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Das von Zanetti und Zani erwähnte interessante Aktenstück befindet
sich nach Harzen im Archiv der Procuratie nnove di san Marco, wo-
selbst Zanetti Kenntniss davon genommen haben wird. Es enthält das
Gutachten einer Commission von Sachverständigen über gewisse von
den Gebrüdern Zucati in der Vorhalle der St. Markuskirche nicht c0n-
traktmässig gelieferte Mosaikbilder, zu Protokoll genommen am 22.Mai
1563. Die Commission bestand aus den Malern Tizian, Jacopo da Pi-
stoja, Tintoretto, Paolo Veronese, Jacobo Sansevino und Andrea Schia-
vene, welcher im Protokolle "Andreas Sclabonus diclus Mcdola." heisst.
Herr Harzen geht auf dieses Document näher ein, nnd gibt es grossen-
theils nach dem Textlaute. Andrea Schiavone erscheint darin zwei-
mal mit dem Beinamen Medola, wodurch ZanettPs Angabe bestätiget,
und die vielbestrittene Identität vollkommen nachgewiesen ist. Es ist
schwer zu glauben, dass Zani bei öfterer Anwesenheit in Venedig nicht
zur Kenntniss des Sachverhältnisses gelangt seyn sollte, und daher sein
Schweigen kaum anders zu erklären, als dass er, einmal zu weit gg-
gangen, sich nicht habe entschliessen können, den Irrthum einzugestehen.
Desswegen ist wohl unter seinen auf der Bibliothekin Parma bewahrten
hinterlassenen Schriften die Abhandlung üher Meldolla nicht enthalten.
Aus der erwähnten Urkunde scheint hervorzugehen, dass man in
Venedig den Künstler mehr unter dem Namen Medola, als unter dem
Namen Schiavone gekannt habe. Nach der gewöhnlichen Annahme
stammt er aus Sebenico, und war demnach ein Slavonier, wesswegen er
im Protokolle Andreas Sclabonus genannt wird, was die gleiche Bedeut-
ung mit A. Schiavone hat. Der Slavonier müsste daher den Beinamen
Medola, oder richtiger Meldolla geführt haben, wenn nicht Vielmehr
letzterer der Familienname des Künstlers ist. Er scheint mit dem
Namen Schiavonc nie selbst signirt zu haben, gleichsam als ob diese
Benennung einer gering geschätzten Classe von Arbeitern, welche all-
jährlich von der dalmatischen Küste einwanderten, ihm zuwider ge-
wesen wäre, wie Harzen vermuthet. Uebrigens aber scheint das Pro-
tokoll des Archives der Procuratien auf seine slavonische Abkunft hin-
zudeuten, welche er seinerseits durch den Beinamen Medola oder Meldolla.
verläugnen wollte. Von Sebenico könnte auch sein Vater gekommen
seyn, welcher in Italien Schiavone, d. h. der Slavonier genannt
worden seyn könnte. Der Beinamen des Vaters ging im 16. Jahrhun-
dert in Italien häufig auf den Sohn über, und somit wurde der Künstler
im Protokolle vielleicht A. Sclabonus genannt, ohne dass er in Slavo-
uien geboren wurde. In diesem Falle wäre nach Harzen Meldolla der
eigentliche Familienname, oder es wurde dieser von einem solchen Orte
in der Nähe von Carpi hergenommen, da auch die Herren von Carpi
denselben im Titel führten. Zani will indessen wissen, dass hieldolla
eine verschiedene Lesart- des im Lande Parma häufig vorkommenden
Familiennamens Mazzuola sei. Wenn dieses richtig ist, so liesse sich
nach Harzen schliessen, dass Andrea denselben als Beinamen für seine
Vorliebe und Hinneigung zum Style des Francesco Mazznola Parmegiano
erhalten habe, etwa wie Giuseppe Porta nach seinem Lehrer Francesco
Rossi, Salviato genannt wurde, welcher diesen Beinamen der Protektion
des Cardinal Salviati verdankte. In diesem Falle wäre aber Meldolla nicht
der Familienname des Andreas Slavonus oder Schiavone. Wir möchten
aber dennoch mit Harzen "Andrea Meldolla detto Scbiavone" lesen.
War Meldolla ein Slavonier, oder von slavonischer Abkunft, wie es zu
seyn scheint, so ist jene Benennung folgerecht, und der Schreiber von
S. Marcus hat den Namen des Malers nicht genau aufgefasst.
Nach Harzen lassen sich die Blätter dieses Meisters in zwei Classen
eintheilen, nämlich in geätzte, mit dem Namen Schiavone's, und geritzte,