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ANDR.
1026.
trefflichen Nachahmer des Giovanni Bellini verrathen. Von besonderer
Schönheit und Naivetät sind seine weiblichen und Engelsköpfe, öfter
an Rafael und Leonardo crinnernd. Die Verkündigung Unsers Herrn
durch den Engel in Ceueda bei Cadore betrachtete Tizian öfter mit
Entzücken. Die Ilauptwverke des Künstlers sind aber in den Kirchen
zu Bergamo. Auf einigen steht obige Abbreviatur. Previtali starb nach
Lanzi 1528 an der Pest, im Servitore di Piazza della citta di Bergamo
1825 ist aber seine Lebenszeit bis 1550 ausgedehnt.
Diese Inschrift iin-
1026. A. D. MCCCLVII. de, man aufemem
ANDREAS ClONlS TemPera-ßilde in
der Capelle Strozzi
"I " bei St. Maria N0-
DE FLORLTIA Mh PlNXlT. WM, In
der mittleren Abtheilung ist unter einem Spitzbogen die thronende
Maria von Engeln und Cherubim umgeben, und in vier anderen spitz-
bogigen Abtheilungen sind Heilige dargestellt. Unten ist die gegebene
Aufschrift, welche auch Brulliot III. N0. 69 beifügte, aber irrig mit
der Jahrzahl 1457.
Andrea Ciouis ist das Haupt einer zahlreichen Künstlerfamilie,
und jener Meister, welchen Ghiberti Orcagna, und Vasari Orgagna,
nennen. Diese Beinamen sind seither in die Kunstgeschichte über-
gegangen, und selbst in den neuesten Werken über Malerei nicht aus-
zumerzen. Der Name Orcagna kommt aber allein dem Andrea zu,
dem Sohne des Cione. Letzterer wird zu den Goldschmieden gezählt,
und Zani will sogar wissen, dass er sich durch grosse Ciselirarbeiten
einen rühmlichen Namen gemacht habe, deren aber Niemand angeben
kann. Auf die Corruption des Namens Orcagna hat bereits B. von Ru-
mohr in den Italienischen Forschungen II. S. 113 hingewiesen, und sie
geht klar hervor aus folgender Zusammenstellung der Benennungen in
alten urkundlichen Schriften: Andrea Archagniolo; Andrea di Cione ar-
chagniolo dipintore; Andrea Archagvio; Andrea arcagüo: dello Wchngnio;
dt-W archagnielo; dell" archagnio. Die Form dello 'rchagnio gibt den
Schlüssel der Corruption des Namens. Man schrieb bald statt „dello
Tchagnio" dell' Orcagnio, und endlich Orcagna. B. von Rumohr glaubt,
der Künstler habe wegen der Schönheit der Engel und Erzengel auf
dem Gemälde der Capelle Strozzi den Beinamen Andrea degli Archag-
nuoli erhalten, aus welchem dann durch Metonymie l'Arcagnu0lo, und
zuletzt l'Orcagna entstanden wäre.
Andrea di Cione war ein tiefsinniger, phantasiereicher Künstler,
in dessen Werken Dante's Geist waltet. Sein Triumph des Todes im
Campo santo zu Pisa überragt an Grossheit und Tiefe des Gefühls alle
Werke gleichzeitiger Meister. Hierin liegt auch die erste Idee zum
Todtentanze, welchen sich im 15. und 16. Jahrhunderte die tüchtigsten
Meister zur Aufgabe machten. Im Geiste Dante's entworfen ist auch
das jüngste Gericht und die Hölle," welche ebenfalls im Campo santo
zu sehen sind. Die Hölle malte aber Bernardino di Giene, der Bruder
des Andreas, doch wohl nachder Angabe des Letzteren. In diesen
Gemälden sind eine Menge von Figuren angebracht, und selbst der
Dichter hätte sich die Composition nicht bizarrer denken können. Carlo
Lasinio hat diese Gemälde für dessen Pitture diCampo santo gestochen.
Die Darstellung der Hölle ist aber auch von einem alten Meister zwei-
mal gestochen. Bartsch P. gr. XIII. p. 90 N0. 8 kennt indessen nur
ein Blatt, dessen Platte noch zur Zeit des A. de Morrona vorhanden
war, da "dieser sie für seine Pisa illustrata. Pisa 1787, abdrucken liess.