1614.
719
vierte Blatt stellt die Geisslung Christi dar, und ist: MATHEVSE, be-
zeichnet. Mau glaubt, dass diese Holzschnitte von einem italienischen
Meister aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts herrühren, allein der
Formschneider Matheus lebte in Augsburg, und mag auch Italien ge-
sehen haben, wenn er nicht ausschliesslich Kupferstiche von alten
Meistern der Rafaellschen Schule copirt hat. Seinen Namen findet man
auf einem Helldtinkel von drei Platten, welches Bartsch IX. p. 426 be-
schreibt. Dieses Blatt stellt die Flucht nach Aegypten vor, anschein-
lich nach der Zeichnung eines italienischen Meisters, dessen Styl Jenem
des Luca Penni ähnelt. An der Stufe einer Pyramide steht in die Tiefe
geschnitten: JORG MATHEIS FVRMSCHNEIDER VA.. AVGSPVRG,
doch nur im zweiten Drucke. Im ersten fehlt diese Schrift, und man
liest unten nur in der Mitte am Säulenfragmente den Namen MATHEVS
in Umrissen. H. 12 Z. 6 L. Br. 17 Z. 7 L. Dieses Blatt ist sehr
gut behandelt, und zeigt den Künstler von einer vortheilhaftercn Seite,
als ein zweites, welches Maria und Martha vorstellt, wie sie nach dem
Tempel gehen. Matheus hat diese Darstellung nach dem Stiche von
Marc Anton copirt, welchen Bartsch XIV. N0. 45 "Nette-Dame de
Pescalier" betitelt. Der Formschneider setzte aber nur den Buchstaben
M auf die Platte, so dass wir an der betreifenden Stelle weiter über
ihn handeln werden.
Die oben ervrahnten vier Darstellungen aus der Passion in Rund-
ungen sind nicht in Helldunkel behandelt, und weichen im Style von
den Blättern in Helldunkel ab. Sie sind auch nur Copien nach älteren
Holzschnitten, welche besser in der Zeichnung als in der technischen
Behandlung sind. Die Originale haben auch nur 8 Z. 7 L. im Durch-
messer. Es fragt sich nun, was der Buchstabe b auf dem Blatte mit
der Dornenkrönung bedeute. J edenfalls- dürfte der alte Meister darunter
zu verstehen seyn, welcher entweder die Zeichnungen zu den Leidens-
geschichten gefertiget, oder sie ursprünglich selbst geschnitten hat, in-
dem auf den Originalblätttern der Name des Matheus nicht vorkommt.
Der Zeit nach könnte man an Thomas Burgkmair, den Schüler des 1504
verstorbenen Hans Bemler denken. Dieser Künstler, der Vater des
Hans Burgkmair, malte Darstellungen aus der biblischen Geschichte
und aus der Legende, und verfuhr ziemlich handwerksmassig, so dass
er unter dem alten Hans Holbein steht. Einen vorzüglichen Meister
beurkunden auch die Holzschnitte mit den Leidens-Sonnen nicht, und
da Th. Burgkmair erst 1523 starb, so könnte er wohl die Zeichnungen,
wenn nicht die Schnitte geliefert haben. Hans Burgkmair war bekannt-
lich ebenfalls Maler und Formschneider, und könnte somit im väter-
lichen Hause bereits mit der Technik der Xylographie vertraut geworden
seyn, da er mit Unrecht als Schüler des A. Dürer bezeichnet wird.
Th. Burgkmair behauptet aber oben N0. 1605 noch eine andere Stelle,
und vielleicht mit mehr Recht. An Jörg Brue (Broy, Brew) ist kaum
zu denken, da er sich eines anderen Zeichens bediente, das b im oberen
Theile mit einem Querstrich zeichnete. Ausserdem könnte man nur
noch an jenen Bernardus Pictor denken, welcher mit dem Buchdrucker
Erhard Ratold in Verbindung stand, aber schon 1477 mit diesem die
Herausgabe des Apian in Venedig besorgte. Bernhard war zwar sicher
auch Formschneider, wie wir oben S. 714 nachzuweisen versucht haben,
die Passionsbilder haben aber mit der alten paduanisch-venezianischen
Schule nichts gemein. Bernhard blieb wahrscheinlich in Italien, da er
im alten, von Thomas Burgkmair 1460 angelegten Handwerksliuche der
Augsburger Zunft nicht eingetragen ist.