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Theil.
Capitel.
Eine schwache Zeit dagegen, eine solche des Ver-
falles oder des Ueberganges, holt von fern her ihre Stoffe
oder sucht nach Anlehnung oder neuen Mustern.
Auf ein Zeitalter der Productivität folgt ein solches der
Receptivität. Der Menschengeist ist dem Getreidehahn ver-
gleichbar, der im Emporwachsen in den Knoten des Schaftes
seine
Kraft
sammelt
und
E111
diesen
Stellen
im
W achsthunu
gleichsam still steht, um darauf wieder emporzuschiessen
und die angesammelten Kräfte zur Geltung zu bringen.
Solch ein Zeitalter der Receptivität und des scheinbaren
Stillstandes War die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts.
Die
zweite
aber
brachte
ZUP
Gestaltung,
Zlll"
ilusseren
Verl
wirklichung,
was die
erste an Bildungsmaterial aufgenommen
und
vorbereitet
hatte,
auch
der
Kunst.
Die
antiki-
sirende Kunstrichtung war
nur ein nothwendiger ästhetischer
Ausdruck jener Reception,
in das Wesen der Antike.
jenes allmählichen
Die bildende Kunst
Eindringens
freilich war
gewaltigen Geistes-
geringsten, be-
von den grossen Errungenschaften jener
arbeit des vorigen Jahrhunderts eine der
sonders
XV e I1 11
man
sie
mit
der
Literatur
und
mit
den
socialen
Errungenschaften,
sowie
mit
den
gewaltigen
Fort-
schritten
der
Philosophie
vergleicht.
Die
Malerei
endlich ,
E1115
Welcher
die
Kunsthistoriker
ein
Verständniss
der
malerischen
Technik
hätten
gewinnen
müssen,
war,
besonders
Deutschland,
erst
den
fängen
eines
neuen
Entwickelungsstadiums
begriffen.
Denjenigen Kunstfreunden, welche über die Werke der
niederländischen Kunst gleichwohl schrieben und etwa be-
müht gewesen sein sollten, die vorhandene Rembrandt-
Literatur mit den dem Rembrandt zugeschriebenen Werken
in Einklang zu bringen, fehlte es ganz besonders an den
richtigen ästhetischen Principien.