DÜRER.
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geben hat, welcher jenen einer früheren Periode an Werth und Interesse
weit übertrifft. Ueber die Literatur verbreiten wir uns hier nicht weiter,
da sie "in der Einleitung des ersten Heftes angegeben, und auch an den
betreffenden Stellen berücksichtiget ist.
Zum weiteren "Verstandniss müssen wir aber auch noch den Streit-
punkt wegen der Eigenhändigkeit von Malerformschnitten berühren, da
dieser durch den Ausspruch des hochverdienten Adam von Bartsch:
„dass es die alten Maler unter ihrer Würde gehalten hätten, selbst in
Holz zu schneiden," noch nicht gehoben ist. Man hatte sich indessen
der übrigens anerkannten Autorität des genannten Schriftstellers nie
vollkommen unterworf es entbrannte aber kein gelehrter Streit, als
Heller 1823 in seiuüeschichte der Formschneidekunst S. 161 die
Behauptung wagte, Albrecht Dürer nicht nur bei den meisten
Formschnitten die Zeichnung auf die Holzplatten gemacht, sondern auch
Köpfe, Hände und andere Hauptparthien mit der feinen Schneide, d. h.
dem Messerchen, umschnitten habe. Der Kampf begann erst nach dem
Erscheinenvon C. F. v. Rumohfs Schrift: Hans Uolbein der jüngere in
seinem Verhälmiss zum deutschen Formsrhnitlwesen (mit Zusätzen von R.
Weigel). Leipzig 1836, und als dieser Schriftsteller im folgenden Jahre
in dem Werke: Zur Geschichte und Theorie der Formsclmeidekunst, noch
entschiedener für die Eigenhandigkeit Dürerhicher Formschnitto sich
ausgesprochen hatte, wurde zunächst im Stuttgarter Kunstblatte u. s. w.
eine heftige Polemik pro et contra geführt. In Folge derselben erschien
eine neue Flugschrift von A. E. Umbreit: Ueber die Eigenhdndigkeit der
Malerformsrhnieze. Leipzig 1840. und diese ist wahrscheinlich noch nicht
die letzte, da man sich, wie es scheint, selbst nicht einmal dahin ver-
ständigen will, dass Dürer unter den vielen ihm zugeschriebenen Blät-
tern wenigstens einen geringen Theil selbst geschnitten habe. Sie alle
für eigenhändige Arbeiten zu erklären, fallt überhaupt keinem Sach-
kundigen ein. Es sind aber so viele, noch immer ungeschwächte Gründe
vorhanden, dass Dürer selbst, anfangs zum Erwerb, dann nach Lust
und Laune, in der so malerischen Kunstart des Formschneidens sich
eigenhändig versucht habe. Und gerade durch eine unmittelbare Theil-
nahme konnte in seiner Schule der Formschnitt von der früheren küm-
merlichen Beschränktheit zu jener Freiheit und Grösse sich emporheben,
welche wir in den xylographischen Erzeugnissen seiner Zeit bewundern.
Die alten, zünftigen Maler waren nicht so vornehmer Natur, dass sie
den Vortheil, welchen ihnen das Schneidmesser einbringen konnte, ver-
schmahen zu müssen glaubten, und namentlich lag es im höchsten In-
teresse DÜYQIJS, den Eormschnitt durohzubilden, da er die Apokalypse
und die Passion sicher nicht zum Zeitvertreibe, sondern um daraus
Nutzen zu ziehen, illustrirt hatte. Es ist kein Formschneider aus jener
frühen Zeit bekannt, welcher mit solcher Meisterschaft gearbeitet hat,
und da überhaupt mit dem Erscheinen dieser Werke eine neue, glanz-
volle Epoche der Formschneidekunst beginnt, so liegt es auf platter
Hand. dass nur Er im Stande war, jener früher so beschrankten Kunst
den Stempel der Vollendung aufzudrücken. Den alten Malern lag ge-
wiss das Schneidmesser naher, als den modernen. Erstere waren meistens
zugleich auch Bildsclinitzer, und besessen daher jene Handfertigkeit,
welche zur Führung des Messers und des Grabeisens erfordert wird.
Der unten beschriebene Holzschnitt von 1497, die Ritter mit den
Todtengerippen, wird als Beweis für Düreris frühe Handhabung des
Schneidemessers nicht zurückgewiesen werden können. Der erste Ver-
such ist ihm zwar misslungen, was aber einen so beharrlichen Meister
nicht abschrecken konnte, das in seinem Geiste vorgezeichnete Ziel
weiter zu verfolgen. Erst dann, als geschickte Foimsrähnieider von Pro-
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