2804.
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2804. Johannes Mßmmling tritt im vorhergehenden Artikel als
muthmasslicher Verfertiger eines
Werkes in Miniatur auf, welches
eines grossen Meisters des 15.
Jahrhunderts würdig ist, im k.
Nationalmuseum zu München
sind aber zwei Bildchen in Oel,
welche ebenfalls dem Memling
47 zugeschrieben werden wollen.
Die Bilder des oben erwähnten
Missale romanmn sind aber von den wunderschönen Gemälden des
Museums so verschieden, dass an den einen und denselben Meister
nicht im entferntesten zu denken ist. Wir haben aber die Miniaturen
im Missale dem jetzt gewöhnlich Memling statt Hemling genannten
Meister nicht zuschreiben können, und auch die Oelminiaturen mit den
verzierten Buchstaben IM im Münchener National-Museum stimmen
mit den anerkannten Werken des Hans Ilemling nicht in der Art,
dass man nur auf ihr-Rücksicht nehmen müsste. Das eine dieser
Bildchen stellt den Abschied Christi von der Mutter dar. Der Heiland
stet im Kniestücke links, und erhebt im tiefen Ernste zur Mutter ge-
wandt die Hand. Maria faltet beide Hände unter ihrem Kinne, und
im edelsten Schmerze perlen Thränen über die Wangen. Christus
erscheint in einem blauen Recke, wielclicer in der Farbe nur etwas
tiefer geht, als das ebenfalls blaue Gewand der Maria, welche ein
weisses Tuch über den Kopf geschlagen hat. Sie ist von vorn gesehen,
der Heiland nach rechts gerichtet. Auf der Rückseite des Gemäldes
sind die obigen Buchstaben in Gold aufgetragen. iDas Gegenstück stellt
die hl. Jungfrau mit dem Kinde in den Armen vor. Sie ist in ein
blaues Gewand gehüllt, und die fein gezeichneten goldbraunen Haare
sind fliegend. Das wundrschöne Kind in lichtblauem Gewande erfasst
mit dem einen Händchen ihren Hals, und legt das andere an die Brust der
Mutter. Die Köpfe sind ebenso fein in der Bildung als unnachahmlich
im Ausdruck. Die Hände der Maria und die nackten Füsschen des
Kindes auf das zarteste vollendet, sowie es nur in der Geduld eines
langgeübten Miniaturmalers liegt. Die Bildchen sind nur 3 Z. 7 L.
hoch, und oben abgerundet. Der Goldgrund -ist gedämpft, und rechts
mit bräunlichen Linien schattirt. Auf der Rückseite sind wieder die
Buchstbben IM aufgetragen, auf dem Bilde der Madonna aber in
anderer Form, doch I ebenfalls mit Schreiberzügen, aber mit gebogenen
Schenkeln des M, welche wieder in Ringe auslaufen. Woher diese
Bildchen stammen, ist unseres Wissens noch nicht ermittelt. Gewiss
scheint aber zu seyn, dass sie schon früh in den Besitz der herzoglich
bayerischen Familie gekommen waren. Auf der Rückseite sind die
Inventarnummern 126 und i27 in dicker weisser Farbe theils über
die Initialen I M mit dem Pinsel gestrichen, die alten Züge sind aber
leicht zu verfolgen. im National-Museum zu München ist auch das
Gebetbuch der Herzogin Anna, der Tochter des Kaisers Ferdinand I.
und Gemahlin des kunstliebenden Herzogs Albrecht V. von Bayern,
welche 1580 starb. Dieses Gebetbuch ist mit Miniaturen geziert, und
darunter fast mit demselben Bilde, welches den Abschied Christi von
der Mutter vorstellt. Wenn nun dieses Gebetbuch mit den Oelminia-
turen gleichzeitig wäre, so könnte von Hans Memling oder Hemling
keine Rede seyn, die Herzogin dürfte aber das Buch als kostbare Hand-
schrift von kaiserlichen Händen empfangen haben. Die Gemälde des
Abschiedes von Maria, und der Madonna mit dem Kinde stammen
nach unserm Dafürhalten aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts,