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oben fehlt. Einige Initialen des Textes sind wieder von bedeutender
Grösse, mit den Darstellungen der Verkündigung, der Anbetung der
Hirten und der Könige, der hl. Jungfrau mit dem Kinde vor Simeon,
und eines vor Nonnen die Messe celebrirelmden Priesters, Alles meister-
haft und in grosser Farbenpracht.
Vor dem Can_on ist eine grosse Miniatur mit Christus am Kreuze
zwischen den Mördern und den heiligen Frauen in einer Einfassung.
Gegenüber ist ein ebenso grosses Blatt mit dem jüngsten Gerichte.
Oben erscheint der Weltrichter in einer Feuerglorie, welche von Che-
rubim begrenzt ist. Rechts und links sind Heilige mit Maria und
Johannes, links unten ruft der Engel die Todten aus den Gräbern,
und rechts öffnet sich der Höllenrachen mit Teufeln. Dann folgen
grosse Initialen mit Bildern: ein vor Weltleuten die Messe lesender
Priester, Christus und Gott Vater mit der Taube des hl. Geistes vor
dem Buche der frohen Botschaft, das Abendmahl etc. Auch eine
grösserc prächtig gemalte Darstellung des Püngstfestes mit der im
Vorgrunde knieenden hl. Jungfrau ist beigegeben. Der Schild mit ver-
bundenen Buchstaben IM, aber letztere einfacher mit geraden Linien,
wiederholt sich in der Mitte der Verzierung eines Blattes, auf welchem
im Initial ein Heiliger im Kessel siedet, und die aus der Hostie her-
vorkommende kleine Figur des Heilandes mit ausgebreiteten Armen
anbetet. Die Verzierung der Handschrift ist in gewohnter Weise bis
zum Ende durchgeführt, sowohl am Rande, als in den grossen und
kleinen Initialen in Farben und Gold. Besonders schön sind die
grossen Buchstaben mit Petrus und Paulus, der Himmelfahrt der
Maria im blauen Mantel von Engeln umgeben, mehreren stehenden
Heiligen u. s. w. Die Enthauptnng der hl. Catharina kommt öfter
vor, immer mit derselben Physiognomie. In der unteren Randverzierung
sind zwei Nonnen rechts und links von dem aus dem Schwerte, dem
Bade, der Palme und der Krone gebildeten Wappen. Auch in kleineren
Initialen kommen Figuren vor.
Den Namen des Schreibers und des Miniaturmalers findet man im
Buche nicht angegeben. Am Ende ist das untere Drittel des Perga-
mentblattes abgeschnitten. Wenn Schrift vorhanden war, wie sich
erwarten lässt, so gab sie sicher entweder über den Besteller des
Werkes und auch über den Künstler oder Schreiber Aufschluss. Es
ist auch nicht bekannt, wo Graf Franz Potocki das Missale erworben
hat. Er bekleidete eine hohe Stelle um Hofe und in der russischen
Armee, und lebte mehrere Jahre in St. Petersburg, der frühere Besitzer
wollte in den Miniaturen die Hand des Hans llemling erkennen, und
man hielt das Missale für jenes, welches die Königin Maria de Medicis
besass und nach Russland gekommen seyn soll. Spätere Händler und
theils auch vergebliche Kunstkenner glaubten edenfalls mit mehr oder
weniger Sicherheit die Miniaturen dem Johannes Memling zuschreiben
zu müssen, aber wahrscheinlich nur, weil man diesen Künstler jetzt
häufig Memling statt Hemling nennt, und daher die Initialen IM keine
gezwungene Erklärung zu Enden scheinen. Wir glauben ebenfalls, dass
der Miniator durch diese Buchstaben seinen Namen angedeutet habe,
nur konnten wir in diesem Missale seinen Namen nicht entdecken. Wir
halten den Künstler für einen Franzosen ersten Ranges. In Paris
lebten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts tüchtige Miniatur-
maler, und ihnen verdanken wir die vielen schönen Gebetbücher (Haares)
mit reichem Bilderschmuck in Metall- und Holzschnitt. Vgl. auch
den folgenden Artikel.