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Theil.
Capitel.
schiedenen Museen angehörenden Gemälden zu betrachten,
da das menschliche Gedächtniss nicht ausreichend ist, um
bei der empirischen Forschung sich alle Einzelheiten der
Kunstwerke auf die Dauer genau einzuprägen. Ausserdem
aber ist es nicht gestattet und angänglich, in den Museen
bei Beobachtung der Gemälde eine künstliche intensive Be-
leuchtung anzubringen oder alle störenden Reflexe zu ver-
meiden, wodurch allein es möglich ist, alle Merkmale der
einzelnen Bilder zu erkennen und aufzufassen, die etwa vor-
handenen Bezeichnungen nach ihrer Eigenthümlichkeit zu
studiren und auf ihre Berechtigung hin zu prüfen. Nur mit
Hilfe der Photographie ist es möglich, sich in vielen Be-
ziehungen vor Täuschungen und Irrthümern zu bewahren,
denn die Photographie ist durchaus verlassbar. Dass die-
selbe zeichnerisch eine völlig objective Reproduction giebt,
darüber kann neuerdings ein Zweifel nicht mehr existiren.
Erst seit Erfindung der farbenempfindlichen Platten ist es
für den Kunsthistoriker möglich, seine Objecte so gründlich
zu studiren wie z. B. der Astronom seinen Sternenhimmel,
der Chemiker seine Elemente oder der Anatom den thierischen
Körper.
Man
zieht
nur die Consequenz
aus dem Vorhanden-
sein dieses Hilfsmittels, wenn man die Photographie auch
für das Kunststuclitim in weitestem Maasse in Anspruch
nimmt, sowie dieselbe von allen Wissenschaftszweigen, denen
sie zu dienen im Stande ist, zu genauester Durchforschung
der zugehörigen Objecte bereits verwendet wird.
Nächst dieser genauesten empirischen Bilderforschung
gilt es einer kunstgeschichtlichen Untersuchung, den intellec-
tuellen, ethischen und ästhetischen Inhalt der Kunstdenkmale
vergangener Entwickelungsepochen des Menschengeistes zu
erkennen, darzulegen und wenn möglich mit dem
Wesen und den Schicksalen der einzelnen Künstler und