Volltext: A - CF (Bd. 1)

187. 
187. Alessandro Bonvioino, genannt il Moretto da Bresoia, ge- 
hört zu den grössten Malern des 16. Jahrhunderts, und er 
A B wird mit Unrecht zu den Nachahmern Tizian's und RafaePs 
' ' gezahlt. In keinem Werke über Kunst-und Künstler wird 
ihm sein verdientes Lob zugemessen, und daher möge man dieses auch 
für das neue allgemeine Künstler-Lexicon zur Notiz nehmen. Bonvi- 
cino ist so originell als Tizian und Rafael Santi von Urbino. Er schöpfte 
wie diese Meister aus der Natur und seinem eigenen geistigen Born, 
und wenn er sich von Tizian und allen Künstlern seiner Schule auf 
den ersten Blick unterscheidet, so treten alle jene Vorzüge, welche 
Moretto besitzt, in Rafaells Werken nur noch in einem höheren Grade 
hervor. An Reinheit der Seele, und an religiöser Begeisterung einem 
Beato Angelico gleich, ging er an die Ausführung eines Bildes der 
Madonna nur nach dem Eülpfälllg des hl. Sakraments, und nach einiger 
Vorbereitung durch Fasten und Gebet. Seine Figuren sind gewählt, 
zuweilen etwas statuarisch, aber von einer Würde und einer Schönheit 
der Form, welche theils durch den seelenvollen Ausdruck der Köpfe, 
theils durch die Ruhe und den Ernst des ganzen Wesens nur noch 
mehr hinreissen, und das Gefühl des Religiösen erwecken. Dabei be- 
sitzt Moretto auch in malerischer Hinsieht grosse Vorzüge, alle Reize 
des Colorits und des zanberischen Helldunkcls, gesetzt auch, dass diese 
Mittel nicht in allen Bildern in gleichem Maasse erschöpft sind. Im 
Allgemeinen hnldigte er der kalten Farbenscala, indem er mit Vorliebe 
Blau, Weiss, Grau und Schwarz anwendete, damit aber alle übrigen 
Nuancen verband, wodurch seine Gemälde bei dem reinen Himmelblau 
im schönsten Silbertone leuchten, und dem Auge eine wohlthätige Ruhe 
gewähren. Tizian wählte immer die warme Farbenleiter, und erzielte 
daher das Gegentheil von dem, was Moretto mit Bewusstseyn anstrebte. 
Der bis in die Fleischtheile gehende grauliche Ton in den Bildern 
unsers Meisters ist dem Tizian bei seiner goldigen Wärme unbekannt. 
Lanzi fand den eigenthümlichen Farbenton in MorettPs Gemälden be- 
reits auifallend, und von jenem Tizian's abweichend, er bemerkt aber 
sonderbarer Weise, dass sich der Künstler in den Draperien nur selten 
des Blau bedient habe, während im Gegentheile gerade das helle Blau 
in Moretto's kalter Toyiter vorherrschend ist. Die Werke dieses be- 
rühmten Meisters sind ahlreich, sowohl in Italien als in Deutschland. 
Einige musste ihm Pordenone überlassen, wie das berühmte Bild der 
Madonna mit den vier Kirchenvätern, welches 1845 aus der Gallerie 
Fesch für 80,000 Fr. in das Museum zu Frankfurt am Main überging. 
Es wurde von jeher dem Pordenone zugeschrieben, trägt aber alle 
Kennzeichen des Moretto da Brescia. Diess ist auch mit dem maje- 
stätischen Bilde der hl. Jnstina. mit dem Einhorn in der Gallerie des 
Belvedere zu Wien der Fall. Der Catalog wird es wohl noch lange 
als ein Gemälde des Pordenone bezeichnen, während die k. k. Gallerie 
darin geradezu eines der Meisterwerke des Moretto besitzt. 
Mit A. B. bezeichnet kennen wir nur ein einziges Bild, das Por- 
trait eines Mannes, wahrscheinlich eines Arztes im Palazze Brig- 
nole zu Genua. Am Sockel des Hintergrundes steht in vier Zeilen: 
VwV ipvxäig 1 MD I XXX l III A. B. Andere Gemälde tragen den 
Namen des Meisters, die meisten sind aber unbezeichnet. Auf einem 
grossen Gemälde der Gallerie in Venedig, welches die Magdalena vor- 
stellt, wie sie dem Herrn die Füsse salbet, liest man: Alexander Moretus 
Brix. f. M. D. XV. Aueh in S. Giorgio zu Verona ist ein Bild mit 
dem Namen des Künstlers. Es stellt die hl. Cäcilia mit mehreren 
Frauen vor, und oben die Madonna mit dem Kinde.
	        
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