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Theil.
Capitel.
Die vor 1883 aufgefundenen Actenstücke sind von einigen
Schriftstellern in einer Weise erklärt und erläutert worden,
dass der Charakter Rembrandts trotz deren Veröffentlichung
in tadelloser Reinheit erglänzte. Sogar die Herausgeber der
in "Oud-Holland", einer Zeitschrift für Kunst und Literatur,
seit 1883 erschienenen neuesten Actenfunde suchen Reni-
brandt in jeder Weise zu entschuldigen, ohne indessen jetzt
noch die dunklen Flecken, Welche durch diese Veröffent-
lichungen zum Vorschein gekommen sind, von seinem Cha-
rakter dadurch entfernen zu können. Rembrandt erscheint
demnach, trotz der vielen für seine Ehrenrettung aufge-
wendeten Mühe in einem durchaus zweifelhaften Lichte, und
es ist interessant und lohnend, die alte und die neue Literatur
und die Berichte der Notariatsacten mit einander zu ver-
gleichen. Es ist freilich nöthig, bei der Kritik einer so sub-
tilen und vielbehandelten Frage alle Illusionen zu ver-
bannen und objectiv auf den geistigen Inhalt der über
Rembrandt bekannt gewordenen Thatsachen einzugehen, um
so der YVahrheit und Klarheit in dieser belangreichen, ein-
schneidenden und für die Kunst- und Culturgeschichte
Hollands Wichtigen. Angelegenheit zum Siege zu verhelfen
und zugleich ein psychologisches Problem zu lösen, bei dem
es sich um das Verhältniss handelt, in Welchem der Cha-
rakter des Menschen zu seiner intellectuellen Veranlagung
Talent und Genie steht und nur stehen kann.
Die alten Biographen geben nur skizzenhafte Abrisse
aus Rembrandts Leben und machen uns nur mit Wenigen
Charakterzügen des Künstlers bekannt. Sie berichten Anek-
doten, den Leser zu amüsiren und zu unterhalten. Dieselben
sind kritiklos hingeschrieben, aber nicht bösartig erfunden-