes von Cöln
unter die Künstler der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf, nur
fiel es ihm nicht bei, auch Kupferstiche und Gemälde für ihn zu
beanspruchen. Die Zeitbestimmung scheint aber doch nicht ganz richtig
zu seyn, wenn in Agnetenberg nicht zwei Johannes von Cöln in ver-
schiedenen Perioden vorhanden waren. C. Becker untersuchte 1843
die auf der Bibliothek im Haag aufbewahrte Handschrift des Bruder-
hauses in Agnetenberg, und er will bei der genauen Prüfung ersehen
haben, dass Johannes von Cöln nicht 1440, sondern um 1478 unter
dem Priorate des Theoderich Herxen ins Kloster getreten sei. Becker
legte sein Resultat im Kunstblatt 1843 S. 373 nieder, und widerspricht
somit der Notiz aus der Jugendgeschichte des Johannes Wessel. Allein
woher weiss denn Ullmann, dass Wessel als Student im kleinen Hause
wohnte, welches Rütger von Doetenghen als Procurator trefflich ver-
waltete, und dass Johannes von Coln, der frühere Maler und Gold-
schmied, sein Stubennachbar war, und dass dieser unter Dietrich von
Herxen dem beschaulichen Leben oblag? Die Urkunde des M. Delprat
spricht deutlich von der Zeit des Aufenthaltes des jungen Wessel in
Agnetenberg, und von dem jungen Johannes von Cöln, welcher im welt-
lichen Stande Maler und Goldschmied war. Nach Becker müsste Wessel
um 1478 in Agnetenberg auf Besuch gewesen seyn, und bei dieser Ge-
legenheit den frommen Jüngling Johannes von Göln getroden haben.
Die Zeit um 1478 stimmt allerdings eher für die Kupferstiche, und
daher nimmt sie auch Passavant P. gr. III. p. 178 an. Allein die Sache
ist noch nicht vollkommen entschieden; es kann 1478 ein anderer
Johannes von Cöln ins Kloster getreten seyn, und der Theoderich
Herxen von 1478 ist ein anderer, als Dietrich von Herxen, welcher
nach Ullmann seit 1415 Vorsteher der Brudergemeinde war. Dieser
Dietrich kann 1440 noch gelebt, und dem früheren Maler und Gold-
schmied Johannes von Cöln im gottseligen Leben Anweisung gegeben
haben. Der ältere Johannes von Cöln kann aber die Kupferstiche
nicht gefertigt haben , und es passt auch das Zeichen nicht auf einen
Künstler dieses Namens. Es ist ungewöhnlich, den Namen Johannes
durch I A anzudeuten. Man könnte zwar auch Johannes Azmffaber