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der 'Zeit; vier trauernde Engel erinnern im Adel des Gefühls an
Memling, so auch die in Ohnmacht sinkende hl. Mutter im grünlichen
Ober- und weissblüulichen Untergewande, deren Falten, wie überhaupt
hier reiner in der niederländischen Art durchgeführt sind. Die Schacher,
deren Seelen vom Engel und Teufel aus dem Munde geholt werden,
sind für die Zeit gut gezeichnet. An einem Pfeiler im Chore der Kirche
sind die Portraite der beiden Architekten Nicolaus Oesler oder Eseller,
wie der ältere auch genannt wird. Die Kirche wurde 1444 nach dem
Plane des alten Nicolaus Eseller begonnen, und von seinem gleichna-
migen Sohne fortgeführt. Waagen halt diese Bildnisse nach der ganzen
Auffassung, dem bräunlichen warmen Ton, der gediegenen Behandlung
ebenfalls von der Hand des F. Herlein, aber aus einer etwas späteren
Zeit stammend. Die beiden Oesler oder Eseller waren die Werkleute
der Kirche, und auf den Gemälden ist die Zeit des Baues angegeben,
nämlich 1444 als Beginn, und 1499 als Vollendung des Werkes. Die
Unterschrift muss jedenfalls in einer sehr späten Zeit, wohl erst 1499
hinzugefügt worden seyn, mehrere Jahre nach Herlcin's Tod.
Eines der wenigen datirten Werke dieses Künstlers ist in der
St. B-lasiuskirche zu Bopiingen, nämlich ein grosser Altar, welcher die
Marter des hl. Blasius vorstellt. Auf der unteren Schwelle des innersten
Altarschreines steht: Friderich Iwrlein maler, welcher sich dadurch
wahrscheinlich als Verfertiger der Schnitzwerke kund gibt. Auf den
ilnteren Theilen der beiden Bilderrahmen zu den Altarflügelxi liest man
in einer über beide Flügel sich hinziehenden Linie: D-is werk hat ge-
macht friderich herlcin malcr zu; nerdling z 1115151115311. Aus dieser In-
schrift geht hervor, dass Herlein schon vor 1472 in Nördliugen an-
sässig war, und gegen Beyschlag wird daher nichts einzuwenden seyn,
wenn er 1467 als die Zeit der Aufnahme des Künstlers in Nördlingen
festsetzt. Dass der Künstler damals ein Fremder war, beweiset der
Beisatz zu statt von nerdling. Mit der Bezahlung des Werkes ging es
etwas langsam. Nach einem Saalbucbe von St. Blasi erhielt Herlein
für das Werk 1472 die Summe von 320 Gulden, und von 1483 bis
1489 alljährlich 20 Gulden. Der Bopiinger Altar wurde neuerlich
von Herrn Professor Dauer in Nördlingen restaurirt. Die Rückwand
scheint in Tempera bemalt zu seyn. Das Schweisstuch ist noch am
bessteu erhalten.
In der St. Jakobskirche zu Rotheuburg an der Tauber ist der
Hochaltar im östlichen Chore das zweite durch Unterschrift beglaubigte
Werk des alten Herlciu, welches Waagen l. c. S. 324 beschreibt und
beurtheilt. Das Innere des Altarschreines wird von sechs geschnitzten
und mit grosser Meisterschaft und Zartheit bemalten Figuren von etwa.
zwei Drittel Lobensgrösse eingenommen. In der Mitte ist der von vier
Engeln umschwebte Heiland am Kreuze, zwar übertrieben mager in
dem sonst gut gezeichneten Körper, doch sehr tief und edel im Aus-
druck des Schmerzes. Letzteres gilt auch von Maria und Johannes zu
den Seiten, und von Jacobus und Magdalena, welche sich der Ersten,
einem heiligen Bischof und Antonius, welche sich dem Letzteren an-
schliessen. Der vergoldete Grund ahmt eine Tapete nach. Wenn Herlein
diese Figuren selbst geschnitzt hat, so ist er ohne Zweifel als Bildhauer
viel geistreicher denn als Maler. Aus der Verwandtschaft derselben zur
niederländischen Kunst der Zeit geht indess sicher hervor, dass sie
nach seiner speziellen Angabe ausgeführt worden sind. Die Gemälde,
welche die inneren Seiten der Flügel enthalten, zeigen aber nach
Waagen in allen Theileu den Maler, „der mit niederländischer Arbeit
umgehen kann," wie es in der von Beyschlag beigebrachten Urkunde