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1477.
da derjenige, welcher Seinen Initialen die Jahrzahl beifügte, bei Hin-
weglassung des Datums das Schriftzeichen nicht geändert haben dürfte.
Man kann offenbar auf zweierlei Handschriften schliessen, was bei
dem einen und demselben Schreiberßim 15. Jahrhundert nicht leicht
anzunehmen ist. Man möchte daher glauben, dass sich in die Buch-
staben E und E. S. zwei Künstler theilen müssen, etwa Vater und
Sohn. Der Meister von 1466 ist dann das Haupt der" Schule, und
seinen Zöglingen und Nachahmern fällt ein guter Theil der Blätter zu,
welche wegen ihrer Analogie dem Meister von 1466 zugeschrieben
werden. Die Zahl oder mehr oder weniger gleichartigen Stiche aus
jener Zeit ist zu gross, als dass sie von derselben Hand in einem
Zeitraume von 30 bis 40 Jahren gefertigt seyn könnten, während
die Thätigkeit des Meisters E. S. nur auf die Zeit von 1466- 1467
weist. Wir glauben übrigens, dass auch noch mehrere undatirte
Blätter von ihm herrühren, und dass er nur in seltenen Fällen
die Initialen beigefügt habe. Durch eine solche Ausscheidung ver-
lieren aber die interessanten und höchst seltenen Blätter, welche
jetzt in Ueberzahl dem Meister E. S. zugeschrieben werden, nicht an
ihrem Werthe, und die Besitzer werden sich nicht im geringsten be-
einträchtigt fühlen. Jeder wird aber bei Betrachtung der Blätter seiner
Sammlung einsehen, dass in der Zeichnung und in der Stichweise ein
merklicher Unterschied sei. Mehrere sind sehr schön, und mit grosser
Sicherheit gestochen. Die feinen Strichelungen ahmen öfters Stift-
zeichnungen nach, und das gefällige, nicht selten correkte Bild könnte
man ohne Zeichen und I)atum in eine viel spätere Zeit setzen. Andere
Blätter sind dagegen hart und von schlechtem Geschmacke , was aber
nichts weniger, als auf eine frühere Periode deutet. Es gebricht nur
am künstlerischen Vermögen , da nicht jeder Schüler und Nachahmer
des Meisters mit gleicher Freiheit sich bewegen konnte. Wir wollen
nämlich entschiedenannehmen, dass der Anonymus E. oder E. S. das
Haupt der Schule sei, da ihm einmal diese Rolle zugewiesen wird.
Die Zahl der Blätter mit der gegebenen Bezeichnung ist gering,
und sie stimmen weder in der Conception, noch in der Behandlung
vollkommen überein. Es spricht sich darin, wie fast in allen Stichen
dieser Art, der Charakter der oberdeutschen Schule aus, nicht jener
der cölnischen, niederdeutschen, oder gar der burgundischen, wie man
auch glauben machen wollte. Ueber dieses Capitel werden wir aber
unter den Initialen E S handeln. Die Initialen mit den Jahrzahlen
haben wir nach den betreffenden Originalblättern gezeichnet. Das
dritte und das fünfte gibt Bartsch, das vierte fügt unvollkommen Bml-
liot bei. Blätter mit diesen drei Initialen sind in der reichen Samm-
lungdes k. Cabinets in München nicht vorhanden.
1) Die betende Maria, in halber Figur etwas nach links gerichtet.
Sie "faltet "die Hände, .und senkt den Blick nach dem vor ihr auf einer
Brüstung auf dem Kissen liegenden offenen Buche. Von ihrem Haupte
fällt ein langer Schleier herab, oder es ist vielmehr das Uebergewand
über den Kopf gelegt. Den Grund bildet ein Fenster mit drei im
Halbkreise geschlossenen Bogen, und oben reChtS und links ist ein
leeres Wappenschild. Links vom Kopfe steht das erste E, und rechts
die Jahrzahl M67, wie oben gegeben. Höhe der Platte 5 Z. 6 L.
Br. 4 Z. L.
Dieses Blatt hatte Bartsch nicht gesehen, und daher zählt er es
im Anhangs nach Heinecke (Neue Nachrichten 395) Seite 48 auf.
Frenzel l. c. S. 29 N0. 21 geht ebenfalls darauf ein, aber ohne Augen-
schein genommen zu haben, da er die Zahl 4 1n arabischer Form gibt,