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DÜRER.
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liegt es nahe, dass der genannte Künstler auch seinem Johannes die
Zuge Luther's gegeben habe, so wie es denn auch bekannt ist, mit
welcher Verehrung Dürer an dem grossen Reformator hing. Die Zeich-
nung bei Erzherzog Carl von Oesterreich hat Düreris Zeichen mit der
Jahrzahl152J3. In der Zeichnungssammlung des Sir Thomas Lawrence
waren mehrere Naturstudien von gleicher Behandlungsweise mit den
Jahrzahlen 152i und 1523, besonders von der IPrauengruppe links, oder
den heiligen Frauen in Nürnberger Tracht. Weigel vermuthet darunter
Fiirstinnen, welche der Reformation zugethan waren, insbesondere von
sächsischen Häusern. Somit erhält uns die unvollendete Platte eine
Composition, welche zu den reichsten des Meisters gehört, an deren
Vollendung ihn aber unbekannte Verhältnisse hinderten.
12) Der am Kreuze sterbende Heiland, B. N0. 24. Vor dem Kreuze
sind vier heilige Frauen, und am Fusse desselben wird Maria in ihrer
Ohnmacht von einer solchen unterstützt. Rechts erhebt Johannes die
Hände. Unten in der Mitte ist das Täfelchen mit dem Monogramme,
und 1508. H. 4 Z. 11 L. Br. 3 Z. 7 L. Heller macht auf mehrere
Copien aufmerksam, welche leicht kenntlich sind. Es gibt aber auch
noch eine andere alte und merkwürdige Copie von der Originalseite
mit Monogramm und Jahrzahl, welche nach der Angabe im Acker-
manmschen Oatalog, Dresden 1853, N0. 116, weniger durch Einzeln-
heiten als durch die minder geistige Ausdrucksweise erkannt wird. Zwei
runde Copien erwähnt W. Schorn im Kunstblatt 1830 S. 56.
13) Das kleine Crucifix, auch Maximilians Degenknopf genannt,
B. 23. Dieses äusserst seltene Blatt stellt Christus am Kreuze von
sechs Figuren umgeben dar. Rechts ist lifaria in Begleitung von zwei
Frauen, links hinter Johannes sieht man einen Soldaten mit dem Schilde,
und Magdalena umfasst den Stamm des Kreuzes. Durchmesseri Z. 5 L.
Ueber das Original dieses sogenannten Degenknopfes ist schon viel
hin- und hergestritten worden. (Vgl. die Mittheilungen von Sotzmann und
Schorn, Kunstblatt 1840 N0. 55, und von J. D. Passavant im Kunst-
blatt 1840 S. 233 u. 396.) Bartsch hat nämlich in seinem Cataloge der
Blätter A. Dürerls die täuschende Copie für das Original genommen,
und letzteres als Copie A. erwähnt. Diese Bestimmung wurde auch von
Heller u. s. w. festgehalten, und somit mag mancher Liebhaber das
angebliche Original um theueres Geld erworben haben, während er jetzt
dasselbe als Copie bezeichnet findet. Passavant hat endlich nach viel-
fachen Untersuchungen und Vergleichen die Frage gelöst, und das Re-
sultat im deutschen Kunstblatte 1852 S. 144 bekannt gegeben. Wir
finden uns daher bemüssiget, hier auf dasselbe einzugehen, und zwar
mit Passavanüs Worten.
Original. Abgesehen, dass es bei weitem freier, geistreicher
und meisterlicher in Dürer-h; Weise behandelt ist, als alle Copien, so
ist es an folgenden Merkmalen leicht zu erkennen. Am oberen Rande
des Täielchens mit INRI am Kreuze befinden sich drei Einfassungs-
striche, statt der zwei an den drei anderen Seiten. Das erste I rechts
der Inschrift steht gleich weit von beiden Randlinien ab. An der Ach-
sel des links hinter Johannes stehenden Soldaten bildet ein Schatten-
strieh, verbunden mit einem der Strahlen, einen Hacken. Die Füsse
des Christus und Johannes sind nachlässig gezeichnet, so dass die letzten
Zehen kaum mehr als angedeutet sind, während die grosse Zehe des
Johannes übermässig gross und spitz ist. Der Kreis der Einfassung
hat rechts einen ausgeiahrnen Strich. Auktion Arndt 161 Thlr. Acker-
mann 135 Thlr.
Oopie A. Diese ist sehr täuschend, wenngleich weniger frei und
geistreich behandelt. Das Täfelchen hat oben nur zwei Einfassungs-