EFGW.
1581.
599
tomischen Abbildungen von Wachtlin gezeichnet, da er einmal seine
Befähigung dazu erprobt hatte. Der Auftrag konnte ihm nur von Seite
der Verleger der genannten Druckwerke geworden seyn, und somit
möchte man auch annehmen, dass er für Schott die Titelbordure
mit den gegebenen Schriftbüudern gezeichnet habe. Auf dem ersten
Bande könnte aber nur der Buchstabe W auf ihn gedeutet werden,
was wir nicht mit Sicherheit zu behaupten wagen, da die übrigen
Buchstaben keine Auslegung fänden. Eher würden die Initialen V. A.
auf dem zweiten Streifen für ihn sprechen, wenn man Vuechtlin Argen-
torati oder Argentoratensis lesen wollte. Den Namen Vuechtlin lesen
wir auf dem Titel der Ausgabe der Passion mit lateinischem Text,
und somit ist er sicher.
Wachtlin war zur Zeit, als er die. anatomischen Abbildungen
lieferte, bereits ein Mann von Ansehen, obwohl er erst seit 1514
Bürger in Strassburg war. Wir wissen dieses durch die Mittheilung
des Bibliothekars Schneegans in Dr. Naumanms Archiv für die zeich-
nenden Künste II. S. 148. Im Strassburger Bürgerbuche, heisst es unter
diesem Jahre: Item (1514) Hrms Wechuel der Maler hat das Burgrecht
empfangen von Herr Hans Wechtlin Priester seinem Vutter, wil dienen
zur Stelzen. Actum secunda ipso Galli. Schon zwei Jahre später war er
Mitglied der Meisterschaft des Malerhandwerks, und 1517 erscheint er
mit dreien seiner Genossen als Schiedsrichter in einem Injurienstreite.
Ueber das spätere Wirken dieses Meisters bringt Schneegans kein
Document bei, er macht nur noch auf ein Bildniss des Ph. Melanchton
von 1519 aufmerksam. Dieses Bildniss hat die Inschrift: MELANTON.
ANNO DOMINI. MDXIX. XXXIII. ANNOS. HABVI. Jo. WECHTLIN.
FACIEBAT. Die Jahr-zahl 1519, wenn richtig, muss man aber genauer
ins Auge fassen. Sie kann sich nicht auf Melanchton beziehen, da
dieser den 16. Februar 1497 geboren wurde, und somit 1519 erst
22 Jahre zählte. Es muss also Hans Wechtlin 1519 ein Alter von
33 Jahren gehabt haben. Nach dem Worte FACIEBAT auf dem Bild-
nisse des Melanchton sind zwei kreuzweis über einander gelegte Grab-
stichel, welche Herr Schneegans und sein Gewährsmann, Herr Loedel,
für Pilgerstäbe nehmen. Letzterer will nämlich diesen Wechtlin oder
Vuechtlin mit dem von Bartsch VII. p. 449 eingeführten Johann Ulrich
Pilgrim identificiren, wie wir unter Io. X V. näher erörtern werden.
Der Name Pilgrim wurde aus den gekreuzten Schneidemessern abge-
leitet, welche man für Pilgcrstäbe nahm, so dass selbst Bartsch den
Künstler Io. V (Johann Vlrich) Le maitre aua: bourdons croises nannte.
Dic Holzschnitte des letzteren sind in Helldtinkel ausgeführt, und
weichen von den Passionsvorstellungen des Johannes Vuechtlin we-
sentlich ab. Die Kunstweise des letzteren hält zwischen Hans Baldung
Grien und Hans Schänfelein etwa die Mitte, seine auffallend grossen
Köpfe finden aber bei keinem von beiden, am wenigsten bei Io. V.
eine Analogie. Wenn J. Wechtlin das Bildniss des Melanchton, welcher
1519 in den Leipziger Ileligionsstreit verwickelt war, und in diesem
Jahre Strassbtirg wohl gar nicht sah, in Helldunkel ausgeführt hat,
so ist diess vielleicht nur ein Versuch in einer damals noch neuen
Kunst, welche der sogenannte Pilgrim nicht erfand, wie Bartsch glaubt.
Vuechtlin erlangte als Künstler eine frühe Reife, wenn er 1519
in einem Alter von 33 Jahren stand. Im Jahre 1508 erschien nämlich
sein Holzschnittwerk, welches Darstellungen aus der Leidensgeschichte
des Herrn, oder vielmehr Bilder aus dem Leben Jesu bis zum jüngsten
Gerichte enthält. Es erschien unter dem Titel: Passio Jesu Chi-im
salvatoris mundi, vario carminum genere F. Benerlicti Chelidonij Muso-
phili doctissime descriptu , cum figuris artifieiosissimis Jozmnis Vueehtlin.